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Brennpunkt Iran
Kann Europa das Atomabkommen mit dem Iran retten?

Mit ihrem einseitigen Austritt aus dem Iran-Abkommen haben die USA der internationalen Diplomatie schweren Schaden zugefügt. Ist das Vertrauen zerstört oder können die verblieben Vertragspartner die Lücke füllen?

Nach der Aufkündigung des Atomabkommens mit dem Iran durch Washington stehen aktuell die übrigen Vertragsmitglieder (nunmehr P4+1-Gruppe) vor der Herausforderung und zentralen Frage, ob die diplomatisch hart erkämpfte Atomvereinbarung auch ohne die USA Bestand haben wird. Die geladenen Experten/-innen in der iranischen Atomfrage diskutierten im Rahmen eines Expertengesprächs bei der Hanns-Seidel-Stiftung mögliche Konsequenzen sowie Chancen der verbleibenden Vertragsmitglieder.

Der Freiheitsturm: matialisches Beton-Monument im Herzen Teherans. Ein überdimensionaler Torbogen, ornamental verziert.

Die Hardliner im Iran sind im Aufwind, seit Donald Trump das Abkommen gekündigt hat. Sie waren schon immer überzeugt, dass dem Westen nicht zu trauen sei.

Trumps kontroverse Entscheidung

Größtenteils zeichneten die Antworten ein eher düsteres Bild. Einige schienen überzeugt, ein Fortbestehen der multilateralen Vereinbarung mit Teheran ohne die Wirtschafts- und Militärmacht USA sei eher unwahrscheinlich und schwer zu halten. Ein mögliches Scheitern der Vereinbarung allerdings würde Europa vor große außen- und sicherheitspolitische Herausforderungen im gesamten nahöstlichen Raum stellen.

Im Iran selber habe eine Verschiebung der Machtverhältnisse von den moderaten Kräften um Präsident Rohani zugunsten der „Hardliner“ stattgefunden, die den Vertrag abgelehnt hatten. Sie fühlen sich seit der einseitigen Aufkündigung des JCPOA (Joint Comprehensive Plan of Action) durch die amerikanische Regierung in ihrer Haltung bestätigt, den westlichen Verhandlungspartnern sei nicht zu trauen.

Sollte es Europa und den übrigen Vertragsmitgliedern folglich nicht gelingen, das Atomabkommen zu retten, könnte sich dieser Prozess verstärken.

„Sollten die Verhandlungen tatsächlich scheitern, haben wir ein Proliferationsproblem, ein regionalpolitisches Sicherheitsproblem und wir haben innenpolitisch eine Entwicklung, die eine stärkere Radikalisierung und Stärkung von Hardliner-Kräften nach sich ziehen würde“ (Azadeh Zamirirad).

Drei Lastwägen, hochbeladen, auf einer Straße in einer Wüstenlandschaft, die auch Ausrüßtung transportieren könnten.

Wird Iran seine Unterstützung für die Hisbollah oder die Huthi-Rebellen im Jemen einstellen?

raandree; CC0; Pixabay

Aktuell ziehen sich bereits viele westliche Unternehmen aus dem Iran zurück. Ihnen erscheint es nach dem erneutem Inkrafttreten US-amerikanischer Wirtschaftssanktionen gegen den Iran als zu riskant, in die islamische Republik zu investieren, müssten sie doch damit rechnen, von den Vereinigten Staaten mit Sanktionen belegt oder gar vom amerikanischen Binnenmarkt ausgeschlossen zu werden. Inwieweit die verbliebenen Vertragspartner des JCPOA in der Lage wären, diese Einbußen auszugleichen ist derzeit noch völlig unklar.

„Innenpolitisch ist die Lage im Iran sehr schlimm, speziell wirtschaftlich. Die Regierung steht unter massivem Druck und außenpolitisch wurde das Lager der Konservativen gestärkt, da die Pragmatiker und Reformer, speziell die aktuelle Regierung, ihr Überleben an das Atomabkommen geknüpft haben“ (Wahid H. Tabatabai).

Chancen und Risiken für die EU

Nun sind die Europäer gefordert und stehen in der Verantwortung Teheran mit wirtschaftlichen Anreizen und viel diplomatischem Verhandlungsgeschick von einem Verbleib im Atomabkommen zu überzeugen. Aber wie könnten solche Anreize aussehen und ist umgekehrt nicht auch der Iran dazu angehalten, sein international angekratztes Vertrauen wieder zu stärken. Zwar hat der Iran laut internationaler Atom-Energie-Organisation (IAEO) alle im Vertrag festgelegten Maßnahmen erfüllt, dennoch wird ihm von seinen internationalen Gegenspielern vorgeworfen, gegen "den Geist des Abkommens" verstoßen zu haben, zum Beispiel durch die Unterstützung verschiedener Gruppen in den Krisenherden der Region. 

Laut Heinz Gärtner sind alle denkbaren vertrauensbildende Maßnahmen an die Bedingung geknüpft, dass das Atomabkommen zumindest bis zu den nächsten US-Präsidentschaftswahlen bestehen bleibt. Nur so könne der Vertrag eine neue Dynamik erreichen. Sollte das nicht passieren, so Gärtner, scheint eine dauerhafte Lösung schwierig und die Gefahr einer regionalen sowie internationalen Eskalation wahrscheinlich.

„Es gilt nicht nur das Nuklearabkommen zu retten, sondern es geht darum, einen Krieg zu verhindern“ (Heinz Gärtner, Universität Wien).

WEBMASTER; CC0; Wikimedia Commons

Was bleibt?

Ein Blick auf die Geschichte zeigt, dass Israel aus seiner eigenen Bedrohungsperzeption heraus und zum Schutz israelischer Sicherheitsinteressen, schon in der Vergangenheit Staaten mittels militärischer Maßnahmen daran hinderte, die Atomschwelle zu überschreiten. Militärische Präventivschläge Israels waren bereits im Irak (Operation Opera 1981) und Syrien (Operation Orchard 2007) erfolgreich und sind heute, sollte die Trump-Regierung einen derartigen Militärschlag befürworten oder sogar mit speziellen Waffenlieferungen aktiv unterstützen, nicht auszuschließen. Weiter stellen auch die bereits bestehenden Krisenherde im Nahen und Mittleren Osten ein erhöhtes Eskalationspotential dar. Unmittelbare Kriegsgefahr birgt vor allem die konfrontative Stellung Israels und Irans im Syrien-Konflikt, in der mit beidseitigen Fehlperzeptionen gerechnet werden muss.

Indem auch Trump das überwiegend von den Gegnern Teherans geprägte Narrativ des Iran als Bedrohung bekräftigt, kann und wird der Iran in absehbarer Zeit nicht aus seiner internationalen Paria-Rolle heraustreten. Dieses Bild des Iran als Bedrohung sieht Andreas Bock als das eigentliche Problem, da dadurch häufig die Tatsache in den Hintergrund rückt, dass eigentlich der Iran selbst aufgrund seiner Lage am Persischen Golf am stärksten bedroht sei.

Deutschland kommt eine außerordentliche Rolle bei der Aufrechterhaltung des Atomabkommens zu. Die Bundesrepublik pflegt historisch gute Beziehungen sowohl zu Teheran als auch zu Tel Aviv. Letztere könnten sich jedoch nach Heidi Walcher auch negativ auswirken, da die deutsche Politik gegenüber Israel als unanfechtbar gilt. Dennoch nimmt Deutschland eine Schlüsselstellung innerhalb der P4+1-Gruppe ein und könnte zusammen mit Brüssel, Paris und London einen positiven Ausgang des Atomabkommens bewirken.

„Auch in extrem schwierigen Phasen war Deutschland immer verhandlungsbereit und Deutschland kommt eine extrem wichtige Rolle in der Frage, wie man mit dem Restbestand des JCPOA umgeht, zu“ (Heidi Walcher).

 Autorin: Lisa-Marie Geltinger

Die Experten

  • Prof. Dr. Andreas Bock lehrt Politikwissenschaft und Internationale Not- und Katastrophenhilfe an der Berliner Akkon-Hochschule für Humanwissenschaften.
  • Dr. Heidi Walcher ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für den Nahen und Mittleren Osten an der Ludwig-Maximilians-Universität München.
  • Prof. Dr. Heinz Gärtner ist Dozent am Institut für Politikwissenschaft der Universität Wien, der diplomatischen Akademie Wien und der „Danube University“.
  • Dr. des. Azadeh Zamirirad ist Politikwissenschaftlerin und Senior Associate an der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin.
  • Wahid H. Tabatabai ist selbstständiger Consultant und berät seit 2015 in politischen und wirtschaftlichen Angelegenheiten hochrangige iranische Politiker. Er ist im Besonderen für den deutschen Botschafter in Teheran beratend tätig.
Leiterin Akademie für Politik und Zeitgeschehen

Prof. Dr. Diane Robers