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Rechtspopulismus
Im unheiligen Mäntelchen des Religiösen

Autor: Dr. Philipp W. Hildmann

Mit der Bundestagswahl vom 24. September 2017 ist erstmals in der Geschichte der Republik eine rechtspopulistische Partei in den Bundestag eingezogen. In Gestalt der AfD wurde eine Partei drittstärkste Kraft im Parlament, die nicht nur in Teilen verfassungsfeindliche, völkische und rassistische Tendenzen an den Tag legt. Sie versucht auch immer wieder, sich nach außen hin einen dezidiert christlichen Anstrich zu verpassen und ihre Anhänger geben sich gerne als die letzten Retter des „christlichen Abendlands“ aus. Aber Rettung wovor?

Tafel mit Aufschrift: Religion und Rechtspopulismus

Expertentagung: Wie viel Religion steckt in rechtspopulistischer Rhetorik und worum geht es Populisten wirklich?

Hildmann; HSS

Die Antwort der Rechtspopulisten ist schnell bei der Hand: Primär vor einem expandierenden Islam. Ins Feld geführt werden aber auch Themen wie die angeblich vom,Gender-Mainstreaming‘ propagierte Stigmatisierung traditioneller Geschlechterrollen oder die vermeintliche Bagatellisierung von Abtreibungen.   Damit stehen die Rechtspopulisten in Deutschland nicht allein.

Das Phänomen einer unheiligen Allianz aus (christlicher) Religion und Rechtspopulismus ist nicht neu. Es ist keine deutsche, nicht einmal eine spezifisch europäische Erscheinung. Sie zeigt sich auch jenseits des Atlantiks – etwa in der rechtspopulistisch eingefärbten Regierungspolitik in den USA unter Präsident Donald Trump. Nun hat der französische Orientalist und Philosoph Rémi Brague schon 1993 darauf hingewiesen, dass diejenigen, "die sich auf das christliche Europa, auf das christliche Abendland berufen, dabei gelegentlich Praktiken und Argumente anwenden, die genau diesem Christlichen widersprechen." „So ist es!“, möchte man ihm im Angesicht der Gegenwart ein knappes Vierteljahrhundert später zurufen und dabei gleich noch das "gelegentlich" aus seinem Zitat durch eine schärfere Vokabel ergänzen. Dies alles tut dem Aufstieg rechtspopulistischer Bewegungen und Parteien, den wir in den europäischen, in den westlichen Demokratien mit zunehmender Besorgnis zur Kenntnis nehmen müssen, jedoch keinen Abbruch. Und so wird uns dieses Phänomen auch noch geraume Zeit beschäftigen. Auch in Deutschland. Auch in Bayern. Ausgang ungewiss. 

Umso dringlicher scheint es geboten, die Verbindungslinien zwischen Religion und Rechtspopulismus einer wissenschaftlichen Tiefenbohrung zu unterziehen, um das Spezifische der Inanspruchnahme von christlicher Religion – in ihrer orthodoxen, katholischen, calvinistischen und nicht zuletzt evangelikalen Ausprägung – durch Rechtspopulisten klarer umreißen zu können. Unmittelbar vor der Bundestagswahl, am 20. und 21. September 2017, hat die Hanns-Seidel-Stiftung gemeinsam mit der Deutschen Vereinigung für Politikwissenschaft (DVPW) in Kloster Banz im Rahmen der Expertentagung "Religion und Rechtspopulismus" einen solchen akademischen Versuch unternommen.

Glaubensgemeinschaft und Glaube an die Gemeinschaft

Yves Bizeul (Rostock) eröffnete die Konferenz mit einem Impuls über die religiöse Dimension im Denken und Handeln der französischen Rechtspopulisten. Seine Eingangsthese lautete: Für Rechtspopulisten ist Religion primär ein Identitätsmerkmal, das ein Gefühl der Zugehörigkeit vermitteln soll. Es geht dabei um „belonging without believing“, also nicht um eine christliche Glaubensgemeinschaft, die ihr Fundament eben im Glauben hat. Im Vordergrund steht hier der „Glaube an die Gemeinschaft“, unabhängig vom religiösen Gehalt. Dazu gehört auch der Glaube an die Tradition, wie Bizeul am Beispiel der französischen Rechtspopulisten deutlich macht. Statt um  persönlichen Glauben oder christliche Glaubenssätze, gehe es primär um den Glauben an, katholische Traditionen, die es zu verteidigen gelte. Für Bizeul steht der Front National in geistiger Nähe zum katholischen Integralismus, der einer spezifischen Ausprägung einer kirchlichen Lehre absoluten Vorrang gewährt und die Welt ausschließlich mit dieser Brille betrachtet. Jean-Marie Le Pen habe den Katholizismus immer wieder für seinen Wahlkampf instrumentalisiert und betont, dass er den alten katholischen Dogmen wieder neuen Glanz verleihen sowie die alten Wertesysteme wieder reaktivieren wolle. Seine Anhänger leiteten daraus für sich einen religiös begründeten Auftrag ab,die Fremden‘ aus Frankreich zu vertreiben. Unter Marine Le Pen habe sich der Bezug zur Religion dann signifikant geändert. Sie selbst bezeichne sich nur mehr als "Katholikin des kirchlichen Vorplatzes". Diese Distanzierung vom katholischen Integralismus und ihr klares Bekenntnis zur französischen Laizität seien allerdings eine wohlüberlegte Strategie. Zum einen wolle sie, anders als ihr Vater, wirklich Präsidentin werden. Ein klares Bekenntnis zum Katholizismus werde von ihr auf diesem Weg dabei als eher hinderlich eingeschätzt. Zum andern könne sie durch diesen starken Bezug auf die Laizität gerade den Islam massiv angreifen und als Fremdkörper in der französischen Kultur herausstreichen. Im Rahmen dieser Strategie habe sie Muslime dann beispielsweise auch als eine fremde Besatzungsmacht bezeichnen können, die Teile des französischen Territoriums besetzt und der Republik entwendet hätten. Der Front National selbst sei als eine Art Religionsersatz zu betrachten. Er biete seinen Anhängern Heil und Rechtfertigung. Die Hoffnung seiner Anhänger bestehe seit jeher darin, Wunschträume ohne eigene Leistungen verwirklichen zu können. War diese „politische Religion“ unter Jean-Marie Le Pen noch mit einem integralistischen Katholizismus gefüllt, herrsche unter Marine Le Pen hier heute ideologische Leere.

Verzerrte Kommunikation

Mit einem Beitrag über Islamdebatten als systemisch verzerrte Kommunikation schloss Floris Biskamp (Kassel) an seinen Vorredner an. In den Blick nahm er insbesondere die scharf antiislamische Positionierung der AfD, die er als deutlich wahlstrategisch motiviert herausarbeitete. Er legte dar, dass die AfD ihre Forderung zur Diskriminierung von Islam und Muslimen nicht offen antiliberal, sondern im Gegenteil als Verteidigung des Liberalismus gegen einen antiliberalen Islam präsentiere. Dies könne sie deshalb mit einigem Erfolg tun, weil sie dabei strategisch an vorausgehende öffentliche Islamdebatten anknüpfe, die Biskamp unter Bezug auf Jürgen Habermas als "systematisch verzerrte Kommunikation" bezeichnete. Mit dieser Strategie bediene die AfD bewusst islamophobe Strömungen in der Gesellschaft. Die aufgeheizten Debatten, an die die Rechtspopulisten nun nahtlos anknüpften, seien zumeist unbegründet auf den Islam fokussiert. Muslime würden in ihnen stark problematisiert, undifferenziert betrachtet und kritische muslimische Stimmen marginalisiert. Dabei würden die islamische Welt und der Westen als gegeneinander abgeschlossene Entitäten imaginiert und das Problem antimuslimischer Vorurteile ausgeblendet oder verleugnet. In diesem Zusammenhang erinnerte Biskamp noch einmal an die Äußerung der AfD-Politikerin Beatrix von Storch, die 2016 bei der Formulierung des Parteiprogramms die Themen Asyl und Euro als "verbraucht" bezeichnet hatte. Für die "Außenkommunikation" sei stattdessen der Islam am besten geeignet. "Die Presse wird sich auf unsere Ablehnung des Islams stürzen wie auf kein zweites Thema des Programms." Das Bundestagswahlergebnis lässt den Schluss zu, dass diese Kalkulation aufgegangen ist.  

Der religiösen Dimension des Populismus spürte auch Gunnar Rettberg (Bielefeld) in seinem Beitrag über die Form der Person der populistischen Spitzenpolitiker als funktionales Äquivalent zur Form der Verfassung mit Blick auf das Souveränitätsparadox in der Demokratie nach. Diese religiöse Dimension liege im Charakter der für den Populismus typischen charismatischen Herrschaft (Max Weber) begründet. Auch dient in populistischen Parteien häufig die Person eines charismatischen Anführers in durchaus religiöser Manier als Legitimationsersatz nicht konsensfähiger Haltungen und undemokratischer Phantasien, die in rechtsstaatlich verfassten Staaten von Gesetzen eingeschränkt werden. Dies stellte der Soziologe Gunnar Rettberg vor und wies auf die religiöse Dimension des Populismus hin, der „im Charakter der für den Populismus typischen charismatischen Herrschaft (Max Weber) begründet“ liege. In der populistischen Politik, so Rettbergs These, werde die Funktion der Verfassung als strukturelle Kopplung von Recht und Politik durch die Person der populistischen (Spitzen-)Politiker substituiert.

Ist Populismus undemokratisch?

Wenn Populisten ihr Handeln also tendenziell eher durch eine charismatische Führungspersönlichkeit als durch rechtsstaatlich erarbeitete Gesetze legitimieren, ist Populismus dann undemokratisch? Der Politikwissenschaftler Oliver Hidalgo (Regensburg) zeichnete ein differenziertes Bild vom spannungsreichen Verhältnis von Religion, Demokratie und Rechtspopulismus und fragte, wo die programmatischen Überschneidungen lägen, die die klassische Berufung von Rechtspopulisten auf religiöse Themen erklären könnten. Der Rechtspopulismus, so Hidalgo, präsentiere mit seinem extremen Fokus auf Homogenität, Antipluralismus und soziale Gerechtigkeit viele der Aspekte als seine eigenen, die traditionell mit dem Sinn und Zusammenhalt schaffenden Potential von Religionen assoziiert würden. Elitenkritik und die Betonung kulturellen Einzigartigkeit vervollständigen das nationale populistische Angebot: Ein Angebot einer geschlossenen Gesellschaft mit Führer- oder Personenkult im Gewand abendländischer, christlicher Traditionen, die allerdings ihres spirituellen Gehalts ledig sind.

Geschlechterrollen und Genderphobie

Die Kulturwissenschaftlerin Anja Hennig (Frankfurt/O.) arbeitete zu Beginn des zweiten Panels in ihrem Vortrag Genderphobie als Brücke zwischen religiösem Fundamentalismus und völkisch-nationalistischem Rechtspopulismus heraus. Unter Genderphobie versteht sie die Ablehnung der Kategorie "Gender" als sozio-kulturell geprägte und nicht von Natur aus gegebene Geschlechtsidentität sowie die Propagierung von "Gender" als Bedrohung für Gesellschaft und Nation. Sie stelle eine ideologische Plattform dar, die in der Lage sei, christlich-fundamentalistische und nicht religiöse politische Akteure zu vereinen. Sie beruhe auf der Annahme einer naturgegebenen Ordnung in Gesellschaft und Familie sowie der Ablehnung von kulturellem Pluralismus und der multi-ethnische Komposition einer Gesellschaft. Genderphobe Argumente speisten sich meist aus Anti-Feminismus, religiösem Fundamentalismus und völkisch-islamophobem Nationalismus. Für die politische Mobilisierung seien christlich-fundamentalistische Gruppierungen maßgeblich. So gehe die Aufnahme von Genderphobie ins Parteiprogramm der AfD ebenfalls auf christlich-fundamentalistische Akteure zurück, insbesondere solche, die zugleich einen völkisch-nationalistischen Anti-Pluralismus propagierten.  Dem widersprach Hilke Rebenstorf vom sozialwissenschaftlichen Institut der Evangelischen Kirche in Hannover. Für Sie ist kein eindeutiger Zusammenhang zwischen religiöser Zugehörigkeit und Affinität zu rechtspopulistischen Positionen nachweisbar. Christliche Religiosität zeige sowohl Affinität als auch Resistenz gegenüber rechtsextremem Denken. Als entscheidender Unterschied erweise sich dabei nicht die Frömmigkeit im Sinne der Bedeutung, die Religion im eigenen Leben spiele – Menschen, denen der Glaube in ihrem Leben sehr wichtig ist, fänden sich laut Rebenstorf sowohl unter denen, die überdurchschnittlich homophob, sexistisch und ausländerfeindlich seien, als auch unter denen, die dies dezidiert nicht sind. Die Differenz werde viel mehr markiert durch den Wahrheitsgehalt, der den Religionen zugeschrieben werde, sowie durch die Vorstellung des Göttlichen, die jemand vertrete. Gordon Allport habe bereits vor 50 Jahren das "Paradoxon der Religiosität" beschrieben, dass Geschwisterlichkeit und Nächstenliebe zwar Vorurteile verhinderten, zugleich aber Parameter wie Offenbarung, göttlicher Bund oder göttlicher Wille solche beförderten.   Die Positionen der Kirchen im Vereinigten Königreich und in Europa zum Brexit waren Gegenstand des Vortrags von Matthias Belafi (Bonn). Das Ergebnis des Brexit-Referendums vom 23. Juni 2016 gelte als einer der Haupterfolge des Rechtspopulismus in den vergangenen Jahren. Vor dem Referendum hätten auch die Kirchen im Vereinigten Königreich Stellung bezogen. In ihren offiziellen Stellungnahmen seine die Kirchen, allen voran die Church of England, neutral geblieben und hätten bestenfalls eine leichte Präferenz für „Remain“ durchblicken lassen. Für den Verbleib, so Belafi, hätten sich englische Kirchenvertreter jedoch in persönlichen Stellungnahmen ausgesprochen, beispielsweise der Primas der anglikanischen Kirche. Deutlicher gegen den Brexit hätten sich die Church of Scotland sowie der Irische Rat der Kirchen und die katholischen Bischöfe Nordirlands ausgesprochen. In den Landesteilen, in denen die Stimmung europafreundlicher gewesen sei und wo das Referendum für die EU ausgegangen sei, hätten sich auch die Kirchen entweder deutlich für "Remain" ausgesprochen oder aber ihre Präferenz dafür durchscheinen lassen, ohne diejenigen auszuschließen, die diese Meinung nicht teilten. In England jedoch, wo die Gesellschaft am meisten polarisiert und die Zustimmung zum Brexit am höchsten gewesen sei, habe die Kirche versucht, sich neutral zu positionieren und keine Seite vor den Kopf zu stoßen. Angesichts ihres pastoralen Auftrags sei dieses Verhalten in einer politischen Frage sicherlich nachzuvollziehen. Gleichzeitig unterstrichen aber die persönlichen Bekenntnisse der Kirchenführer für den Verbleib in der Schlussphase des Abstimmungskampfes, dass eine stärkere Positionierung durchaus möglich gewesen wäre, vielleicht sogar erforderlich. Die kirchlichen Stellungnahmen hätten gleichwohl durchweg ein antipopulistisches Moment enthalten, da es ihnen immer um Aufklärung und eine Versachlichung der Debatte gegangen sei. Das habe in den Kirchen wohl als Mittel gegolten, um dem „Leave“ den Wind aus den Segeln zu nehmen und das „Remain“ zu stärken.

Mehr Populisten unter Religiösen?

Etwas anders akzentuiert fiel die Diagnose Pascal Siegers aus, der im Rahmen seines Vortrags "Religiosity and support for right wing pupulist parties in Germany" die Ergebnisse einer gleichnamigen Studie referierte. Diese sei von einer kontroversen Diskussion in der internationalen Literatur über die Frage ausgegangen, wie individuelle Religiosität die Bereitschaft der Wahl rechtspopulistischer Parteien beeinflusse. Ein Argument besagt, dass Religion identitätsstiftend wirke und damit die Abgrenzung von Fremdgruppen befördere. Eine zweite, gegenläufige These sagt, dass Religiosität gegen die Wahl rechtspopulistischer Parteien immunisiere: zum einen aufgrund der Lehren der Kirchen, sich gegen Fremdenfeindlichkeit zu positionieren; zum anderen, weil eine religiöse Identität die Bindung an religiöse Parteien stärke.

Deutschland

Für die Bundesrepublik, so Siegers, habe die Plausibilität der einen wie der anderen These aufgrund des Fehlens relevanter rechtspopulistischer Parteien bislang allerdings nicht untersucht werden können. Mit dem Aufkommen der AfD habe sich das nun geändert. Im Ergebnis habe die von ihm mit verantwortete Studie gezeigt: In Deutschland reduziere eine hohe individuelle Religiosität tendenziell Xenophobie und Islamophobie und verhindere damit eher die Bereitschaft zur Wahl rechtspopulistischer Parteien. Zwei Mechanismen seien dabei entscheidend: Zum einen wiesen regelmäßige Kirchgänger in Deutschland weniger fremdenfeindliche Einstellungen auf, was die Wahrscheinlichkeit, die AfD zu wählen, verringere. Zum anderen hätten die Mitglieder der christlichen Kirchen eine engere Bindung an die etablierten Parteien und wählten deshalb weniger wahrscheinlich die AfD. Die Bindung der Katholiken wirke – wie erwartet – über die Bindung an die Unionspartien, bei den Protestanten hingegen eher über die Bindung an die Sozialdemokraten.

Türkei

Anders sieht es in der Türkei aus, wie Jörg Baudner von der Universität Osnabrück zeigte. Er vertrat die These, dass sich die Verschmelzung von religiöser Partei und Populismus in der Türkei nur durch die wiederholte Auseinandersetzung von religiöser Partei und säkularer Staatselite erklären lasse. Die säkulare Staatselite in der Türkei habe für sich stets eine Veto-Position beansprucht und unter anderem auf der Verbannung religiöser Symbole aus der Öffentlichkeit bestanden. Das Zusammenwirken von säkularer, als elitär empfundenen Mobilisierung, paternalistischen Warnungen‘ des Militärs an die Volksvertreter sowie Verbotsverfahren durch das Verfassungsgericht habe nach 1997  zunächst zur Gründung der AKP als Catch-all Partei geführt. Das knapp gescheiterte Verbotsverfahren gegen die AKP 2007 war für Baudner daraufhin maßgeblich mitverantwortlich für die Umgestaltung der AKP in eine populistische Partei und für ihr Abgleiten in einen zunehmenden Autoritarismus.

USA

Der Politikwissenschaftler Sascha Arnautović (Brühl/Köln) berichtete über den Islam als Feindbild und Grundlage für eine rechtspopulistische Regierungspolitik in den USA unter Donald Trump. Dabei vertrat er die These, dass Trumps bislang sehr restriktive Haltung in der Einwanderungsfrage das Ergebnis mehrerer zusammenkommender Faktoren sei: Erstens hätten die Betonung von nationaler Identität und Kultur im Sinne einer nationalen Selbstvergewisserung sowie die Rückbesinnung auf vermeintlich grundlegende nationale Interessen („America first“) als politische Leitlinien mit hineingespielt. Durch eine neue amerikanische Einwanderungspolitik habe eine entsprechende Antwort auf die als Bedrohung perzipierte Globalisierung und Migration gegeben werden sollen. Zugleich habe das Werben mit einer konsequenteren Abschiebepolitik die Stärkung einer wie auch immer gearteten US-Identität zum Ziel gehabt. Zweitens habe der "Kampf gegen die Islamisierung", der letztlich auf einer pauschalen Verurteilung des Islam als "Brutstätte des Terrors" beruhe, die Trump-Administration und die sogenannte Christliche Rechte in den USA in ihrem Bestreben geeint, antiislamische Ressentiments zu schüren. Religion habe dabei als Unterscheidungsmerkmal für die eigene Identität und als ein politisches Mittel der intendierten sozialen Ausgrenzung von Muslimen gedient und sei somit zum Instrument Trump’scher Innenpolitik geworden. Mit ihrer Hilfe habe sich eine klare gesellschaftliche Trennlinie zwischen Christen und Muslimen ziehen lassen, sie sei mithin zum politischen Mittel der gezielten Ausgrenzung religiöser Minderheiten in den USA avanciert. Drittens entspreche Trump mit seiner in ihren Konturen bereits erkennbaren Reform der Einwanderung dem Bedürfnis seiner treuen Wählerbasis (die sich vornehmlich aus weißen Amerikanern aus der Mittelschicht zusammensetze) nach Abschottung vor jeglichem Fremden, was aus einem diffusen Gefühl der Angst resultiere. Da diese Wählerschaft ihm letztendlich seine Macht sichere, sei ihre Zufriedenstellung letztlich unerlässlich.   

Dem Thema Populismus und Sprache war anschließend der Beitrag von Johannes Löffler (Münster) gewidmet, der einen sprechakttheoretischen Vergleich zwischen Donald Trump und Papst Franziskus vornahm. Wenn sich „Populismus“ allen voran verbaler Kommunikationsakte bediene, so seine Ausgangsthese, bedürfe es primär linguistischer Verfahren, um sich mit dem Phänomen „Populismus“ wie mit dem "Diskurs über den Populismus" komparativ auseinanderzusetzen. Hierdurch werde das Problem partieller Überschneidung(en) der Konzepte „Populismus“ und „Charisma“, welches innerhalb der fachwissenschaftlichen Debatten wiederholt zu Tage trete, weitestgehend umgangen, und Äußerungen über das Phänomen „Populismus“ könnten auf deren Inhalt hin untersucht werden. 

Italien

Die Lega Nord als vorgebliche Verteidigerin christlicher Identität hatte ich Jakob Schwörer von der Friedrich-Wilhelms Universität in Bonn zum Thema gewählt. Er konstatierte, dass sich diese rechtspopulistische Partei sowohl in ihrer Programmatik als auch in öffentlichen Äußerungen nur sporadisch auf die christliche Religion, christliche Traditionen und Identität beziehe. Christlich-religiöse Bezüge fänden sich bei der Lega Nord ausschließlich im Zusammenhang mit der Ablehnung/Ausgrenzung anderer Glaubensgemeinschaften – insbesondere der Muslime – und Ideen. Er verwies auf eine paradoxe Mischargumentation bediene, wonach rechtspopulistische Parteien einerseits auf die christliche Kultur Europas verwiesen, andererseits aber gerade die Säkularität Europas als Ausgangspunkt für die Kritik am Islam anführten.

Österreich

Die rechtsnationalistische FPÖ, die in Österreich gerade in Koalitionsverhandlungen mit Wahlsieger Kurz steht, betreibe die Kulturalisierung von Religion. Diese These von Werner Suppanz von der Universität Graz besagt, dass dabei Zugehörigkeit und Fremdheit nicht über Glaubensinhalte, sondern über die Forderung nach Anerkennung der kulturellen Verbindlichkeit christlicher Symbole und Traditionen konstituiert würden. Dieses weltanschauliche Element, so Suppanz, diene einerseits dem Ausschluss des „Fremden“, aktuell insbesondere der Muslime. Es habe aber gleichzeitig eine normative Funktion gegenüber der „autochthonen“ Bevölkerung Österreichs: Das sichtbare Bekenntnis auch zu als christlich definiertem Brauchtum zeige für die FPÖ die Zugehörigkeit zum "wahren Volk". Religion sei damit in diesem rechtspopulistischen Kontext ein wirkungsvoll einsetzbares und – aus der deutschnationalen Tradition der Partei resultierend – kontroversielles Element nationalistischer Identitätspolitik.

Ungarn

Dass Religion in seinem Heimatland schon unmittelbar nach der Wende eine der wichtigsten Stützen gewesen sei, bemerkte Gergely Rosta (Budapest) in seiner Analyse. Schon unmittelbar nach der Wende sei Religion einer der wichtigsten Streitpunkte im ungarischen Parteisystem gewesen. Allerdings hätten eher die moderaten konservativen Parteien von der Unterstützung der religiösen Menschen profitiert, als die extremen Rechte. Die bislang erfolgsreichste rechtsextreme Partei Jobbik, so Rosta, habe sich ursprünglich als Schützer des Christentums profiliert, was allerdings von den Kirchen scharf abgelehnt worden sei. Anders als in den USA habe Religiosität hier eher die Mitte der Gesellschaft gestärkt.

Russland

Eine besondere Situation beschrieb Alina Schmidt (Regensburg) in Russland. Hier habe die orthodoxe Kirche seit 2000, also seit der Wahl Wladimir Putins, eine Renaissance erlebt.  Politisch ebenso wie gesellschaftlich sei ihre Rolle nicht mehr zu unterschätzen. Unter Putin seien in Russland Gesetze verabschiedet worden, die diese Rolle noch verstärkten. Das Weltbild der Russisch-Orthodoxen Kirche habe viele Berührungspunkte mit der konservativen Politik der russischen Regierung. Das Verhältnis zwischen Staat und Kirche sei allerdings keinesfalls als (einseitige) Instrumentalisierung zu beschreiben – hierfür sei die Interessennähe beider Partner viel zu groß.

Als Fazit der Expertentagung bleibt festzuhalten, dass die konzertierte Analyse der einerseits auffälligen, andererseits aber auch subtilen Verbindungslinien zwischen Religion und Rechtspopulismus gleichermaßen dazu beigetragen hat, die Bedeutung religiöser Bezugnahmen für die Konstituierung rechtspopulistischer Denkmuster zu beleuchten wie die Trennlinien zwischen rechtspopulistischen und konservativen Positionierungen zu schärfen.