Die Vorfreude scheint uns abhanden gekommen zu sein. Im Zeitalter von Streamingdiensten können wir jederzeit beliebig Serien sehen und wenn wir das wollen, gleich mehrere Folgen hintereinander. Vorbei die Zeiten, in denen wir uns nach festen Terminen im Fernsehprogramm richten mussten. Diese Flexibilität hat auch Nachteile: Wenn wir früher der wöchentlichen Ausstrahlung entgegenfieberten, wurden dabei auch Glücksgefühle entwickelt, die sich im Vorfreuen sogar intensiver zeigten als beim eigentlichen Erleben. Hirnforscher haben das inzwischen nachgewiesen.
Sieht man die Entwicklungen, die uns ermöglichen, alles zu jeder Zeit zur Verfügung zu haben, fragt man sich heute: Ist es vorbei mit der Vorfreude, die uns erwiesenermaßen glücklich macht?
Doch eine hat sich bis jetzt noch nicht geändert. Die Vorfreude auf Weihnachten in der Adventszeit! Diese Zeit ist nicht verschiebbar, jahreszeitenabhängig und kann nicht mit anderen Feiertagen zusammengelegt werden. Jedes Jahr ist sie so wichtig, dass es verschiedene Formen des Wartens für sie gibt.
Da sind zum einen Adventskalender, die in jeder Generation anders ausfallen. Während sich die sogenannten „Babyboomer“ noch an Papierbildchen und bestenfalls Schokoladenfiguren erinnern, die beim Öffnen der Türchen in Erscheinung traten, sind es heute schon richtige Geschenke für jeden Tag. Parfumkalender, Bierkalender, Tierfigurenkalender – Frau, Mann und Kind können im Handel je nach Größe ihres Geldbeutels fündig werden.
Dabei hat alles ganz einfach angefangen: In klösterlichen Schulen waren Zählhölzer in Gebrauch, auf denen die Kinder im Advent ihre Gebete durch Einritzen vermerkten. So wollten sie ihr frommes Handeln beim Nikolaus nachweisen. In den Familien wurde diese Praxis übernommen und später auf sogenannte Merkbücher übertragen. Abgelaufene Tage wurden darin getilgt, indem Stiche ausgewischt, Blätter ausgerissen oder Papierstreifen abgeschnitten wurden.
Adventskerzen gab und gibt es noch heute. Sie funktionieren nach dem gleichen Prinzip wie die Kalender. An einer langen Kerze werden 24 Tage markiert, Verzierungen wurden angebracht und dann wurde die Kerze jeden Tag ein Stückchen abgebrannt.
Bei weitem populärer ist ein anderer Kerzenschmuck, nämlich der Adventskranz, ein Brauch aus Hamburg.
Ihm voraus gingen sogenannte Paradeisl, die in Altbayern beliebt waren. Dazu bohrte man bemalte Stäbchen in 4 Äpfel, befestigte Tannenzweige und Kerzen darin und stellte sie zusammen mit Weihnachtsgebäck auf den Tisch.
Der Vorläufer des Adventskranzes hingegen hing ursprünglich von der Decke. Es handelte sich um einen Kronleuchter mit 4 roten und 20 weißen Kerzen, die Johann Hinrich Wichern, der Leiter des „Rauhen Hauses“ in Hamburg, einer sozialen Einrichtung für arme Kinder im Jahr 1839 anbrachte. Also ein recht junger und ursprünglich protestantischer Brauch, der sich langsam von Nord nach Süd durchsetzte.
Im Jahre 1937 wurde erstmals in St. Silvester in München ein Kranz mit 4 Kerzen aufgestellt, so wie man den Adventskranz heute kennt.
Auch wenn verschiedene Bräuche zur Adventszeit sich immer weiter entwickeln und vielfach nicht so alt sind wie sie scheinen. Eines haben sie alle gemeinsam: Sie messen die Zeit und zeigen die Vorfreude auf Weihnachten, auf die Ankunft Jesu Christi.