Print logo

Diskussion in der Slowakei
#AllforJan – Wie schützen wir die Pressefreiheit in der EU?

Mit dem Mord an Ján Kuciak und seiner Verlobten Martina Kušnírová wurde zum zweiten Mal innerhalb eines halben Jahres in einem EU-Land ein Journalist umgebracht. Im Oktober 2017 hatte es schon die maltesische Investigativ-Jouralistin Daphne Caruana Galizia getroffen, die über Korruption berichtet hatte.

 

In einem Teil Deutschlands und in vielen Ländern des östlichen Europas sind  die Grundrechte erst vor gut 30 Jahren erkämpft worden. „Als Europäer haben wir also etwas zu verteidigen!“, eröffnete Martin Kastler, der Regionalleiter der Hanns-Seidel-für Mitteleuropa die Diskussion. Tibor Macák, Generalsekretär des europäischen Journalistenverbandes gab zu bedenken, dass die Meinungs- und Pressefreiheit zwar in der Charta der europäischen Grundrechte festgeschrieben sei, in der Realität heute jedoch unter Druck stehe. 

Pressefreiheit ist in Gefahr

So habe zum Beispiel der ehemalige slowakische Premierminister Robert Fico, der im Rahmen der Regierungskrise nach dem Kuciak-Mord zurücktreten musste, Journalisten als „dreckige antislowakische Prostituierte“ bezeichnet.

Die deutsche Journalistin Alexandra Mostýn, die seit über 20 Jahren als Korrespondentin in Prag für taz.de berichtet, sorgt sich besonders in Tschechien um die Pressefreiheit und  verwies auf die größte tschechische Tageszeitung Mladá fronta Dnes (MF Dnes), die zum Medienkonzern des umstrittenen tschechischen Premierministers Andrej Babiš gehört. Als vor ein paar Wochen in Prag und vielen weiteren Städten Tschechiens zehntausende Menschen gegen Babiš demonstrierten – u.a. wird ihm seine Mitarbeit bei der tschechoslowakischen Staatssicherheit sowie in seiner unternehmerischen Tätigkeit die unrechtmäßige Verwendung von EU-Subventionen vorgeworfen – wurde dies auf der Titelseite der MF Dnes nicht erwähnt. Stattdessen sei als Aufmacher auf Seite eins ein Artikel über PKW-Verbandskästen gewählt worden. 

Dies ist ein Beispiel dafür, was geschieht, wenn Oligarchen und Milliardäre Medienfirmen aufkaufen und dadurch die öffentliche Meinung in ihrem Sinne beeinflussen können. Als interessantes Gegenbeispiel nannte Mostýn die Berliner Tageszeitung taz: Die dortige korporative Eigentumsstruktur mit über 17.000 Anteilseignern stelle eine Alternative zu Oligarchen-Medien dar. Zudem seien in den letzten Jahren auch neue Medien entstanden, die die Medienlandschaft belebt hätten, dies gebe ihr durchaus Hoffnung für die Zukunft.

Kamila Gunišová von Amnesty International sieht in mehreren europäischen Ländern, vor allem in Ungarn und Polen, die plurale Medienlandschaft in Gefahr. Die Einflussnahme auf Rundfunk und Fernsehen sei nach wie vor ein mächtiges Mittel für Regierungsparteien. Ivan Štefanec, MdEP (KDH, EVP) ergänzte, dass alternative Medien im Internet noch lange nicht so bedeutend seien, dass auf traditionelle Medien verzichtet werden könne. 

Aufklärung von Straftaten ist notwendig

Ivan Štefanec, MdEP (KDH, EVP) betonte, dass nicht nur der Mord an Ján Kuciak aufgeklärt werden müsse, sondern auch die Straftaten der Organisierten Kriminalität, über die Kuciák geschrieben hatte. Gunišová wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Öffentlichkeit großen Druck ausüben und auf eine vollständige Aufklärung der Morde an Jan Kuciák und der maltesischen Journalistin Daphne Caruana Galizia drängen müsse. Leider würden nach den Erfahrungen von Amnesty International bei solchen Verbrechen meist weder die Mörder noch die Hintermänner verurteilt.

Auch Peter Bárdy, der Chefredakteur des Nachrichtenportals aktuality.sk, für das Ján Kuciák schrieb, konnte für die Diskussion gewonnen werden. Unter Verweis auf die Recherchen seines Kollegen Kuciák kritisierte er, dass viele slowakische Politiker nur über Korruptionsbekämpfung reden, aber keine konkreten Maßnahmen treffen würden.

Müssen die Gesetze in der Slowakei geändert werden?

Diskussionsleiter Macák befragte die Expertenrunde zudem nach ihrer Meinung zu eventuellen notwendigen legislativen Änderungen. Ivan Štefanec könnte sich für die Slowakei ein höheres Strafmaß für Angriffe auf Journalisten vorstellen, vergleichbar mit den Strafen für Angriffe auf öffentliche Amtsträger. Peter Bárdy hingegen sprach sich für eine konsequentere Anwendung der jetzigen Gesetze aus, verbunden mit einer Verbesserung des slowakischen Justizwesens.

„Wer ist heute eigentlich ein Journalist?“ lautete eine weitere spannende Fragestellung von Tibor Macák. Gunišová merkte an, dass in vielen Ländern Blogger für ihre Texte ins Gefängnis kämen und plädierte daher für einen weiten Journalismus-Begriff. 

Welchen Einfluss haben die Medien auf die Europawahlen 2019?

Nächstes Thema war der Zusammenhang von Medien und politischer Bildung. So stellte Diskussionsleiter Macák angesichts der Europawahlen 2019 die Frage in den Raum, inwieweit die slowakische Bevölkerung über die europäische Politik informiert sei. Nach Meinung des Europaabgeordneten Štefanec gebe es hier noch viel Luft nach oben. Zunächst sei dies die Schuld der slowakischen Regierung: Der langjährige Premierminister Fico habe des Öfteren in der Slowakei über EU-Entscheidungen gewettert, für die er selber in Brüssel gestimmt hatte. Dadurch habe Europapolitik ein sehr schlechtes Image erhalten. Des Weiteren spielten die Medien eine große Rolle. So sei im Gegensatz zur Slowakei in Deutschland immer eine der ersten drei Meldungen in den Hauptnachrichten über europäische Themen. Und schließlich müsse auch im slowakischen Schulsystem noch weitaus mehr über Europa informiert werden.

Das Fazit der Veranstaltung zog Ivan Štefanec: „Meinungsfreiheit ist das, was eine Demokratie von einem totalitären System unterscheidet.“ Hoffnung gebe ihm dabei für die Slowakei, dass bei den aktuellen Demonstrationen vor allem junge Leute auf die Straße gegangen seien, denen die Zukunft ihres Landes nicht gleichgültig ist.

Slowakische Republik
Dr. Markus Ehm
Projektleiter
E-Mail: 

Hanns-Seidel-Stiftung
Hanns-Seidel-Stiftung e.V.
Vertretung in der Slowakischen Republik
Palisády 29/A
811 06 Bratislava
Slowakische Republik
Telefon: +421 901 744 888
Fax: 421 2 431 914 28
E-Mail: Kissova-K@hss.de, slowakei@hss.de