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Wahlkampf und America First
Donald Trump dreht am Personalkarussell

Die Spannungen in der Außenpolitik waren vom ersten Tag der Trump-Präsidentschaft spürbar. Das Team hatte kein Interesse an konstruktiver Zusammenarbeit mit Amerikas Spitzendiplomaten.

Wichtig war, dass die Schreibtische rechtzeitig freigeräumt wurden, nicht der Wissenstransfer im ehrwürdigen US-Außenministerium. Und Außenminister wurde dann jemand, den niemand auf der Rechnung hatte und der sich nicht darum beworben hatte. Rex Tillerson traf den designierten US-Präsidenten erstmalig im Dezember 2016 zu einem einstündigen Hintergrundgespräch über die Weltlage, an dessen Ende ihm Trump den Außenminister-Job antrug. 

Ergrauter Mann in Anzug und Kravatte lächelt vornehm vor einer US-Flagge.

Tillerson und Trump waren von Anfang bei vielen Themen unterschiedlicher Meinung.

By United States Department of State (Secretary Rex Tillerson) [Public domain], via Wikimedia Commons

Tillersons Position im Senat und US-Außenministerium

Tillerson nahm an und vollzog schnell den Wechsel vom Energiemanager zur vermeintlich wichtigsten Stimme Amerikas in der Welt. Er überzeugte die Senatoren von seiner Kompetenz, so dass der für seine trockenen Kommentare bekannte Ausschussvorsitzende Bob Corker festhielt, dass Rex Tillerson zu Beginn seiner Amtszeit schon besser auftrete als die meisten Außenminister an ihrem Ende. In den einflussreichen Außenpolitikern im Senat wie John McCain und Bob Corker hatte Rex Tillerson auch seine größten Fürsprecher. Er meisterte den Spagat zwischen der wertebasierten Außenpolitik-Linie, wie sie im Senat dominiert, und dem ausschließlich interessenorientierten Ansatz der Trump-Administration.

Im eigenen Haus hatte der US-Außenminister wesentlich weniger Rückhalt:   

  • er wirkte kaum nach innen,
  • er setzte sich bei Personalentscheidungen nicht gegen das Weiße Haus durch,
  • er kämpfte nicht gegen die Budgetkürzungen,
  • er brachte sich nicht sonderlich aktiv in die Re-Organisation des State Departement ein,
  • er trat kaum öffentlich in Erscheinung.

Beobachter aus der Thinktank-Welt ziehen daher ein wenig schmeichelhaftes Resümee: Die Amtszeit von Rex Tillerson gleiche einem Fiasko und grenze an Jobverweigerung. Tillerson fremdelte im Amt und beklagte sich über die ungewohnten Umstände, die er als Vorstandschef des Energieriesen Exxon Mobil nicht gekannt hatte. Dort hätten klare Hierarchien mit eindeutigen Verantwortungsbereichen und strikter Subordination geherrscht. In der amerikanischen Außenpolitik hingegen gebe es so viele Akteure mit unterschiedlichen Positionen und Interessen, der eigene Apparat sei nicht auf Linie und „leake“ permanent Informationen zum Schaden des Hauses. Zudem klagte er gegenüber Vertrauten, der Präsident setze sich wiederholt und bewusst über seinen Außenminister hinweg.

Bruchstellen zwischen Tillerson und Trump

Die inhaltlichen Differenzen zwischen Tillerson und Trump ließen sich nicht länger hinter der proklamierten außenpolitischen Linie eines Realismus mit Prinzipien / Principled Realism kaschieren.  

  • Tillerson ging nicht auf Konfrontation zu den westlichen Verbündeten in der Handels- und Wirtschaftspolitik,
  • er hielt an Europa als außenpolitischem Partner fest,
  • er wollte mangels Alternativen am Iran-Abkommen festhalten,
  • er stand nicht an der Spitze der Bewegung zum Umzug der US-Botschaft nach Jerusalem,
  • er schlug sich weniger eindeutig auf die Seite Saudi-Arabiens im sunnitisch-schiitischen arabischen Machtkampf,
  • er stellte Katar weniger kompromisslos an den Pranger,
  • er warnte vor einer militärischen Eskalation mit Nordkorea,
  • er stufte Russland als geopolitischen Rivalen und als aggressive revisionistische Macht in Europa ein,
  • er unterstützte die Russland-Sanktionen und er sah die USA in einer globalen   Führungsverantwortung
Mann im mittleren Alters lächelt verhalten. Im Hintergrund ist die amerikanische Flagge zu sehen.

Pompeo ist politisch mit Trump auf einer Linie, im US-Außenministerium wird er vor allem klare Strukturen schaffen.

By Central Intelligence Agency [Public domain], via Wikimedia Commons

Ungebremste America-First-Politik unter Pompeo

Mit der Berufung des CIA-Direktors Mike Pompeo bringt Donald Trump seine Administration auf außenpolitische Linie. Pompeo gehört zum innersten Machtzirkel des Präsidenten, es gibt keine Anzeichen, dass zwischen beide außenpolitisch ein Blatt Papier passt. Die persönliche Chemie stimmt. Pompeo gilt als Hardliner, der sich als Kongressabgeordneter dem Freedom Caucus angeschlossen hatte. Diese Vereinigung rechtskonservativer Republikaner steht für starkes Militär, einen reduzierten Staat (small government) und eine konservative Haushaltspolitik. Unter Pompeo dürfte die America-First-Politik des Präsidenten ungebremst Fahrt aufnehmen. Inhaltlich wird die US-Außenpolitik mit dem neuen Minister näher an den Präsidenten rücken. Amerikas Außenpolitik wird homogener. Das wird es für die Welt nicht einfacher machen.
Die Hoffnung, dass mit Pompeo ein neuer Politikstil Einzug halten wird, der konzilianter ist und weniger brutal auf US-Interessenpolitik hinausläuft, scheint fehl am Platz.

Die interne Erwartungshaltung des State Department geht nicht in eine bestimmte inhaltliche Richtung. Vielmehr erhofft man sich von Pompeo, dass er seine militärischen Führungsqualitäten einbringt und damit neue Organisationsstrukturen im amerikanischen Außenministerium durchsetzt. Er soll den Spitzenkräften im Ministerium wieder Gehör schenken.

Er muss nicht ihre Meinung übernehmen, aber einen Prozess managen, der Amerikas Diplomaten wieder zu einem Teil der außenpolitischen Meinungsfindung macht. Unter Tillerson fühlten sich die Top-Diplomaten marginalisiert. Moral und Teamspirit sanken. Unter Pompeo wird der Prozess der Entscheidungsfindung wichtiger sein als das inhaltliche Ergebnis. Denn im Hinblick auf seine politische Überzeugung macht man sich keine Illusionen, auch wenn immer wieder beteuert wird, dass America First nicht America alone hieße. Die Chancen, dass Pompeo vom Senat bestätigt wird, stehen gut. Schließlich hat er aus seiner Kongresszeit von 2011 bis 2017 noch hervorragende Netzwerke am „Hill“ und wurde ja auch erst Anfang 2017 als CIA-Direktor bestätigt. Doch ein Spaziergang wird die Nominierung nicht, wie etliche vom Senat blockierte Botschafterernennungen, wie die von Rick Grenell zum designierten Botschafter in Deutschland, zeigen. 

Trump schaltet auf Wahlkampf

Es sind politisch atemraubende Zeiten in Washington. Gerade erst gab Handelsberater Gary Cohn seinen Rücktritt bekannt. Er zog damit die Konsequenzen aus der Entscheidung des Präsidenten, hohe Importzölle auf Stahl und Aluminium zu verhängen, obwohl Cohn ein moderates Vorgehen angemahnt hatte. Doch Trump setzte sich darüber hinweg, er verkündete Maßnahmen, ohne die Expertise wichtiger Entscheidungsträger und hochrangiger Beamter zu berücksichtigen. Für Cohn, ähnlich wie Tillerson ein millionenschwerer Topmanager aus der Wirtschaft, war dies ein demütigender Entscheidungsprozess zu viel.

Trump schaltet mit seinen Personalentscheidungen auf Wahlkampfmodus. Er setzt kompromisslos Wahlversprechen um und richtet den Blick auf die Präsidentschaftswahl 2020. Die Zeichen in Amerika stehen auf Sturm. Die Polarisierung in Gesellschaft und Politik ist offensichtlich, den Republikanern bläst der Gegenwind ins Gesicht, trotz bahnbrechender Steuerreform, boomender Wirtschaft und geringer Arbeitslosigkeit. Trump zieht seine populistische und konservative Agenda durch. Moderate Kräfte der Mitte verlieren an Einfluss.

Die politische Message im Jahr der wichtigen Midterm-Elections am 6. November ist klar: Selbst im Trump-Land des Mittleren Westens und im konservativen Süden schaffen es die Republikaner nicht mehr, Wahlen zu gewinnen. Die Senatswahl in Alabama im Dezember 2017 ging verloren. Bei der Nachwahl kürzlich in Pennsylvania, wo Trump 2016 noch mit 20% Vorsprung gewonnen hatte, lieferten sich Demokraten und Republikaner ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit besserem Ende für den Demokraten. Zwar kommt Trump bei seinen Kernwählern weiterhin gut an und seine Popularitätskurve steigt hier sogar. Aber zwei Trends sind bemerkenswert:

 

  • Die Demokraten bringen ihre Wähler wieder zur Urne. Wenn überzeugende demokratische Kandidaten und Kandidatinnen antreten, steigt die Mobilisierung im demokratischen Lager. Genau daran war Hillary Clinton gescheitert. Sie konnte die Obama-Koalition nicht hinter sich bringen.
  • Die Mittelklasse in den Vorstädten wendet sich von Trump ab. Hinter Trump stehen somit nur noch die ländlichen Gegenden, während sich die liberalen urbanen Milieus und die diversen ethnischen Gruppen in den Städten ohnehin nie mit Trumps aggressiver Rhetorik anfreunden konnten. 

Bei den Republikanern schrillen die Alarmglocken. Ihre Kongress-Mehrheit ist in konkreter Gefahr. Sollten die Demokraten das „House“ zurückerobern, wird die politische Konfrontation in Washington weiter zunehmen. Große Gesetzesprojekte, wie zuletzt die Steuerreform, sind dann zum Scheitern verurteilt. Und die Demokraten werden ein Thema auf die Agenda setzen, das dem Präsidenten schlaflose Nächte bereiten wird: Impeachment. Dabei wird es nicht um Email-Hacking und das Zusammenspiel mit Russland zur Beeinflussung der Präsidentschaftswahl gehen. In dieser Hinsicht hält Trump kompromisslos an seiner Sichtweise fest - wie er seinem Sicherheitsberater H. R. McMaster auf die Sicherheitskonferenz nach München hinterher twitterte die aus Russland gesteuerten Eingriffe in den US Wahlkampf hätten keine Auswirkung auf das Ergebnis gehabt.

Ein von den Demokraten forciertes Impeachment-Verfahren würde sich vielmehr auf Geldwäsche konzentrieren. Welche zweifelhaften Oligarchen aus Russland, der Ukraine und Aserbaidschan haben in die Geschäfte des Trump-Familienclans investiert? Macht sich der US-Präsident deswegen angreifbar? Ist Donald Trump erpressbar? Wird die Verfassungsinstitution den US-Präsidenten diskreditiert?

Aus der Opposition heraus werden die Republikaner im Kongress nach einer verlorenen House-Mehrheit bei den Midterms dem Impeachment-Drängen der Demokraten nur noch wenig entgegenstellen können und teilweise auch nicht wollen. Abhängig von der Dynamik dieser politischen Entwicklung werden dann auch republikanische Stimmen laut werden, die sich deutlich gegen ihren eigenen, amtierenden republikanischen Präsidenten positionieren. Dies wird die Stunde von John Kasich sein, des angesehenen Gouverneurs von Ohio. John Kasich kokettiert mit seiner Präsidentschaftsbewerbung 2020, offen bekennt er sich zu seinen Ambitionen nicht. Appellen aus dem republikanischen Establishment, die Chancen der Partei zu wahren und das Ideal der US-Präsidentschaft zu retten, das nach nochmal vier Jahren Trump vollends zerrüttet sein dürfte, würde John Kasich sofort erliegen.

Donald Trump kennt die Lage. Seine Reaktion ist eindeutig: Er schafft bereits jetzt die Fakten für seine erneute Kandidatur. Er stellt frühzeitig ein Wahlkampfteam zusammen, lässt sich seinen Wahlkampfslogan Keep America Great! patentieren, bringt die Administration auf Linie und schließt die Reihen im nationalistischen und populistischen America-First-Lager. Der emotionale Instinkt- und Machtpolitiker Donald Trump wird noch mehr Innenpolitik machen, auch in der Außen- und Handelspolitik. Daraus folgt: Für den Rest der Welt bleibt es ungemütlich, in Amerika höchst spannend.

 

Autor: Christian Forstner, HSS