Bildung: der Schlüssel der EU-Integration von Bosnien und Herzegowina
Bereit für die Zukunft
Der Vorsitzende der Hanns-Seidel-Stiftung, Markus Ferber, MdEP, bei der Eröffnung der Podiumsdiskussion zum Thema: "Bereit für die Zukunft: Bildung als Schlüssel zur EU-Integration von Bosnien und Herzegowina"
HSS
Die Veranstaltung im "Europa House", das symbolisch als Ort der Veranstaltung gewählt wurde und für die Vision von Bosnien und Herzegowina als Mitglied der Europäischen Union steht, begann mit einer Versammlung der Gäste. Markus Ferber betonte bei seiner Eröffnungsrede die Bedeutung eines zukunftsfähigen Bildungssystems in Bosnien und Herzegowina. Er unterstrich, dass dieses System eine grundlegende Rolle für die Zukunft des Landes und dessen europäische Integration spiele. Ein Bildungssystem, das Vielfalt und gegenseitigen Respekt fördere, sei die Basis für eine starke, vereinte Gesellschaft, die den Werten der EU entspreche.
Neue Perspektiven schaffen
Er erklärte, dass die Bemühungen der HSS sich in Bosnien und Herzegowina auf die Förderung von Medienkompetenz, den Kampf gegen Hassrede und die Förderung eines Dialogs über Perspektiven und notwendige Veränderungen konzentrieren, insbesondere im Zusammenhang mit umfassenden Bildungsreformen. Eine solche Reform könne dazu beitragen, gesellschaftliche Barrieren abzubauen und eine Grundlage für eine blühende und inklusive Zukunft zu schaffen. Solche Bildungsreformen seien entscheidend, um der massiven Abwanderung junger Menschen entgegenzuwirken und das Land wieder attraktiv zu gestalten, auch für diejenigen, die bereits gegangen seien und eine potenzielle Rückkehr erwägen würden.
Der deutsche Botschafter in Sarajevo, Dr. Thomas Fitschen, betonte die große Bedeutung der Arbeit der politischen Stiftungen im Ausland.
HSS
Jetzt hielt Dr. Thomas Fitschen, der Deutsche Botschafter in Bosnien und Herzegowina, eine Begrüßungsrede, in der er die bedeutende Rolle politischer Stiftungen in Bosnien und Herzegowina hervorhob. Er betonte die große Bedeutung ihrer Arbeit und insbesondere ihre Rolle in der Gesellschaft.
Botschafter Dr. Fitschen betont großen Wert politischer Bildung
Er wies darauf hin, dass bereits seit geraumer Zeit verschiedene Stiftungen, wie die Konrad-Adenauer-Stiftung, die Heinrich-Böll-Stiftung, die Friedrich-Ebert-Stiftung, die Friedrich-Naumann-Stiftung und die Rosa-Luxemburg-Stiftung in Bosnien-Herzegowina tätig seien.
Er hob hervor, dass das neue Büro der Hanns-Seidel-Stiftung eine wertvolle Ergänzung zu diesem Netzwerk darstelle. Insbesondere betonte er die Bedeutung der Bildung junger Menschen und volksgruppenübergreifenden Dialog als zentrale Themen im Land.
Es müssen vor Ort mehr Chancen für junge Menschen geschaffen werden, um zu verhindern, dass sie in andere Länder auswandern.
©HSS
Anschließend sorgte ein Flashmob für Aufsehen: eine Performance der Schülerinnen und Schüler der 3. Klasse Oberstufe des Zweiten Gymnasiums Sarajevo erzeugte Gänsehaut bei allen Anwesenden. Die Jugendlichen brachten mit Musik, Bewegung und selbst formulierten Botschaften ihre Anliegen an die Politiker sowie die Probleme im Bildungssystem Bosniens zum Ausdruck und erklärten, warum sie erwägen, das Land zu verlassen.
Christian Schmidt, Hoher Repräsentant für Bosnien-Herzegowina betonte, dass jeder Einzelne einen Beitrag leisten müsse, um das Land auf den Weg nach Europa zu unterstützen. Dabei betonte er, dass die Zukunft der jungen Generation gehöre und es daher wichtig sei, dass Jugendliche kritische Meinungen bilden und aktiv zum Fortschritt beitragen.
Der Leiter der Delegation der Europäischen Union in Bosnien und Herzegowina, Botschafter Johann Sattler, drückte seine große Dankbarkeit für die Performance der Jugendlichen aus. Diese zeige genau die Probleme auf, an denen die Politiker arbeiten sollten, um den Jugendlichen eine bessere Zukunft in Bosnien zu ermöglichen.
Ministerin Naida Hota-Mumin erklärte die komplizierte Situation. In Bosnien und Herzegowina gibt es elf verschiedene Bildungssysteme und 17 verschiedene Bildungsministerien.
©HSS
Bessere Bildung für die junge Generation
Die Ministerinnen diskutierten über das Bildungssystem in Bosnien und Herzegowina sowie die bestehenden Probleme. Ministerin Durakovic wies darauf hin, dass es elf verschiedene Bildungssysteme und 17 Bildungsministerien in Bosnien gebe, was äußerst kompliziert sei. Eine Schlüsselfrage wurde aufgeworfen: Wie gut sind Bildungsprogramme auf die aktuellen und zukünftigen Anforderungen des Arbeitsmarktes abgestimmt?
Es besteht die Sorge, dass Kinder für Berufe ausgebildet werden, die möglicherweise nicht mehr existieren, wenn sie die Schule abschließen. Die Idee, das duale Bildungssystem aus Deutschland zu übernehmen, wurde diskutiert, aber festgestellt, dass dies nicht einfach kopiert werden könne. Es bedürfe einer Anpassung an die spezifischen Gegebenheiten und rechtlichen Rahmenbedingungen in Bosnien und Herzegowina sowie einer umfassenden Beteiligung des privaten Sektors, der Schulen und der Schüler. Ministerin Duraković betonte die Bedeutung von Innovation und Anpassungsfähigkeit durch verschiedene Bildungssysteme in Bosnien und Herzegowina.
Sie hob hervor, dass Reformen notwendig seien und dafür eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen Regierungsebenen und Bildungseinrichtungen sowie ein Fokus auf die Entwicklung praktischer Fähigkeiten und relevanter Kompetenzen erforderlich sei. Darüber hinaus betonte sie die Bedeutung der Ausstattung junger Menschen mit Lebenskompetenzen, Toleranz und interkulturellem Verständnis durch projektorientiertes Lernen und STEM-Bildung in Zusammenarbeit mit lokalen Gemeinschaften und zivilgesellschaftlichen Organisationen, um das Bewusstsein für gesellschaftliche Fragen zu schärfen und ein Gefühl der Verantwortung gegenüber dem Gemeinwesen zu entwickeln.
Es besteht die Sorge, dass Schülerinnen und Schülern heute Bildungsinhalte vermittelt werden, die wegen des technischen und gesellschaftlichen Wandels in Zukunft irrelevant sein könnten.
©HSS
Ministerin Hota erläuterte die aktuelle Situation in den Bildungseinrichtungen, wobei sie feststellte, dass viele Gebäude in einem schlechten Zustand und nicht angemessen ausgestattet seien. Des Weiteren betonte sie, dass das Budget für Bildung nicht ausreiche. Ministerin Perić erklärte, dass in der Herzegowina der Fokus nun auf dem dualen Schulsystem und der Zusammenarbeit mit dem gut entwickelten Wirtschaftssektor in dieser Region liege. Dass das duale Schulsystem in Deutschland sei ein gutes Beispiel für Bosnien und Herzegowina, könne aber nicht einfach übernommen, sondern müsse angepasst werden. Um das System an die Besonderheiten Bosnien-Herzegowinas anzupassen, arbeiten die Schulen mit internationalen Organisationen zusammen.
Das Publikum beteiligte sich aktiv an der Diskussion und stellte Fragen. Angesichts der Anwesenheit der beiden wichtigsten Vertreter der Europäischen Union in Bosnien-Herzegowina, EU-Botschafter Johann Sattler und Hoher Beauftragter Christian Schmidt, richteten sich viele Fragen an sie. Die Zuhörer interessierten sich dafür, ob die EU intervenieren und die Politiker dazu bringen werde, die notwendigen Bedingungen für einen EU Beitritt zu erfüllen.
Jeder Einzelne müsse seinen Beitrag leisten, um Bosnien und Herzegwina auf seinem Weg in die EU zu unterstützen, sagte Christian Schmidt, Hoher Repräsentant für Bosnien-Herzegowina.
©HSS
Schulen nach Religion getrennt?
Ein bedeutendes Thema der Podiumsdiskussion war das Phänomen der zwei oder sogar drei „Schulen unter einem Dach.“ In Bosnien gibt es einige ethnisch und religiös getrennte Schulen für Bosniaken, Serben und Kroaten, was zu einer tiefen Spaltung in der Gesellschaft führt. Das Konzept von "zwei Schulen unter einem Dach" bezieht sich auf Schulen, die physisch getrennt sind, aber sich ein Gebäude teilen, was Spannungen und Konflikte zwischen den Schülern sowie administrativen Herausforderungen für die Bildungsbehörden schafft. Diese Situation verstärkt die ethnische Segregation und erschwert die Förderung von Integration und Verständigung zwischen den verschiedenen Gruppen in Bosnien. Die Diskussion drehte sich um dieses problematische Modell, das ursprünglich als temporäre Lösung gedacht war, sich jedoch zu einer langfristigen Segregation entwickelt habe.
Die Teilnehmer waren sich einig, dass dieses Phänomen eine Hürde auf dem Weg in die EU darstelle und dass daran gearbeitet werden müsse, es zu beseitigen. Es herrschte Einigkeit darüber, dass eine europäische Zukunft für ein Land, in dem die Wahrheit eine geografische Kategorie ist, in Frage gestellt werde es wurde betont, dass Lösungen gefunden werden müssen, um dieses Problem anzugehen und aufzulösen.
(v.l.n.r.) Leiterin des neuen HSS-Büros in Bosnien und Herzegowina, Frau Elma Sijercic; HSS-Vorsitzender Markus Ferber, MdEP; Vertreter der jüdischen Religionsgemeinschaft Igor Kozemjakin; Dr. Wolf Krug, Leiter des Instituts für Europäischen und Transatlantischen Dialog; Vertreter der katholischen Religionsgemeinschaft Fra Miro Jelecevic sowie: der Vertreter der islamischen Religionsgemeinschaft, Muhamed Jugo.
©HSS
Nach der Podiumsdiskussion bedankte sich Stiftungsvorsitzender Markus Ferber bei allen Anwesenden, insbesondere bei Büroleiterin Elma Sijercic und ihrer Kollegin Nermina Sulic für die Organisation. Abschließend lud er alle zu einem festlichen Empfang ein.
Am Abend trafen sich der Vorsitzende der Stiftung Markus Ferber, Abteilungsleiter Dr. Wolf Krug, Büroleiterin Elma Sijercic mit dem Vertreter der jüdischen Religionsgemeinschaft Igor Kozemjakin, dem Vertreter der katholischen Religionsgemeinschaft Fra Miro Jelecevic sowie dem Vertreter der islamischen Religionsgemeinschaft Muhamed Jugo. Ziel dieses Treffens war es, die Situation im Bereich der Zusammenarbeit zwischen den Religionsgemeinschaften in Bosnien-Herzegwoina zu erfahren und über Herausforderungen und Chancen zu diskutieren.
Dabei sprachen die Religionsvertreter über die Situation der jeweiligen Religionsgemeinschaft und die Zusammenarbeit untereinander, sowohl historisch als auch in der Gegenwart. Igor Kozemjakin erklärte, dass die jüdische Gemeinschaft in Bosnien-Herzegowina nach ihrer Vertreibung aus Spanien Ende des 15. Jahrhunderts in das Osmanische Reich (heute Staatsgebiet Bosnien-Herzegowinas) gekommen sei.
Vertreter der islamischen Religionsgemeinschaft, Muhamed Jugo, mit Markus Ferber, MdEP (rechts).
Igor Kozemjakin; ©HSS
Jüdisches Leben in Bosnien-Herzegowina
Die jüdische Gemeinschaft ist bis heute in Bosnien-Herzegowina präsent, wobei viele Mitglieder durch Islamisierung in städtischen Gebieten wie Sarajevo, Tuzla und Banja Luka assimiliert wurden und eine große Zahl jüdischer Bosnierinnen und Bosnier während des Zweiten Weltkriegs ermordet wurden. Die langjährige Präsenz einer jüdischen Bevölkerung belegen historische Monumente wie Synagogen und jüdische Friedhöfe in Städten wie Sarajevo und Mostar. Viele der Synagogen sind aufgrund der stark geschrumpften Zahl der jüdischen Bevölkerung heute eher historische Denkmäler als funktionale Einheiten.
Fra Miro erklärte, dass die katholische Gemeinschaft in Bosnien-Herzegowina aus der Erzdiözese Vrhbosna besteht, die in drei Bistümer unterteilt ist: Banja Luka, Mostar-Duvno und Trebinje-Mrkan. Die Skopje Diözese gehört ebenfalls zur Erzdiözese Vrhbosna. Es gibt auch zwei Franziskanerprovinzen in Bosnien-Herzegowina: Bosna Srebrena mit Sitz in Sarajevo und Uznesenja Marijina na nebo mit Sitz in Mostar. Vor dem Krieg gab es 528.000 Gläubige, während es heute noch etwa 200.000 sind. Fra Miro gehört zur Provinz Bosna Srebrna. Er unterrichtet systematische Theologie an der Theologischen Fakultät in Sarajevo und ist Zweiter Meister.
Muhamed Jugo erklärte, dass der Islam in Bosnien und Herzegowina eine reiche und jahrhundertealte Tradition hat, deren Wurzeln weit in die Geschichte des Landes zurückreichen. Die Mehrheit der muslimischen Bevölkerung in Bosnien und Herzegowina sind Bosniaken, die hauptsächlich hanafitische Sunniten sind, obwohl die Sufis einen großen historischen Einfluss in dieser Region hatten. (Anhänger dieser Schule betonen die Anpassungsfähigkeit des islamischen Rechts und die Berücksichtigung von lokalen Gegebenheiten und Umständen bei der Auslegung der religiösen Gesetze.) Neben den Bosniaken gehören auch Türken, Albaner und ein Teil der Roma zur muslimischen Bevölkerung in Bosnien und Herzegowina. Von insgesamt 3.531.159 Einwohnern, die laut der Volkszählung von 2013 in Bosnien und Herzegowina lebten, bekannten sich 1.790.454 Einwohner zum Islam, was etwas mehr als die Hälfte der Gesamtbevölkerung des Landes ausmacht, nämlich 50,7 Pozent.
Jugo sagte, dass die Muslime in Bosnien-Herzegowina eine starke Orientierung Richtung Europa zeigten. Trotz Versuchen, die Muslime in der Region zu radikalisieren, haben sie sich erfolgreich dagegen gewehrt. Diese Bestrebungen haben dazu geführt, dass extremistische Vorfälle in der Region mittlerweile äußerst selten geworden sind. Bosnien und Herzegowina ist bekannt für seine kulturelle Vielfalt und religiöse Toleranz, wobei der Islam eine bedeutende Rolle in der Gesellschaft spielt. Die Mehrheit der Muslime in Bosnien-Herzegowina sind gemäßigt und setzen sich für eine moderne, europäisch orientierte Gesellschaft ein.
Die Zusammenarbeit zwischen den Religionsgemeinschaften funktioniere gut. Fra Miro erwähnte, dass er ursprünglich aus der Republika Srpska stammt, wo seit dem Krieg kaum noch Katholiken leben. Trotz der Herausforderungen hat Bosnien und Herzegowina eine lange Tradition der religiösen Toleranz und des interreligiösen Dialogs. Fra Miro betonte die Bedeutung dieser Zusammenarbeit für den sozialen Zusammenhalt und die Stabilität des Landes.
Kontakt
Büroleitung