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Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen
Was haben wir gelernt und was können wir tun?

Autor: Thomas Haslböck

Die Corona-Pandemie war gerade für Kinder und Jugendliche eine große Belastung. Viele leiden bis heute an Einsamkeitsgefühlen, Ängsten und Depressionen. Wir haben mit Expertinnen und Experten diskutiert, was getan werden muss, um die Lücken zu schließen, die Corona gerissen hat.

Die Corona-Pandemie erscheint manchmal wie ein Ereignis aus längst vergangenen Zeiten. Dabei ist es noch nicht einmal ein Jahr her, dass die letzten Maßnahmen aufgehoben wurden. Und für viele Kinder und Jugendliche ist die Pandemie bis heute nicht vorbei – weil sie weiterhin unter den psychischen Belastungen dieser Zeit leiden. Die Hanns-Seidel-Stiftung hat daher eine Expertenrunde zu diesem Thema veranstaltet.

Kerstin Schreyer lächelt in die Kamera.

Staatsministerin a.D. Kerstin Schreyer: „Wir müssen uns anschauen, was unsere jungen Leute brauchen, um nachreifen und gesunden zu können. Dazu benötigen wir den Sachstand.“

Atelier Krammer; Kerstin Schreyer

„Es sind so viele Erfahrungen einfach ausgefallen: die erste Liebe und der erste Liebeskummer, Auslandsaufenthalte, das Studium als Begegnungsort mit anderen Gleichaltrigen. Kinder und Jugendliche wurde so in ihrer Entwicklung massiv beeinträchtigt. Wir müssen uns daher anschauen, was unsere jungen Leute brauchen, um nachreifen und gesunden zu können. Dazu benötigen wir den Sachstand“, begründete Staatsministerin a.D. Kerstin Schreyer, MdL und stv. Stiftungsvorsitzende, die Notwendigkeit der von ihr initiierten Tagung. Daran teilgenommen haben Fachleute aus der Psychologie, der Pädagogik und dem Bereich Public Health. Weiteren politischen Input gab der gesundheits- und pflegepolitische Sprecher der CSU-Landtagsfraktion, Bernhard Seidenath, MdL.

Schrittmacher für Ängste und Depressionen

Prof. Dr. Sabine Walper, Vorstandsvorsitzende und Direktorin des Deutschen Jugendinstituts, stellte die ganz konkreten psychischen Auswirkungen der Maßnahmen dar. Sie bezeichnete Einsamkeit und Gefühle sozialer Isolation als „starken Schrittmacher für Ängste und Depressionen“, wobei vor allem die Angstsymptome nachwirken. Darüber hinaus nannte sie weitere, oft vergessene Einflussfaktoren – etwa den Verlust der Selbstwirksamkeit (die innere Überzeugung zu haben, schwierige oder herausfordernde Situationen gut meistern zu können, Anm. d. Red.), das Leiden unter den Belastungen der Eltern oder den Ukrainekrieg.

Walpers Ausführungen wurden durch den Vortrag von Dr. Helena Ludwig-Walz in einen größeren Kontext gestellt. Die Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung präsentierte die Ergebnisse ihrer europäischen Vergleichsstudie, mit der sie eine klare Korrelation zwischen Restriktionsstärke und dem Auftreten psychischer Probleme nachweisen konnte. „Je strikter die Maßnahmen waren, desto häufiger traten Angstsymptome und Depressionen auf“, resümierte Ludwig-Walz.

Seidenath steht lässig da und lächelt in die Kamera.

Der CSU-Kreisvorsitzende und Dachauer Kreisrat Bernhard Seidenath, MdL, ist seit 2013 Vorsitzender des Arbeitskreises Gesundheit und Pflege der CSU-Landtagsfraktion.

Bernhard Seidenath, MdL

Die Schulen geöffnet lassen

Ebenfalls vergleichend gingen Dr. Lisa Pfadenhauer und Dr. Caroline Jung-Sievers, Wissenschaftliche Mitarbeiterinnen am Lehrstuhl für Public Health und Versorgungsforschung an der Ludwig-Maximilians-Universität München, vor. Sie wiesen auf die Wirksamkeit und die Nebenwirkungen spezifischer Maßnahmen im schulischen Kontext hin und zeigten Wege auf, wie sich negative Effekte durch Interventionen hätten abmildern lassen. Vor diesem Hintergrund plädierten die beiden Wissenschaftlerinnen dafür, die Schulen künftig in vergleichbaren Lagen geöffnet zu lassen – freilich unter Anwendung entsprechender Sicherheitskonzepte.

Mit dem schulischen Bereich beschäftigte sich auch Prof. Dr. Doris Lewalter, Inhaberin der Professur für Formelles und Informelles Lernen an der Technischen Universität München sowie Leiterin des National Center PISA. Sie betonte, dass der Distanzunterricht gerade in Deutschland durch die geringe Nutzung digitaler Medien und die – verglichen mit den anderen OECD-Ländern – unterdurchschnittliche familiäre Unterstützung besonders herausfordernd gewesen sei. Die Feststellung einer zunehmenden mathematikbezogenen Ängstlichkeit, also erhöhte Anspannung beim Lösen von mathematischen Aufgaben, passe außerdem gut zum Befund einer generellen Zunahme von Angstsymptomen infolge der Corona-Pandemie.

Kinder haben Sprache verloren

Bernhard Seidenath, MdL, bezeichnete in seinem Statement die Zunahme von Erziehungsauffälligkeiten in Schulen als „extremes Alarmsignal“ und umriss die Maßnahmen, mit denen der Freistaat Bayern auf die starke Zunahme psychischer Belastungserscheinungen reagiert hat. So wies er beispielsweise auf das Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz und die Einführung psychiatrischer Krisendienste hin, die rund um die Uhr erreichbar sind und notfalls zum Betroffenen kommen. „Diese Möglichkeit wollen wir nun auch auf Kinder und Jugendliche ausweiten“, sagte Seidenath. Ferner sei vorgesehen, den Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie schon im Studium zu stärken. Speziell für den schulischen Bereich stellte Seidenath eine enge und noch stärker koordinierte Zusammenarbeit mit bereits existierenden Initiativen wie ‚Gute gesunde Schule Bayern‘ und ‚Lions-Quest‘ in Aussicht.

Die anschließende Diskussion fand unter reger Beteiligung der zugeladenen Fachleute, vor allem aus dem schulpsychologischen Bereich, statt. Die Teilnehmer kamen überein, dass es nicht nur darum gehen dürfe, die durch die Pandemie entstandenen Leistungsrückstände zu schließen, sondern dass es einer Förderung im sozialen und emotionalen Bereich fast noch dringender bedürfe. Die Kinder und Jugendlichen hätten die Sprache verloren und wüssten nicht mehr, wie sie mit Konflikten umgehen sollen. Diese Sprache müsse ihnen zurückgegeben werden.

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Leiter: Thomas Haslböck
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