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Der Hanoi-Gipfel
Außer Spesen nichts gewesen

Autor: Dr. habil Bernhard Seliger

Obwohl das Treffen zwischen Donald Trump und Kim Jong-Un keine Ergebnisse brachte: zumindest will man weiter miteinander sprechen. Allein dass das als Erfolg interpretiert werden kann zeigt, wie gering die Hoffnungen auf schnelle Lösungen in der Nord-Korea-Frage sind.

Das mit Spannung erwartete Gipfeltreffen des amerikanischen Präsidenten Trump mit dem nordkoreanischen Führer Kim Jong-Un in Hanoi ist nach einem Tag ergebnislos abgebrochen worden. Obwohl im Vorfeld noch bis zum Eintreffen beider Staatsführer in Vietnam zwischen dem amerikanischen Sonderbeauftragten für Nordkorea, Stephen Biegun, und dem nordkoreanischen Diplomaten Kim Hyok-Chol intensiv verhandelt wurde, kam es zu keinem gemeinsamen Communiqué beider Seiten und der amerikanische Präsident Trump reiste vorzeitig ab.

An diesem Punkt scheiterten die Verhandlungen: Nordkorea verlangte die Aufhebung der Wirtschaftssanktionen von 2016 und 2017. Für Washington sind sie das Hauptdruckmittel, um Kim Jong-Un zur Denuklearisierung zu bewegen.

An diesem Punkt scheiterten die Verhandlungen: Nordkorea verlangte die Aufhebung der Wirtschaftssanktionen von 2016 und 2017. Für Washington sind sie das Hauptdruckmittel, um Kim Jong-Un zur Denuklearisierung zu bewegen.

HSS

Woran scheiterte der Gipfel?

Hauptstreitpunkt war die Aufhebung der Sanktionen, die der UN-Sicherheitsrat gegen Nordkorea verhängt hat und die Frage, was Nordkorea dafür als Gegenleistung bringen würde. Während der amerikanische Präsident Trump vor seiner Rückkehr die nordkoreanische Forderung nach Aufhebung „aller Sanktionen“ für das Scheitern der Verhandlungen verantwortlich machte, präzisierte der nordkoreanische Außenminister Ri Yong Ho in einer Pressekonferenz, man habe lediglich die Aufhebung der 2016 und 2017 verhängten Sanktionen verlangt. Formal ist das richtig – allerdings handelt es sich dabei um die entscheidenden Wirtschaftssanktionen. Die ersten vier „Sanktionsrunden“ (von 2006, 2009 und zweimal 2013) betrafen nur den militärischen Sektor, damit zusammenhängende Personen und ihr Vermögen und (weitgehend wirkungslose) Sanktionen zur Einfuhr von Luxusgütern (UN-Resolutionen 1695, 1718, 2087 und 2094). Erst die Sanktionen von 2016 (UN-Resolution 2270) und 2017 (Resolution 2321) enthielten Importverbote für die wichtigsten nordkoreanischen Ausfuhrgüter (vor allem Rohstoffe inklusive Kohle), die Nordkoreas Wirtschaft schwer trafen bzw. schwer treffen werden, wenn sie länger aufrechterhalten bleiben. Bisher konnte nämlich Nordkorea zwar den drastischen Rückgang der Exporte nicht verhindern, das hatte aber noch wenig Auswirkungen auf die Importe, die wohl mit Währungsreserven bezahlt wurden. Auf die Dauer ist das nicht möglich. Insofern würde eine komplette Aufhebung dieser Sanktionen bedeuten, dass der wirtschaftliche Druck auf Nordkorea schlagartig aufhören würde.

Als Gegenleistung dafür hat Nordkorea die Zerstörung des Reaktorgeländes in Yongbyon in Aussicht gestellt. Das ist zwar ein wichtiger Schritt, um die weitere Herstellung von Plutonium und Uran (beides wird in Yongbyon hergestellt) zu verhindern, es ist aber keinesfalls ausreichend, um Nordkoreas Denuklearisierung nachhaltig zu gewährleisten. Weitere Schritte, etwa die Vernichtung von Raketen, Raketenbauteilen und -fabriken sowie die vollständige Erklärung allen Nuklearmaterials müssen folgen. Der Druck, solche Schritte zu erreichen, wäre aber nicht mehr gegeben, wenn alle Sanktionen aufgehoben wären. 

Es fehlte an einer Breite und Tiefe der Verhandlungen auf Expertenebene bzw. Ebene der Unterhändler im Vorfeld des Gipfels.

Es fehlte an einer Breite und Tiefe der Verhandlungen auf Expertenebene bzw. Ebene der Unterhändler im Vorfeld des Gipfels.

HSS

Wenigstens bleibt man im Gespräch

Ist das Gipfeltreffen von Hanoi also gescheitert? Die Antwort auf die Frage muss „Ja, aber…“ lauten. Natürlich hatten alle Beobachter mehr vom Gipfel erwartet, und es ist enttäuschend, dass größere Fortschritte auch bei der politischen Entspannung, wie die Einrichtung gegenseitiger ständiger Vertretungen oder gar eine Erklärung zum Kriegsende ausgeblieben sind. Positiv ist aber zu bewerten, dass zumindest zunächst beide Seiten davon sprachen, dass man zwar keine gemeinsame Erklärung erreicht habe, man nun aber weiterverhandeln müsse, um so zu weiteren Fortschritten zu kommen. Und es ist geradezu ermutigend zu nennen, dass man sich nicht auf einen weiteren Formelkompromiss wie beim Gipfel in Singapur geeinigt hat. Damals war – beim allerersten Treffen beider Seiten – eine solche Absichtserklärung für die Denuklearisierung Nordkoreas  (bzw. der koreanischen Halbinsel) wichtig gewesen. In den darauffolgenden Monaten zeigte sich aber, wie wenig beide Seiten sich über die konkreten Schritte zur Denuklearisierung einig waren. Es fehlte an einer Breite und Tiefe der Verhandlungen auf Expertenebene bzw. Ebene der Unterhändler, die einem Gipfeltreffen hätten vorausgehen müssen. Erst in jüngster Zeit akzeptierte Nordkorea die Rolle des amerikanischen Sondergesandte Biegun, was ein wichtiger Fortschritt ist. Nordkorea selber wiederum ist durch die Fixierung auf den Staatsführer kaum in der Lage, einen Unterhändler wie Kim Hyok-Chol echte Fortschritte aushandeln zu lassen. Es kommt nun in den kommenden Monaten darauf an, dass diese Fortschritte trotzdem nach und nach erreicht werden.

Durch den Abbruch der Gespräche hat Trump, der möglicherweise durch die innenpolitischen Turbulenzen ohnehin nur halbherzig beim Gipfeltreffen dabei war, gezeigt, dass er keinesfalls so naiv ist, wie ihn manche Kommentatoren sehen. Ein bisschen erinnert die Lage an das Gipfeltreffen von Ronald Reagan und Michael Gorbatschow 1986 in Rejkjavik, als beide auch (nach einem ersten, guten Treffen 1985 in Genf) ihre Gespräche ergebnislos abbrachen, aber nur kurze Zeit später die Sowjetunion wieder – im Wesentlichen den Vorschlägen der USA folgend – an den Verhandlungstisch zurückkam. In diesem Sinne war das Gipfeltreffen keinesfalls unnötig oder gescheitert, sondern ein wichtiger Zwischenschritt zu weiteren Verhandlungen. 

Vietnam hielt auch nach der witschaftlichen Öffnung weiter an seinem politischen System fest. Das könnte für Nord-Korea interessant sein.

Vietnam hielt auch nach der witschaftlichen Öffnung weiter an seinem politischen System fest. Das könnte für Nord-Korea interessant sein.

HSS

Sanktionen

Kim Jong-Un hat jetzt die nicht leichte Aufgabe, zu Hause die Ergebnisse des Gipfels, nämlich die Fortführung der Wirtschaftssanktionen, zu vertreten. Eine Aufrechterhaltung der Importe gerade solcher Güter, die der ihn stützenden Mittelklasse in Pjöngjang und anderen Großstädten zu Gute kommt, scheint nicht einfach zu sein. Bereits vor dem Gipfeltreffen ließ Nordkorea Meldungen über drastische Reduzierung von Lebensmittelrationen verkünden, und fragte u.a. in Finnland nach neuen humanitären Hilfen an, wohl auch, um Druck für eine Aufhebung der Sanktionen zu erreichen. Und in der Tat mehren sich immer mehr Fälle von offensichtlichen Sanktionsbrüchen, vor allem in China und Russland, und jüngst auch z.B. durch Vietnam. Ob die Sanktionsfront halten kann, ist ungewiss. Kim Jong-Un muss sich aber auch fragen lassen, wie jetzt seine Wirtschaftsstrategie aussehen soll. Im Rahmen seines Staatsbesuchs in Vietnam führte seine Delegation nicht nur politische Gespräche, sondern besuchte auch eine neue Autofabrik des vietnamesischen Vorzeigeunternehmens Vinfast. Kim setzte seinen Staatsbesuch in Vietnam noch bis Samstag fort.

Für Nordkorea dürfte das vietnamesische Modell auch deshalb von Interesse gewesen sein, weil der Gastgeber es verstanden hat, trotz wirtschaftlichen Liberalisierung weiter an seinem politischen System festzuhalten. Viel wurde vor dem Gipfel deshalb auch über die Symbolkraft des Treffpunkts Hanoi spekuliert. In der Tat sind die Parallelen zwischen beiden Ländern auffällig: die gemeinsame kommunistische Vergangenheit, der Krieg und die Teilung. So sprach Trump im Vorfeld des Gipfels davon, dass Vietnams wirtschaftliche Öffnung in den achtziger Jahren ein Vorbild für eine Partnerschaft mit Nordkorea sein könnte. Denn gerade der Gastgeber hat eine Wandlung vom kommunistischen Entwicklungsland zu einem aufstrebenden Schwellenland geschafft, vom einstigen Feind der USA zu einem der wichtigsten regionalen Partner. Trotz aller Gemeinsamkeiten, gibt es aber auch entscheidende Unterschiede. Die Aussöhnung mit den USA war die Voraussetzung für Vietnams Zugang zu internationalen Märkten. Nordkoreas Wirtschaft würde davon jedoch weit weniger profitieren als der Gastgeber in den Neunzigern mit seiner bereits damals aufstrebenden Industrie. Auch besaß Vietnam nie Atomwaffen, Nordkoreas wichtigstes internationalem Druckmittel. 

Südkoreas Präsident Moon Jae-In steht unter Druck, nicht nur wegen schwacher Wirtschaftszahlen: Forderungen Nordkoreas den Wirtschaftsverkehr in ganz Korea wieder aufzunehmen, finden unter seinen Wählern verstärkt Gehör.

Südkoreas Präsident Moon Jae-In steht unter Druck, nicht nur wegen schwacher Wirtschaftszahlen: Forderungen Nordkoreas den Wirtschaftsverkehr in ganz Korea wieder aufzunehmen, finden unter seinen Wählern verstärkt Gehör.

HSS

Südkorea

Für den südkoreanischen Präsidenten Moon Jae-In ist das Gipfelergebnis eine herbe Enttäuschung. Zu Hause hat er mit miserablen Wirtschaftszahlen zu kämpfen und nicht wenigen politischen Skandalen seiner Regierung, die er einst als Gegenentwurf zur korrupten Park Geun-Hye-Regierung aufbauen wollte, aber noch schwimmt er auf einer Welle der Zustimmung zur Entspannungspolitik mit Nordkorea. Diese könnte jetzt aber leiden, wenn er nicht die Allianz mit den USA gefährden will und weiterhin die immer stärkeren nordkoreanischen Forderungen nach Wiederaufnahme des innerkoreanischen Wirtschaftsverkehrs ablehnt. Moons Entspannungspolitik steht vor einem äußerst schwierigen Spagat. Den Nordkoreanern sind die bisherigen Hilfeleistungen aus Südkorea viel zu wenig. Mehr werden sie aber wohl bei Fortbestand der Sanktionen nicht erreichen. Statt, wie erhofft, am hundertsten Jahrestag der friedlichen Proteste gegen die japanische Kolonialisierung am 1.3.1919 neue Entspannungsoffensiven zu starten und vielleicht sogar das formelle Ende des Koreakriegs feiern zu können, muss er nun wieder den Schulterschluss mit den USA und der internationalen Gemeinschaft suchen. Seine Rede zum ersten März, in der er eine neue (Friedens-)Ordnung auf der koreanischen Halbinsel mit einer führenden Rolle Südkoreas verkündete, stand offensichtlich im Widerspruch zu den Ergebnissen des Gipfels von Hanoi.

Die Europäische Union und speziell Deutschland haben, im Einklang mit der internationalen Gemeinschaft bisher alle Sanktionen gegen Nordkorea mitgetragen. Sie haben aber auch ihren politischen Dialog mit Nordkorea fast auf Null reduziert. In der jetzigen Zeit sollten sie stärker ihre diplomatischen Mittel nutzen, um für einen Fortgang der schwierigen Denuklearisierungsgespräche zu werben. Es gibt durchaus noch eine Wertschätzung für die Rolle Europas und speziell Deutschlands in Nordkorea und es gibt durchaus viel Spielraum für diplomatische Initiativen, die nicht etwa die Haltung der internationalen Gemeinschaft gegen die Nuklearisierung Nordkoreas schwächen, sondern im Gegenteil stärken. Man muss aber auch bereit sein, diese Rolle anzunehmen. Dann kann man einen Beitrag dazu leisten, in dieser schwierigen Lage weiterhin beide Seiten an den Verhandlungstisch zu bringen. 

Nordost- und Zentralasien
Veronika Eichinger
Leiterin
Dr. habil Bernhard Seliger
Repräsentant der Hanns-Seidel Stiftung in Korea