Print logo

Deutsch-Türken und ihre Einstellungen zur Politik

Mit der Zahl der Bürger mit Migrationshintergrund in Deutschland steigt auch die Zahl der Wahlberechtigten, die selbst oder deren Eltern nicht in Deutschland geboren wurden. Über die politischen Einstellungen oder gar das Wahlverhalten dieser Bevölkerungsgruppe war bislang nur wenig bekannt. Im Rahmen eines Expertengesprächs referierte Umut Karakas vom Markt- und Medienforschungsinstitut Data 4U über die politischen Einstellungen von Bürgern mit türkischen Wurzeln.

Gerhard Hirscher, Umut Karakas und Ursula Männle

Gerhard Hirscher, Umut Karakas und Ursula Männle

Die Vorsitzende der Hanns-Seidel-Stiftung, Frau Prof. Ursula Männle, betonte in Ihrer Einführung, dass Fragen wie die Entwicklung des Wahlverhaltens und der politischen Einstellungen einen wichtigen Aspekt der Stiftungsarbeit darstellen. Dabei hob sie vor allem das Projekt „Demokratie braucht Wählerinnen und Wähler“ zur Steigerung von Wahlbeteiligung hervor, an dem sich alle politischen Stiftungen in Deutschland beteiligen. Außerdem, so Männle, hat sich der Themenbereich Migration und Integration zu einem zentralen Schwerpunkt der Hanns-Seidel-Stiftung entwickelt und wird dies auch in den nächsten Jahren bleiben. Eine Auseinandersetzung mit der Entwicklung der politischen Einstellungen von Migranten sei dementsprechend von höchstem Interesse.

Umut Karakas, Geschäftsführerin des Instituts Data4U, präsentierte eine Fülle aufschlussreicher Ergebnisse über Bürger mit türkischem Migrationshintergrund, einem Schwerpunkt der Arbeit ihres Instituts. Bundesweit sind etwa 20% aller Migranten türkischstämmig und ihre Zahl wächst kontinuierlich an. Über eine Million genießen bereits Wahlrecht; bei einem Zuwachs von etwa 80.000 pro Jahr (Erstwähler und Eingebürgerte) wird mit einem Anstieg auf zwei Millionen bis 2030 gerechnet.

Umut Karakas, Geschäftsführerin des Instituts Data4U

Umut Karakas, Geschäftsführerin des Instituts Data4U

Das Wahlverhalten der Befragten ist dabei in Deutschland im Gegensatz zur Türkei von großer Diskrepanz geprägt: So haben bisher weit über 50 % der Befragten die SPD und über 20 % die Grünen gewählt. CDU und CSU kamen dabei bisher nur auf Werte von um oder unter 10 %. Gleichzeitig aber hätten die selben Befragten in der Türkei die konservativ-religiöse AKP gewählt. Insgesamt bedeutet dies, dass etwa zwei Drittel potentiell konservativ-religiöser türkischstämmiger Wähler in Deutschland zu etwa 88% linksorientierte Parteien wählen. Die Gründe hierfür sind vielschichtig, aber offensichtlich zählen für die Beurteilung der Situation in der Türkei eher die wirtschaftliche Entwicklung und das gestiegene Selbstbewusstsein. Die Präferenz für linke Parteien in Deutschland hat eher etwas mit der wahrgenommenen Integrationspolitik und dem Image der jeweiligen Partei bei den Immigranten zu tun. Da viele türkischstämmige Immigranten in der ersten Generation Arbeiter waren, erklärt dies ihre Nähe zu den Gewerkschaften und der SPD, zumal die Elterngeneration prägend für die Einstellungen der Kinder wirkte. Die jüngsten Entwicklungen im Zuge der Armenien-Resolution des Bundestages könnten diese Bindungen allerdings nachhaltig verändern.

Ursula Männle, Umut Karakas und Gerhard Hirscher

Ursula Männle, Umut Karakas und Gerhard Hirscher

Was sollte die Politik, was sollten die Parteien tun, um diese Wählergruppe besser ansprechen zu können? In der Diskussion blieb offen, auf welcher Sprache die Gruppe am besten angesprochen werden solle. Frau Karakas betonte, am wichtigsten sei es, auf die türkischstämmigen Bürger überhaupt glaubwürdig und kontinuierlich zuzugehen. Dabei sei das christliche Weltbild der Unionsparteien, also das "C" im Parteikürzel, wohl der geringste Hinderungsgrund. Denn gerade bei den türkischstämmigen Wählerinnen und Wählern sei der Faktor der Persönlichkeit eines Kandidaten noch weit höher anzusetzen als bei den anderen Wahlberechtigten. In jedem Fall sei es unumgänglich, dass vor allem die Union Politiker mit einem solchen Migrationshintergrund anbieten könne. Angesichts des Zuwachses dieser Bevölkerungsgruppe bestehe die Möglichkeit, dort „neue traditionelle Wähler“ zu gewinnen.