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Feindbilder

Feindbilder als Wahrnehmungs- und Deutungsmuster begegnen uns überall – sei es im politischen Diskurs, sei es in unserem privaten Alltag. Das diesjährige Fachforum Geisteswissenschaften verfolgte vom 20. bis 22. Juni 2014 in Wildbad Kreuth das Ziel, dem Phänomen des Feinbildes von verschiedenen Perspektiven aus, sowohl von theoretischer Seite als auch durch Berichte aus der Praxis, auf die Spur zu kommen.

Andreas Henseler

Zum Auftakt des Seminars führte PD Dr. Jochen Hippler, Islamwissenschaftler der Universität Duisburg-Essen, die Teilnehmer in die Problematik von Islamkritik und Islamfeindlichkeit in Deutschland ein. Zuerst verortete er die Ursprünge von Feindbildern im menschlichen Bedürfnis, sich in einer Gesellschaft voller unterschiedlicher Interessen sicher zu sein, wen man als gleichgesinnten Verbündeten betrachten kann. 

Er wies er darauf hin, dass sachliche Kritik am Islam richtig und gut sei, aber dabei nicht die Grenze hin zum „kulturell aufgebürsteten Rassismus“ überschreiten dürfe, wie dies häufig der Fall sei. Vor allem aber machte Dr. Hippler deutlich, dass der Islam und Religionen im Allgemeinen schwer erfassbar seien, da diese immer aus zwei Komponenten bestehe, nämlich der individuellen Spiritualität des Gläubigen und der akkumulierten religiösen Tradition, in der diese ausgelebt wird. Demzufolge sei das, was „Islam“ ist, für jeden Gläubigen etwas anderes - Außenstehende liefen daher Gefahr, kulturelle und religiöse Aspekte des Islam zu verwechseln und sich so in eine Position kultureller Überheblichkeit zu begeben.

Reinhold Janke

Reinhold Janke

Andreas Henseler

Oberst i.G. Reinhold Janke, Bereichsleiter Operative Gestaltung am Zentrum Innere Führung der Bundeswehr in Koblenz, berichtete über die Rolle, die Feinbilder im Alltag von Soldaten im Auslandseinsatz spielen. Er wies darauf hin, dass Feindbilder dabei stets auch untrennbar mit einem bestimmten Eigenbild verbunden sind und damit das Selbstbild des Vorurteilenden reflektieren. Sie entstünden aus einem Fremdbild, dass durch ein prägendes Ereignis plötzlich negativ aufgeladen und anschließend genutzt wird, um Aggression zu legitimieren. Dabei machten sich bei Militäreinsätzen solche Feinbilder insbesondere durch die Entwicklung einer pejorativen Namensgebung für den Feind deutlich, die durch sie Verwendung von Uniformaufnähern auch visuell ausgedrückt werde. Oberst Janke betonte, dass in der Bundeswehr – im Gegensatz beispielsweise zur Nationalen Volksarmee der DDR – keine eigenen Feinbilder geschürt würden. Zuletzt stellte er noch die Programme vor, mit denen die Entstehung von Feindbildern bei deutschen Soldaten im Einsatz verhindert werden soll.

Annedore Hoppe

Annedore Hoppe

Andreas Henseler

Über die sozialpolitische Perspektive auf Vorurteile sprach die Leipziger Diplompsychologin Annedore Hoppe. Davon ausgehend, dass Menschen sich stets in Gruppen sammeln, die ihnen neben dem Gefühl der Zugehörigkeit auch die Möglichkeit böten, Nähe, Wissen und materielle Güter auszutauschen, bilde sich laut der Sozialpsychologie immer ein Bewusstsein für die Unterscheidung zwischen Eigen- und Fremdgruppe. Die Wahrnehmung von Fremdgruppen geschieht dabei im neutralen Fall über (an sich nicht zwangsläufig negative) Stereotype, die allerdings zu Vorurteilen verhärten und schließlich in Diskriminierung münden können. Psychologische Experimente hätten dabei festgestellt, dass Feindseligkeiten zwischen Gruppen deutlich schneller entstehen, als sie anschließend wieder abgebaut werden könnten. Zu den Gründen der Aufwertung der Eigengruppe beziehungsweise der Abwertung der Fremdgruppe nannte Frau Hoppe vor allem zwei Gründe: Erstens nutzten Menschen die Aufwertung ihrer eigenen Gruppe, um die eigene soziale Identität zu stärken und sich dadurch wohler zu fühlen, zweitens bringe die Furcht vor Ohnmacht, beispielsweise in der Form des Todes oder von Naturkatastrophen, die Menschen dazu, sich zunehmend mit ihrer Gruppe zu identifizieren, die sie als stabiler als ihre eigene Existenz ansehen. In beiden Fällen muss das Ansehen der konkurrierenden Fremdgruppen zwangsläufig abgewertet werden. Als besten Weg, Konflikte zwischen Gruppen zu entschärfen nannte die Referentin daher das Finden gemeinsamer Ziele und Normen um sie zu einem gewissen Maß in einer gemeinsamen Identität aufgehen zu lassen.

Botschafter Heinrich Kreft

Botschafter Heinrich Kreft

Andreas Henseler

Zum Abschluss des Fachforums ermöglichte Botschafter Dr. Heinrich Kreft vom Auswärtigen Amt nochmals einen Einblick in die Praxis: Er betonte, dass einzelne Ereignisse, die bereits existierende Feinbilder stimulieren, das deutsche Botschaftspersonal im Ausland manchmal innerhalb kurzer Zeit bedrohen, teils sogar in Lebensgefahr bringen können. Als klassisches Beispiel dienen hier die dänischen Mohammed-Karikaturen, die in vielen muslimischen Ländern eine Welle der Gewalt gegenüber westlichen Botschaften ausgelöst haben. Zur Vermeidung solcher Situationen unterhält das Auswärtige Amt eine Reihe von Kooperationen mit den Goethe-Instituten, der Deutschen Welle und dem DAAD, mit denen es unter anderem Kulturdialogprojekte und Austauschprogramme zum Abbau von Vorurteilen betreibt. Eine besondere Rolle haben dabei laut Dr. Kreft mittlerweile auch die Medien, insbesondere das Internet.

Also neue Fachforumssprecher wurden Basah Delice, Bernhard von Zech und Maria Beilmann gewählt. Sie werden im nächsten Jahr dem Thema der politischen Propaganda von der Antike bis zur Gegenwart widmen.

Text: Andreas Henseler

Universitätsförderung MINT und Medizin
Isabel Küfer, M.A.
Leiterin
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