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Interview - Irmgard Badura
Gemeinsam Vielfalt leben

Autor: Dr. Susanne Schmid

Ja, Blindentischtennis gibt´s. Auf dem großen Aktionstag "Nur mit Dir!" trafen sich in Nürnberg Menschen, die einfach gemeinsam Spaß haben wollten. Ob mit oder ohne Behinderung. Im Interview erzählt Irmgard Badura, die Beauftragte der Bayerischen Staatsregierung für die Belange von Menschen mit Behinderung, von ihrer Arbeit und ihren Zielen.

Über 300 Jugendliche, Sportler, Politiker und Interessensvertreter mit und ohne Behinderung konnten sich auf dem inklusiven Aktionstag „Nur mit Dir!“ ohne Barrieren und Berührungsängste austauschen und kennenlernen. Das Angebot war vielfältig und interaktiv: neben politischen Diskussionsrunden und Vorträgen von Para-Olympionikin Denise Schindler, gab es Gebärdensprachkurse, Blindentischtennis, Rollstuhlparcours, Improvisationstheater und einen Rap-Workshop mit Graf Fidi. Der inklusive Aktionstag hat einen wertvollen Beitrag dazu geleistet, Barrieren in den Köpfen abzubauen, Teilhabe auf Augenhöhe zu fördern und Impulse für eine gemeinsame Zukunftsvision zu geben.

Am 5. März 2018 hatte Irmgard Badura, die Beauftragte der Bayerischen Staatsregierung für die Belange von Menschen mit Behinderung, zusammen mit dem Bayerischen Jugendring zur Veranstaltung „NUR MIT DIR! – Der inklusive Aktionstag für Menschen ohne und mit Behinderung“ in die Meistersingerhalle Nürnberg eingeladen. Kolleginnen der Hanns-Seidel Stiftung haben den Aktionstag tatkräftig unterstützt und Frau Badura für Sie interviewt:

Forsch aus dem Foto blickende jüngere Frau mit energetischem Kurzhaarschnitt, schlichter Jacke und dezenter Halskette

Irmgard Badura ist seit 2014 Beauftragte der Bayerischen Staatsregierung für die Belange von Menschen mit Behinderung. Die Fremdsprachenkorrespondentin, Politik- und Verwaltungswissenschaftlerin hatte von 2006 bis 2014 die Koordinationsstelle "Leben mit Sehbehinderung" beim Dachverband "Deutscher Blinden- und Sehbehindertenverband" geleitet. Seit ihrer Geburt leidet sie an einer degenerativen Netzhauterkrankung und ist bis heute fast vollständig erblindet. Ihren Einsatz für Menschen mit Behinderung bremste das so wenig wie ihren Erfolg.

©Behindertenbeauftragte Bayern

HSS: Frau Badura, Sie sind seit über 9 Jahren im Amt. Wie kann man sich Ihre Arbeit vorstellen? 

Ich sehe mich als klassische Politikberaterin, habe dazu den gesetzlichen Auftrag aus Artikel 17 Bayerisches Behindertengleichstellungsgesetz. Ich versuche die Aufträge und Bedürfnisse aller Menschen mit verschiedensten Beeinträchtigungen in Bayern gebündelt an unsere Staatsregierung zu vermitteln. Dazu arbeite ich in Arbeitskreisen der Parteien mit, bin sehr viel bei den Verbänden und Organisationen vor Ort unterwegs, um ständig in Kontakt und im Austausch zu sein.  

HSS: Was war der Sinn und Zweck, einen so großen Aktionstag für junge Menschen zu veranstalten? 

Ich wollte Begegnungen schaffen und die Vielfalt von uns Menschen mit verschiedensten Beeinträchtigungen zeigen und auch erlebbar machen. Die Mitmach-Stationen von Tischtennis für blinde Menschen bis zu Gebärdensprache lernen oder einmal im Rollstuhl Rampen hinauf und wieder hinunter oder durch eine Tür zu fahren, das muss man alles mal erlebt haben, um sich wirklich ein Bild davon machen zu können. Ich hoffe, die jungen Leute haben mitgenommen, dass wir gemeinsam besser unsere inklusive Zukunft bauen können, als jede und jeder allein in seinem bekannten Bereich.  

HSS: Welche Themen sind für Sie in den letzten Jahren Dauerbrenner gewesen? 

Das ist mein Dreiklang Bildung, Arbeit, Barrierefreiheit. Hier steckt sehr viel drin, nämlich lebenslanges Lernen, das Ankommen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt oder anderen Beschäftigungsmöglichkeiten. Na und Barrierefreiheit meint nicht nur Aufzüge und Rampen, sondern beispielsweise auch für uns blinde Menschen bedienbare und lesbare Webseiten. Überhaupt ist es mir wichtig, mitzuhelfen ein Bewusstsein in der Bevölkerung zu schaffen für einen gleichberechtigten Zugang zu den Dingen, die für alle erst einmal selbstverständlich sind – ins Kino gehen, wählen dürfen oder beim Arzt in der Muttersprache (Gebärdensprache) sprechen.  

HSS: Und was gibt es noch in der Zukunft zu tun? 

Nach wie vor eine ganze Menge: wir brauchen bezahlbaren, barrierefreien Wohnraum und Wohnmöglichkeiten mit entsprechender Assistenz für Pflege, Unterstützung im Alltag in den üblichen Wohngebieten, nahe der Familien, Schulen oder Arbeitsplätze. Ich setze mich ein für mehr Verständnis zum Beispiel für Menschen mit unsichtbaren, autistischen Störungen oder anderem besonderen Verhalten. Wichtig ist mir auch, dass Gesetze, wie das Teilhabegesetz oder Gleichstellungsgesetz tatsächlich wirksam werden und die betreffenden Personen davon einen Nutzen haben. Das ist oft das Schwierigste – denn die Politik macht Gesetze, hakt diese als „geschafft“ ab und vermag aber zu oft zu wenig Geld ins System zu bringen oder den Zugang zu neuen Leistungen einfach und für die betreffenden Personen erreichbar zu machen.

HSS: Frau Badura, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Gesellschaftliche Entwicklung, Migration, Integration
Dr. Susanne Schmid
Leiterin