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30 Jahre deutsch-deutscher Einigungsvertrag

Autor: Elena Luckhardt

„Von sofort an können DDR-Bürger direkt über alle Grenzstellen zwischen der DDR und der Bundesrepublik ausreisen“. Diese Mitteilung von SED-Politbüromitglied Günter Schabowski am Abend des 9. November 1989, die sofort wie ein Lauffeuer um die ganze Welt ging, war der endgültige Anstoß zum Mauerfall und der Beginn der deutschen Wiedervereinigung. Diese gipfelte schließlich im Tag der Deutschen Einheit, dem 3. Oktober 1990, unserem Nationalfeiertag.

Winfried Rabanus; ACSP, Rabanus : 102/5-11

Wer kennt sie nicht, die bewegenden Bilder der jüngeren deutschen Geschichte – sei es, dass er sie damals im Fernsehen mitverfolgt hat, sei es, dass er sie jetzt, 30 Jahre später, in einer online-Datenbank ansieht? Und das nicht nur in Deutschland, sondern weltweit: Die Menschenmenge auf der Mauer am Brandenburger Tor am Abend des 9. November, die langen Warteschlangen an den Übergängen zur BRD und schließlich die Menschen auf beiden Seiten der nun offenen Grenze. Verwandte, die sich nach Jahrzehnten wiedersahen – jeder Einzelne von ihnen mit seinen Erlebnissen, seinem Schicksal, seiner Geschichte. „An diesem Wochenende wurden wir wieder ein Volk!“, so der Historiker und Politiker Wighard Härdtl, der bereits in den 1960er-Jahren in die Bundesrepublik geflohen war, zu den Geschehnissen des 9. November.

Diese beiden Tage, der 9. November 1989 und der 3. Oktober 1990, sind jedoch nicht die einzigen wichtigen Daten für die deutsche Wiedervereinigung. Am 31. August dieses Jahres jährt sich die Unterzeichnung des deutsch-deutschen Einigungsvertrags zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik zum dreißigsten Mal. Er war nach dem Vertrag über die Wirtschafts- Währungs- und Sozialunion vom 18. Mai 1990 der zweite Staatsvertrag im Vorfeld der Wiedervereinigung zwischen der BRD und der DDR. Für die DDR bedeutete dieser Vertrag ihre Auflösung und damit einhergehend ihre vollständige Integration in die Bundesrepublik.

ACSP; ACSP, Pl S : 1520

Die fünf "neuen Länder"

Die fünf Länder der DDR, die im Jahr 1952 abgeschafft und am 22. Juli 1990 durch die erste frei gewählte Volkskammer der DDR wieder neu gegründet worden waren, gehörten nun – fortan als die „neuen Länder“ bezeichnet – zur BRD. „Mit dem Wirksamwerden des Beitritts der Deutschen Demokratischen Republik zur Bundesrepublik Deutschland gemäß Artikel 23 des Grundgesetzes am 3. Oktober 1990 werden die Länder Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen Länder der Bundesrepublik Deutschland." (Art. 1 Abs. 1 Einigungsvertrag). Zugleich wurden Ost- und Westberlin durch den Vertrag zu einem Land zusammengeschlossen, und Berlin sollte die Hauptstadt der Bundesrepublik werden. Der dritte Aspekt des deutsch-deutschen Vertrags war die Übernahme des DDR-Vermögens seitens der BRD und gleichzeitig die Haftung für deren Staatsschulden. Dies bedeutete, dass das Grundgesetz der Bundesrepublik nun auch in den Ländern der DDR galt.

Die Ausarbeitung des Einigungsvertrags war insbesondere wegen seines Detailreichtums und vieler strittiger Punkte sehr fordernd. Wighard Härdtl, damals Leiter der Arbeitsgruppe Deutsche Einheit und Leiter des Führungsstabs beim Bundesinnenminister, Dr. Wolfgang Schäuble, sagt hierzu: „Wir sind Gesetze und Verordnungen Ressort für Ressort durchgegangen, insgesamt waren das ca. 20.000 unterschiedliche Sachbereiche. […] Ich leitete die Gruppe zusammen mit meinem Stellvertreter Willi Hausmann. Ich habe […] an zahlreichen Ressortgesprächen teilgenommen, wo es immer Streitigkeiten über Geld und Zuständigkeiten gab. Aber die Bewältigung der Mammutaufgabe, das gesamte Bundesrecht zu übertragen, verlief effizient und zielorientiert. Alle waren beseelt von der großen Aufgabe, bei der Wiedervereinigung Deutschlands mitzuwirken.“

Das war schließlich auch das Entscheidende, Wichtige und Einzigartige: Die friedliche Wiedervereinigung zweier geteilter Staaten. Schäuble und der Parlamentarische Staatssekretär der DDR, Günther Krause, unterschrieben den am Ende über tausend Seiten zählenden, bis ins Detail geregelten Einigungsvertrag am 31. August 1990 im Palais Unter den Linden in Ostberlin. Gut drei Wochen später, am 20. September 1990, wurde der deutsch-deutsche Einigungsvertrag verabschiedet, und der Weg zum letzten Schritt der Wiedervereinigung am 3. Oktober war geebnet.