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PISA-Studie 2022 – Alarmsignal für die Bildung
Nie waren wir schlechter

Autor: Wilken Hustert

Laut der jüngsten PISA-Studie zeigt Deutschland besorgniserregende Resultate in der Schulbildung, insbesondere in den Bereichen Naturwissenschaften, Lesen und Mathematik. Im Vergleich zu früheren Jahren sinken die deutschen Schulleistungen immer mehr auf ein kritisches Niveau. Die Ergebnisse wirken als Schock für den Bildungsstandort Deutschland.

Die Anfang Dezember von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) veröffentlichte PISA-Studie 2022 belegt negative Entwicklungen im Schul- und Bildungssystem der Bundesrepublik im Vergleich zu anderen Ländern. Die Lesekompetenz verringert sich, in Mathematik schneiden die Schüler besonders häufig schlecht ab. Auch in den Naturwissenschaften zeigen sich negative Entwicklungen. Die Ergebnisse zeichnen ein desolates Bild:

In Mathematik stürzten die Leistungen besonders stark ab: von 500 Punkten im Jahre 2018 auf nur noch 475 Punkte 2022.

OECD

Nie zuvor waren die schulischen Leistungen schlechter. Zwar erreicht Deutschland immer noch den OECD-Durchschnitt, aber ein genauer Blick auf die ausgehobenen Daten lassen einen allgemeinen Bildungsrückgang klar erkennen.   

PISA-Studie als Leistungsvergleich

Seit dem Anfang der vergleichenden internationalen Untersuchungen des „Programme for International Students Assessment“ (PISA) im Jahr 2000, wurden alle drei Jahre die Kompetenzen von fünfzehnjährigen Schülern in den Fächern Mathematik, Lesen und in den Naturwissenschaften geprüft.

Die erste Veröffentlichung der Studie führte in Deutschland zu dem sogenannten PISA-Schock, einer heftigen öffentlichen Auseinandersetzung über den damals mittelmäßigen Zustand des deutschen Bildungssystems, das im internationalen Ranking deutlich schlechter dastand als etwa Frankreich, Schweden oder Japan. In den Folgejahren spiegelten die Studienergebnisse die Bemühungen Deutschlands wider, den Bildungsbereich durch zahlreiche Schulreformen zu stärken und die Qualität der schulischen Bildung zu fördern. Gleichzeitig konnten damit auch neue Herausforderungen identifiziert werden. So zeigten sich vor Jahren bereits deutliche soziale Disparitäten in den Bildungsergebnissen. Schüler mit Migrationshintergrund oder aus sozial benachteiligten Verhältnissen schnitten im Durchschnitt schlechter ab.

Ein Alarmsignal

Die Erfolglosigkeit der meisten Schulreformen der letzten 20 Jahren erscheint evident, wenn man die diesjährige PISA-Studie betrachtet. Die Ergebnisse der Leistungen in den Feldern Mathematik, Lesekompetenz und Naturwissenschaften offenbaren das sichtbare Scheitern: Für 2022 wurde die niedrigsten Werte erreicht, die [in Deutschland] jemals im Rahmen von Pisa gemessen wurden“.

Bei der Lesekompetenz geht es abwärts: von 498 auf 480 Punkte.

OECD

Besonders in Mathematik stürzten die Leistungen krachend ab. Man erreichte hier noch 475 Punkte (Stand 2018: 500), 30 Prozent der Fünfzehnjährigen zählen dort zu den Leistungsschwächsten, nur noch 9 Prozent erfüllen die Anforderungen der Klassenstufe. Beim Lesen kamen die Schüler auf 480 Punkte (2018: 498) und in dem Bereich der Naturwissenschaften auf 492 (2018: 503).

Zwar sind die durchschnittlichen Resultate der Schüler nicht nur in Deutschland, sondern auch international rückgängig, aber ein Vergleich der Jahre 2018 und 2022 hebt den deutschen Leistungsabfall besonders hervor.

Gründe für den Bildungsverfall

Warum die Leistungen trotz nachweisbaren politischen Anstrengungen so drastisch gefallen sind, hängt von mehreren Faktoren ab. Als jüngster Einschnitt kann auf die Corona-Pandemie verwiesen werden, die aufgrund des längerfristigen Einbruchs der Lehre und der systemischen Umstellung derselben, schlechtere Leistungen hervorgebracht hat. Ein weiterer Grund wird im akuten Personalmangel in den Schuleinrichtungen vermutet, es fehlt zunehmend an Lehrern gerade in den Bereichen Naturwissenschaften und Mathematik. Auch der immer größer werdende Anteil leistungsschwacher Schülern wirkt sich auf die Statistik aus.

Schließlich könnten auch die diversen Bildungsreformen in 16 verschiedenen Bundesländern beigetragen haben. Immer wieder wurde in den vergangenen Jahren von Experten die sinkende Leistungserwartung und das in der Folge auch gesunkene Leistungsniveau kritisiert.  

Auf dem Weg zur Klassengesellschaft?

Mit der Abnahme an hochwertiger Bildung zeichnet sich auch eine Gefahr für den gesellschaftlichen Zusammenhalt ab, da sich bereits eine neue Form von Klassengesellschaft erahnen lässt. Denn der schlechte Ruf, der hierzulande immer mehr öffentlichen Schulen zuteilwird, führt viele Eltern, die es sich finanziell leisten können, dazu, ihre Kinder an Privatschulen zu schicken. Längerfristig könnte dies zu einer ungleichen Verteilung von Wissen und Bildungsstand führen, mit einer wachsenden Gruppe an Unterprivilegierten im städtischen wie ländlichem Raum. Für die viertstärkste Volkswirtschaft und den immer noch attraktiven Bildungsstandort Deutschland sind solche Entwicklungen katastrophal. Experten warnen bereits vor künftigen wirtschaftlichen Verlusten.

Ein verwirrter Schüler schaut überfordert.

Für 2022 wurde die niedrigsten Werte erreicht, die in Deutschland jemals im Rahmen von Pisa gemessen wurden.

S.Kobold; ©HSS; AdobeStock

Schüler mit Migrationshintergrund am meisten benachteiligt

Eine weitere sehr deutliche Erkenntnis der Studie offenbart die Benachteiligung von Schülern mit Migrationshintergrund. In dieser Gruppe gelten 42 Prozent als „sozioökonomisch benachteiligt“. Die Herkunft aus einkommensschwachen, sozial abgegrenzten und oftmals bildungsfernen Familien, erschwert die Anpassung an das vorgegebene Niveau erheblich. Dabei spielt auch eine Rolle, dass die meisten Schüler mit Migrationshintergrund zu Hause eine andere Sprache als Deutsch sprechen. Das schafft eine sichtbare Leistungsungleichheit und trennt zunehmend die Schüler innerhalb der Klassen auf. Mit einer wachsenden Anzahl an Schülern mit Migrationshintergrund innerhalb der Klassenzimmer verschlechtert sich zudem das Niveau im Allgemeinen und führt zu großen Defiziten in der Bildung.

Die weitestgehend deprimierenden Ergebnisse der aktuellen Studie sollten die Politik aufhorchen lassen, die Zustände in den deutschen Schulen zu verbessern. Deutschland muss im Bildungsbereich Fortschritte erzielen. Chancengleichheit, der Ausbau der digitalen Bildung und die Förderung von Schlüsselkompetenzen in Kernbereichen sind zentrale Faktoren für eine optimale Vorbereitung der Schüler auf die Herausforderungen der Zukunft. Die aktuelle PISA-Studie sollte daher als Alarmsignal dienen.

Starke Aussagen - 
Meinungen und Fakten

Die Akademie für Politik und Zeitgeschehen der Hanns-Seidel-Stiftung nimmt eine aktive Rolle als Plattform in diesem Diskurs ein. Sie zeigt Entwicklungen bei aktuellen und zukünftig wegweisenden Fragestellungen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft auf und bringt relevante Akteure in den fachlichen Dialog. In der Dezember-Ausgabe von "Starke Aussagen - Meinungen und Fakten" lautet das Thema: DAS BILDUNGSNIVEAU SINKT - WAS KÖNNEN WIR TUN?

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