Die Sorge um den gesellschaftlichen Zusammenhalt ist in den letzten Jahren gewachsen. Aktuell wird der soziale Zusammenhalt von mehreren Seiten beeinflusst, nämlich durch:
Diese Entwicklungen verändern die Gesellschaft grundlegend und beeinflussen dadurch das Gerechtigkeitsempfinden, die gesellschaftliche Teilhabe, das Institutionenvertrauen und die Solidarität der Bürgerinnen und Bürger.
Vor diesem Hintergrund hat die Hanns-Seidel-Stiftung eine digitale Podiumsdiskussion mit dem Titel „Grundsätzliches teilen: Gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken durch Integration, Teilhabe und Generationengerechtigkeit“ veranstaltet. Ziel der Diskussionsrunde im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Grundsätzliches“ war es, die Perspektiven und Herausforderungen im Bereich „Gesellschaftlicher Zusammenhalt“ systematisch darzulegen und die Möglichkeiten und Grenzen politisch-sozialer Gestaltung aufzuzeigen.
Der Vorsitzende der Hanns-Seidel-Stiftung und Europaabgeordnete Markus Ferber verwies in seiner Einführungsrede auf eine Bertelsmann-Studie von 2020, die ergab, dass alle Befragten eine Schwächung des gesellschaftlichen Zusammenhalts wahrnahmen. Auch in den Bereichen Gerechtigkeitsempfinden, Solidarität, gesellschaftliche Teilhabe sowie Institutionenvertrauen sinken die Werte. Aktuelle Erhebungen zeigen zudem, dass die Corona-Pandemie einen negativen Einfluss auf den sozialen Zusammenhalt hatte. Das Vertrauen in die Mitmenschen und die Solidarität untereinander nahmen weiter ab: „Die aktuellen Krisen fordern den gesellschaftlichen Zusammenhalt heraus“, so Dr. Anja Weisgerber, MdB, Sprecherin für Umwelt und Verbraucherschutz der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag sowie Co-Vorsitzende der CSU-Grundsatzkommission. „Politik muss jetzt Gegensätze verbinden und ein neues Miteinander schaffen.“
Verglichen mit den USA, sei Deutschland wenig polarisiert, findet Prof. Dr. Olaf Groh-Samberg, Professor für Soziologie an der Universität Bremen sowie Sprecher des Forschungsinstituts gesellschaftlicher Zusammenhalt (FGZ) und Leiter des FGZ-Datenzentrums in Bremen. In Bezug auf seine FGZ-Pilotstudie 2020 erklärte er: „Zwar geht die deutsche Bevölkerung in gesellschaftspolitisch bedeutsamen Einstellungen und Orientierungen in systematischer Weise auseinander, es besteht aber keine vollständige Parallelisierung entlang nur einer Konfliktachse.“ Jedoch gebe es zunehmend kleinere Gruppen, die sich von einem demokratischen Konsens und den demokratischen Institutionen weit entfernt hätten. Dies unterstrich auch Heidi Schulze, Kommunikationswissenschaftlerin und Medienforscherin an der Ludwig-Maximilians-Universität München, mit Blick auf ihre Forschungsprojekte „MOTRA“ und „KoMo“. Ferner gab sie zu bedenken: "Digital ist nicht das Gegenteil von realweltlich. Gesellschaftliche Spaltung und Zusammenhalt finden überall statt." Alle Podiumsgäste verdeutlichten, dass Bildung und Aufklärung zentrale Maßnahmen gegen Polarisierung und Radikalisierung seien. Zur Stärkung sozialen Zusammenhalts seien persönliche Begegnungen und positive gemeinsame Erlebnisse essentiell. In ihrem Videobeitrag appellierte die bayerische Sozialministerin Ulrike Scharf, MdL, an alle Bürgerinnen und Bürger: „Reden wir, statt vorschnell zu urteilen. Setzen wir auf unsere Zivilgesellschaft!“.
„Demokratie lebt von Solidarität und freiwilligem Engagement“, so Markus Ferber. „Bayern wäre ohne den nachhaltigen und herausragenden Einsatz der über fünf Millionen Ehrenamtlichen nicht denkbar.“ Auch Staatsministerin Ulrike Scharf, MdL betonte in ihrem Beitrag: „Unser Land lebt von Menschen, die mehr tun als ihre Pflicht." Claudia Leitzmann, Geschäftsführerin des Landesnetzwerks Bürgerschaftliches Engagement Bayern e.V. (LBE) fügte an: „Wir müssen offen sein für neue Wege und allen Menschen ermöglichen und zutrauen, gemeinsam an der Lösung aktueller gesellschaftlicher Fragen zu arbeiten.“ Gerade das Ehrenamt ist hierfür gut geeignet. Leider wird es immer schwieriger, Menschen für freiwilliges Engagement zu begeistern. Grund hierfür sind u.a. „behördliche Fesseln“ und eine um sich greifende „Flucht aus der Verantwortung“. Ob es vor diesem Hintergrund ein verpflichtendes Gesellschaftsjahr braucht, wurde kontrovers diskutiert. Einig waren sich alle Podiumsgäste jedoch darin, dass freiwilliges Engagement eine große Bedeutung für den gesellschaftlichen Zusammenhalt hat. Es ist unerlässlich für individuelle Teilhabe, gesellschaftliche Integration, Wohlstand, das kulturelle Leben, stabile demokratische Strukturen und soziale Bindungen. Ehrenamtliche sind das Rückgrat unserer Gesellschaft.