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Mehr Verantwortung für die EU?
Amerikas Führungskrise, Europas Chance

Trump bleibt unberechenbar. Nach dem überraschenden Rauswurf von James Comey auf Anraten des Justizministers Jeff Sessions zweifeln sogar die Republikaner an den Motiven der US-Administration. Zumindest außen- und sicherheitspolitisch scheint Donald Trump durch James Mattis und General H.R. McMaster gut beraten. Wie weit sich Europa jedoch auf eine stringente Außenpolitik der USA verlassen kann und welche Konsequenzen die EU aus der bestehenden Unsicherheit ziehen muss, diskutierte in Washington Manfred Weber mit Polit-Experten.

Die Unsicherheit über die künftige US-Politik ist in Washington greifbar. Zwar hat sich außen- und sicherheitspolitisch unter Verteidigungsminister James Mattis und Sicherheitsberater H.R. McMaster die Lage stabilisiert, doch der Kurs des Präsidenten bleibt unberechenbar. Europa ist jetzt gefordert, Führungsstärke zu zeigen und sich stärker in das transatlantische  Verhältnis einzubringen.  Vor über 100 amerikanischen und internationalen Gästen vertiefte der EVP-Fraktionsvorsitzende und CSU-Vize Manfred Weber im Gespräch mit den Washingtoner Europaexpertinnen Susan Glasser, Politico, und Heather Conley vom Center for Strategic and International Studies, die Frage nach Europas Handlungsfähigkeit und nach den strategischen Herausforderungen in Europa und Amerika.

Geste der Verbundenheit zwischen Bayern und den USA mit House-Speaker Paul Ryan.

Geste der Verbundenheit zwischen Bayern und den USA mit House-Speaker Paul Ryan.

HSS

Manfred Weber: "Europa baut nicht Mauern, sondern Brücken"

Unter Erfolge der EU verbuchte Manfred Weber die höhere Wachstumsrate als in Amerika, die wirtschaftlichen Reformprogramme in Irland, Spanien, Zypern und Portugal, den Abschluss einer Klimaschutzvereinbarung unter europäischer Führung sowie im internationalen Krisenmanagement das Iran-Abkommen und das Minsk-Abkommen. Das Handelsabkommen mit Kanada (CETA: Comprehensive Economic and Trade Agreement) zeige, dass Europa an offenen Märkten und internationaler Kooperation festhalte, obleich es natürlich auch innerhalb der EU viele Widerstände zu überwinden gibt. Offene Märkte und der Wegfall der Binnengrenzen dürften aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Außengrenzen geschützt werden müssten. „Der Kampf gegen Schlepperbanden und gegen illegale Migration muss verstärkt werden, um Kapazitäten für die wirklich hilfsbedürftigen Asylbewerber zu haben“, so Weber. Dabei nahm der der EVP-Fraktionsvorsitzende auch die aufnahmefeindlichen Länder in Mittelosteuropa in die Pflicht, deren Haltung nicht dem Geist fairer Lastenteilung in der Migrationsfrage entspreche. Offene Worte fand Weber auch gegenüber Ungarn: Die Central European University müsse weiter arbeiten können, sonst drohten Konsequenzen. Mit seinen „Stop-Brüssel“ Aufrufen gehe Viktor Orban zu weit. Dies sei anti-europäischer Populismus, denn die ungarische Regierung stimme ja im Ministerrat in Brüssel in 97% den EU-Beschlussvorlagen zu. Bei aller berechtigten Kritik müsse man sich aber vor einer Überreaktion gegenüber Ungarn hüten. Das größere Problem als Ungarn sei aber Polen und der nationalistische Kurs der PiS-Partei.   Weber: „Damit Europa beim Bürger besser ankommt, kommt es auf klare Kante an“. Man müsse die Dinge beim Namen nennen: Die EU-Mitgliedschaft für die Türkei sei vom Tisch, die Beitrittsgespräche müssten gestoppt werden. Genauso klar sei, dass der Brexit ein schmerzhafter Prozess sei. Die EU der 27 trete geschlossen auf und sei sich einig darin, dass es keine Rosinenpickerei für London geben werde. Über die Konsequenzen des Austritts sei man sich auf britischer Seite offensichtlich nicht wirklich bewusst, wie Manfred Weber anhand von Alltagsfragen eindrucksvoll illustrierte. Zukünftig gelten nämlich in der EU nicht mehr die britischen Impfpässe für Haustiere. Britische Urlauber dürfen dann nicht mehr mit ihren Haustieren in die EU reisen.

Kein Wirtschaftsnationalismus in einer Welt globaler Wertschöpfungsketten (Weber)

Kein Wirtschaftsnationalismus in einer Welt globaler Wertschöpfungsketten (Weber)

HSS

Europa kann optimistisch in die Zukunft blicken

Im transatlantischen Verhältnis sei die EU jetzt besonders gefordert und müsse die Lücke schließen, die sich durch die Ungewissheiten auf US-Seite ergeben. Die EU-Handelsgespräche mit Japan und Mexiko nähmen an Fahrt auf, die westliche Sicherheitsdebatte dürfe nicht auf das 2%-Ziel von Verteidigungsausgaben gemessen am Bruttoinlandsprodukt verengt werden und Wirtschaftsnationalismus dürfe angesichts globaler Wertschöpfungsketten nicht zur herrschenden Meinung werden.  „Wenn man die richtigen Lehren aus der aktuellen Lage zieht, kann Europa optimistisch in die Zukunft blicken“, so Weber. Fakt sei außerdem: Wenn die politische Führung versage, wie in Frankreich, treten neue Bewegungen an ihre Stelle. Wenn die Politik jedoch wie in Deutschland gute Ergebnisse liefere, blieben die Volksparteien attraktiv. Manfred Weber: „Man muss die Sorgen der Bürger ernst nehmen, ihr Schutz- und Identitätsbedürfnis, zugleich aber eine positive Haltung zu den mit Digitalisierung, Globalisierung und Migration einhergehenden Veränderungsprozessen an den Tag legen“. Bei aller Unterschiedlichkeit in Europa dürfe man das einigende Band nicht aus den Augen verlieren: Das Fundament Europas seien die christlich-jüdischen Wurzeln mit den damit verbundenen Werten der Solidarität, der Menschenwürde, sozialer Gerechtigkeit und individueller Freiheitsrechte. Die Gemeinsamkeiten in den transatlantischen Beziehungen werden in den nächsten Jahren einer Belastungsprobe ausgesetzt sein.Die Gemeinsamkeiten in den transatlantischen Beziehungen werden in den nächsten Jahren einer Belastungsprobe ausgesetzt sein.

Susan Glasser verwies auf die irritierende Nähe Trumps zu Putin, dem der US-Präsident große Führungsqualitäten bescheinigt, während Trump zu Angela Merkel auf Distanz gehe. Auch die Eigenheit Donald Trumps, Institutionen wie die Justiz und Medien zu attackieren sowie sich über Normen der politischen Korrektheit und des zivilisierten Umgangs mit politischen Gegnern hinwegzusetzen, sei der moralischen Autorität des US-Präsidenten nicht zuträglich. Selbst hinter der zentralen amerikanischen Forderungen nach deutlich höheren Verteidigungsausgaben Europas werde nicht erkennbar, was die gemeinsame Zielsetzung und das gemeinsame strategische Vorgehen bei der Sicherung europäischer und globaler Stabilität sei. Susan Glasser: „Es fehlt unter Trump bislang eine gemeinsame transatlantische Diskussion über strategische Ziele in der Internationalen Politik“. Der neuen US-Administration müsse man aber eine gewisse Lernfähigkeit durchaus zugestehen, so Heather Conley. Die NATO werde zumindest nicht mehr in Frage gestellt und dem Zerfall der EU nicht länger das Wort geredet. Doch der Weg dahin, dass die USA ein starkes Europa wieder als im eigenen strategischen Interesse liegend erkennen, sei lang. Die Leistung der EU sei in den letzten Jahren unbefriedigend gewesen und die politische Schwäche in vielen Ländern sei selbstverursacht. Ein gewisser weltpolitischer Rückzug der USA, da waren sich Manfred Weber, Susan Glasser und Heather Conley, einig, eröffne Handlungsfelder für Europa, welche die EU aber nur nutzen könne, wenn man international mit einer Stimme spricht.

Fazit

  • Die US-Politik ist schwer einzuschätzen und der US-Präsident bleibt ein unberechenbarer Faktor in der neuen Administration.

  • Dank starker Institutionen ist die Demokratie in Amerika gefestigt. Doch die USA sind gespalten in Blau (Parteifarbe der Demokraten) und Rot (Parteifarbe der Republikaner), in Stadt und Land. Die Gesellschaft ist polarisiert, die Parteien sind geschwächt, der Kongress ist fragmentiert, die Politik insgesamt ist auf der Suche nach den Prioritäten und die Medien heischen ständig nach Sensationen.

  • Der US-Fokus auf die Innenpolitik eröffnet Handlungsfelder für Europa. Um sie zu nutzen, sollte die EU mit einer Stimme sprechen.

  • Europas muss die Lehren aus den unbefriedigenden Ergebnissen der letzten Jahre ziehen. Mit einfachen und klaren Botschaften muss Europa besser erklärt werden. Europa hat unbestritten Erfolge vorzuweisen, für die man auch in Amerika aufmerksame Zuhörer findet.

  • Ein starkes, freies und geeintes Europa ist im US-Interesse. Doch Europa muss für die eigene Sicherheit mehr tun und darf sich nicht auf die US-Hard Power verlassen.

  • Die strategische Diskussion über gemeinsame Ziele in der transatlantischen Partnerschaft muss intensiv geführt werden. Dabei kann die EU durchaus Ton und Richtung vorgeben.