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Interview - Theo Waigel
Bayern, Europa und die Zukunft

Autor: Dr. Claudia Schlembach

Im neuen Jahr warten viele neue Herausforderungen: Der Brexit steht bevor, Donald Trump wird sich entscheiden, ob er die deutschen Autoexport mit 25% Zöllen belegt oder nicht, Italien hat weichenstellende Entscheidungen zu treffen. In einer vernetzten Welt bleiben solche gravierenden Entscheidungen nicht ohne Auswirkungen auf Deutschland, auf Bayern. Immer dann, wenn es in Europa knarzt, wenn die Weltwirtschaft schwächelt, zeigt sich, wie gut ein Land tatsächlich aufgestellt ist, wie resilient es ist, sprich: wie es auf Krisen reagiert. Wir wollten von Dr. Theo Waigel wissen, wie gut das Fundament Bayerns als Wirtschaftsstandort ist.

Dr. Theo Waigel ist seit 1960 Mitglied der CSU. Der ehemalige Bundesfinanzminister ist seit 2009 Ehrenvorsitzender der CSU und als Anwalt in der Kanzlei „Waigel Rechtsanwälte“ in beratender Funktion tätig. In einer Rede im Europäischen Rat prägte er 1995 den Begriff „Euro“ und wurde so zum Namensgeber der gemeinsamen europäischen Währung.

Dr. Theo Waigel ist seit 1960 Mitglied der CSU. Der ehemalige Bundesfinanzminister ist seit 2009 Ehrenvorsitzender der CSU und als Anwalt in der Kanzlei „Waigel Rechtsanwälte“ in beratender Funktion tätig. In einer Rede im Europäischen Rat prägte er 1995 den Begriff „Euro“ und wurde so zum Namensgeber der gemeinsamen europäischen Währung.

HSS

HSS: Wo sehen Sie konstante Erfolgsfaktoren, die den wirtschaftlichen Erfolg Bayerns begründen?

Dr. Theo Waigel:  Es sind mehrere Positionen, die als Garant für Stabilität wirken: Die jahrzehntelange, kontinuierliche Investition in den Auf- und Ausbau der Verkehrsinfrastruktur. Der konsequente Ausbau einer flächendeckenden Forschungslandschaft von Passau nach Würzburg über Hof und Ingolstadt. Bayern hat nach dem Krieg immer auf starke Industrie gesetzt und entsprechend auch leistungsstarke Unternehmen angezogen. Mit dem Neuzugang wirecard sitzen neun der 30 Dax Unternehmen in Bayern.


HSS: Das wird aber vermutlich nicht ausreichen, um den neuen Herausforderungen der Digitalisierung, der Künstlichen Intelligenz gerecht zu werden. Wo sind die Investitionen heute hinzulenken?

Nun, auch heute zählt der Ausbau der Infrastruktur zu den wesentlichen Investitionsfeldern. Unterschied ist, dass sie jetzt digital ist. Breitband, Mobilfunkpakt und neuerdings die 5G-Initiative sind da einzuordnen. Um die Schlüsselkompetenzen von Morgen weiter zu entwickeln, gilt es, den Masterplan Bayern Digital II umzusetzen und den Ausbau eines landesweiten KI-Kompetenzverbundes zu festigen. Pilotprojekte wie das fakultätsübergreifende integrative Forschungszentrum Robotik an der Technischen Universität München TUM, treiben die Forschung weiter nach vorne. Ganz wichtig ist dabei die Investition in Gründer, die Saat eines starken Mittelstands auch in Zukunft. Gründerland. Bayern hat dafür im Zeitraum von 2010-2015 ein Volumen von 330 Millionen bereitgestellt, hat 11 digitale Gründerzentren, die wie die Hochschulen auch flächendeckend angesiedelt sind und weiter ausgebaut werden sollen. Unsere aktive Ansiedlungspolitik zeigt ebenfalls große Erfolge. IBM sitzt in München, Concept Laser in Lichtenfeld, wo Sie auch General Electrics finden, die gleichzeitig auch in Garching tätig sind.


HSS: Bayern geht es gut! Bayern ist erfolgreich! Das ist sehr erfreulich, aber Erfolg ist oft ein schlechter Lehrmeister. Sehen Sie Anzeichen, dass die Politik ein wenig in ihren Anstrengungen nachlässt, weil es so gut läuft?

Nein, aber wir dürfen uns keinesfalls auf den Erfolgen der Vergangenheit ausruhen. Der Erfolg von gestern ist kein Garant für den Erfolg von morgen. Der wachsende Protektionismus ist Gift für die exportorientierte bayerische Wirtschaft. Der technologische Wandel fordert traditionelle Geschäftsmodelle heraus. Natürlich ist es in einer solchen Gesamtlage gut zu wissen, dass Bayern die talentierten Köpfe anzieht. Rund ein Drittel aller deutschen Patente kommen aus Bayern, wir haben stabile Finanzen, seit 2006 keine Neuverschuldung mehr. Wenn wir uns das BIP pro Kopf der Flächenländer anschauen ist auch hier Bayern Spitzenreiter.  Das sind stabile Fundamente, um Investitionen in die Zukunft auch finanzieren zu können. Dass das getan wird, erkennen Sie an Leuchtturmprojekten, wie etwa an der TUM, konkret die Gründung eines fakultätsübergreifenden integrativen Forschungszentrum Robotik, Sie sehen es am Aufbau eines landesweiten KI-Kompetenzverbunds, am Pakt für berufliche Bildung und am Programm „Handwerk innovativ“. Stillstand ist hier nicht zu erkennen. Allerdings bedarf das Projekt Zukunft einer engen Zusammenarbeit zwischen Politik, Wirtschaft und Wissenschaft. Das war schon immer ein Erfolgsrezept der bayerischen Wirtschaft. Wir sollten daran festhalten.


HSS: Schauen wir ein wenig zurück in die Geschichte. Was waren die wegweisenden Entscheidungen in Bayerns Wirtschaftspolitik?  

Die Ära Goppel, die von 1962-1978 dauerte, waren Jahre der Modernisierung. Die Gebietsreform, ein Unternehmen von Montgelas`schen Dimensionen, war ein Meilenstein. In diese Zeit fällt die Gründung des ersten Umweltministeriums in Deutschland und ganz Europa. Die Wirtschafts-, Verkehrs- und Energiepolitik wurden zu einem Markenzeichen: Erdgas und Ölpipelines brachten bezahlbare Energie ins Land und die Wirtschaft suchte und fand den Anschluss an das neue Zeitalter der Kunststoffe, des Leichtmetalls, der Elektronik, der Luft- und Raumfahrt. Mit dem weiteren Ausbau der Infrastruktur - denken Sie an den Rhein-Main-Donau-Kanal und den Münchner Flughafen - wurde Bayern zu einem attraktiven Industriestandort und auf Jahrzehnte hin zum Wachstumsland Nummer 1 in Deutschland. Dabei möchte ich unseren innovativen, bärenstarken Mittelstand und unser starkes Handwerk als besonderen Anker erwähnen.


HSS: Im Handwerk ist die Stimmung aber eher so, dass sich viele in dieser Gruppe als Verlierer sehen. Handwerksbetriebe leiden in besonderem Maße unter dem Fachkräftemangel, sie tun sich schwer, regionale Grenzen zu überwinden. Was kann hier getan werden?

Unser Handwerk schafft flächendeckend Lebensqualität, es verbindet „Wissen“ mit dem nötigen „Können“. Der technische Fortschritt wird dieses „Können“ nicht ersetzen, aber das Handwerk muss sich der technologischen Entwicklung öffnen. Der technische Fortschritt muss in die Betriebe integriert werden. Konsequenz ist, den Handwerksorganisationen den Zugang zu Forschung und Entwicklung zu erleichtern. Bayern hat dafür den Fünf-Punkte-Plan: „Handwerk Innovativ“ vorgelegt. Unter anderem werden dabei die 85 Bildungsstätten des Handwerks flächendeckend technologisch auf den neusten Stand gebracht. Wir legen Schnittstellen zu Industrie und anwendungsnaher Forschung und versetzen das Handwerk in die Lage, den technischen Fortschritt zu adaptieren und nutzbar zu machen. Das ist deutschlandweit einmalig und stützt unser Handwerk massiv.


HSS: Was ist, in Stichworten, für eine Wirtschaftspolitik der Zukunft notwendig?

Es braucht pragmatische und verantwortungsbewusste Führungspersönlichkeiten. Eine funktionierende Kooperation von Wirtschaft, Politik und Gesellschaft, eine konsequente Ausrichtung nach Europa und eine mutige Beteiligung der Bürger am politischen Prozess. Das sind die wesentlichen Eckpfeiler, die sich nicht einfach zur Verfügung stellen lassen, sondern auch in der politischen Kultur verankert werden müssen, damit sie in alle Bereiche hineinreichen.  


HSS: Herr Dr. Waigel, wir danke Ihnen für das Gespräch.

Wirtschaft und Finanzen
Dr. Claudia Schlembach
Leiterin