„Nachhaltigkeitskriterien im Mittelstand – werden die aktuellen Regulatorien im Bereich Nachhaltigkeit zu Finanzierungsschwierigkeiten im deutschen Mittelstand führen?“
Die gesamte Studie der Technischen Universität München finden Sie hier.
Die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen des deutschen Mittelstands ist gegenüber Großunternehmen durch zahlreiche Faktoren stark eingeschränkt. Letztere haben mehr Marktmacht und können Lieferketten stärker beeinflussen und Rohstoffengpässe besser umgehen. Hinzu kommen aktuell auch regulatorische Anforderungen durch EU-Richtlinien über die Nachhaltigkeitsberichterstattung im Zuge der gewünschten nachhaltigen Umstellung des europäischen Wirtschafts- und Industrieraums („Green Deal“). Diese legislativen Maßnahmen belasten tendenziell mittelständische Unternehmen, die die geforderten Berichtstrukturen erst einmal aufbauen müssen und so vor erheblichen finanziellen Schwierigkeiten stehen können. Dabei sind kleine und mittelgroße Unternehmen, abgekürzt KMU, eine der „tragenden Säulen der deutschen Volkswirtschaft“, für deren finanzielle Stabilität gesorgt werden muss.
Die Ausweitung der ESG-Regularien auf den deutschen Mittelstand steht im Zentrum einer aktuellen Studie, die im Namen der Hanns-Seidel-Stiftung in Zusammenarbeit mit der TU München erarbeitet wurde. Der Vorsitzende der Hanns-Seidel-Stiftung Markus Ferber, MdEP, Prof. Dr. Gunther Friedl, Dekan und Professor für Controlling an der TUM School of Management und Prof. Dr. Diane Robers, Leiterin der Akademie für Politik und Zeitgeschehen der Hanns-Seidel-Stiftung, sowie Experten und Vertreter des deutschen Bankwesens und mittelständischer Vereinigungen diskutierten bei der Vorstellung die Ergebnisse der Studie und erörterten die potenziellen Auswirkungen der Regulierungen auf den Mittelstand.
Die Studie befasst sich mit der Problematik der Ausweitung der ESG-Regularien auf kleine und mittlere Unternehmen (KMU). KMU sind eine der tragenden Säulen der deutschen Volkswirtschaft. Allerdings setzen bereits Fachkräftemangel und die steigenden Energie- und Rohstoffpreise den Unternehmen ernsthaft zu. Nun tritt ein weiterer belastender Faktor hinzu: In der europäischen Gesetzgebung werden zusätzliche ESG-Anforderungen wie die NFRD- bzw. die CSRD-Regularien diese Unternehmen betreffen. Mangels finanzieller und personeller Kapazitäten führen diese nun aufkommenden Berichts- und Transparenzanforderungen zu erheblichem Mehraufwand. Die unmittelbare Pflicht zur Berichterstattung wird zunächst „nur“ schätzungsweise 15.000 der 3,5 Millionen KMU treffen. Allerdings ist davon auszugehen, dass die Berichtspflicht sukzessive auf kleinere mittelständische Unternehmen ausgeweitet wird. Schon jetzt sind viele KMU mittelbar von diesen Anforderungen betroffen, da sie in der Wertschöpfungskette als Zulieferbetriebe für Großunternehmen agieren und entsprechende Informationen an die berichtspflichtigen Großunternehmen liefern müssen.
Auch im Bereich der Unternehmensfinanzierung drohen Einschränkungen, da Banken aufgrund aktueller EU-Gesetzgebung immer stärker ESG-Informationen bei der Kreditvergabe anfragen. Die kleinen und mittleren Unternehmen können diese Informationen jedoch häufig nicht liefern. Dies kann zu Finanzierungsschwierigkeiten führen und die Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigen. Für das Geschäftsjahr 2022 müssen Banken erstmals ihre Green Asset Ratio (GAR), also den Anteil des nachhaltigen Geschäftsvolumens, offenlegen.
Bis zum Jahr 2025 zählen Kredite an KMU – völlig unabhängig von deren Nachhaltigkeit – allerdings nicht in die Wertung. Damit haben Banken weniger Anreiz, Kredite an KMU zu vergeben. Gleichzeitig kostet die ökologische Transformation Geld. In der Diskussion wurde besonders deutlich, dass das derzeitige Vorgehen nicht den (ökologischen) Transformationsweg von Unternehmen berücksichtigt und entsprechende Anreize schafft. Der Gesetzgeber ist hier kurzfristig gefragt, diese Benachteiligung durch eine Veränderung der Berechnungslogik zu beseitigen.
Der deutsche Mittelstand wird als Motor der deutschen Wirtschaft bezeichnet und seine erfolgreiche Entwicklung hängt maßgeblich von einer ausgewogenen und praktikablen Umsetzung der Nachhaltigkeitsregulierung ab. Es ist wichtig, dass die Regelungen den Mittelstand nicht übermäßig belasten und seine Wettbewerbsfähigkeit nicht gefährden, sondern den Weg der ökologischen Transformation positiv begleiten, damit daraus entstehende Chancen auch ergriffen werden können.
Markus Ferber, MdEP, stellte zusammenfassend zum Inhalt der Studie fest:
„Der Mittelstand ist eine tragende Säule der deutschen Wirtschaft, sein Wohlergehen liegt auch der Stiftung sehr am Herzen. Es sollten möglichst schnell einheitliche Standards für die ESG-Berichterstattung von mittelständischen Unternehmen formuliert und kommuniziert werden. Nur so kann sich die Wirtschaft adäquat den neuen Herausforderungen stellen."