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Nachruf auf John McCain - ein Republikaner mit Werten

Mit 81 Jahren erlag der US-Senator John McCain nun seinem Gehirntumor. 30 Jahre lang hatte er zuvor im US-Senat für seine Überzeugungen gekämpft: Freiheit, Gerechtigkeit und Respekt für die Würde aller Menschen.

John McCain war weltweit bekannt. Doch in München war der langjährige Senator aus Arizona eine ganz besonders wichtige Figur. Denn John McCain stellte die US-Delegation für die Münchener Sicherheitskonferenz zusammen, er rief, teilweise sehr kurzfristig, seine Kollegen im Senat und Repräsentantenhaus persönlich an und erklärte ihnen die Bedeutung ihrer Teilnahme. Es gab kein anderes high-level Gesprächsforum, das John McCain so sehr persönlich prägte  wie die Münchener Sicherheitskonferenz. Auf der MSC 2018 fehlte er bereits, sein Gesundheitszustand ließ keinen anstrengenden Transatlantik-Flug mehr zu. Das traditionelle Staatsbankett am Samstagabend wurde ihm gewidmet, seine Frau Cindy nahm stellvertretend den Ehrenpreis der Sicherheitskonferenz entgegen, der frühere Vizepräsident Joe Biden, mit John McCain in Freundschaft und Respekt verbunden, hielt eine bewegende Laudatio.

Kissinger wird im Rollstuhl von einem Bodyguard in Richtung Capitol geschoben.

Die öffentliche Choreographie nach seinem Tod hatte John McCain persönlich und detailliert geplant. Seine Aufbahrung und die berührende Abschiedsfeier mit Staatsakt wurden so zu einem einenden Moment für das gespaltene Land. Hier im Bild (Rollstuhl): Henry Kissinger

Ritter; HSS

Großer Verlust für die US-Außenpolitik

John McCain reißt eine Lücke, nicht nur auf der Münchener Sicherheitskonferenz. Ihm nahe stehende Senatoren werden versuchen, diese Lücke im Sinne John McCains zu füllen. Lindsay Graham aus South Carolina war ein enger Freund, Jeanne Shaheen, die stolze Senatorin aus New Hampshire, stand ihm politisch sehr nahe, teilte seine Überzeugungen und kämpfte mit ihm für eine liberale Weltordnung. Alle, vor allem die aufstrebende jüngere Generation der US-Außenpolitiker im Senat wie Ron Johnson, Ben Sasse oder Rob Portman, werden auf der internationalen Bühne noch Zeit brauchen, um das Format eines John McCain zu erreichen. Mit McCain verliert die US-Außenpolitik eine wortgewaltige Stimme.

Er war ein leidenschaftlicher, bisweilen unbequemer Vertreter eines Amerika, das neben eigenen Interessen auch die fundamentale Bedeutung universaler Menschenrechte im Fokus hat. Die Freiheitskämpfer dieser Welt lagen ihm am Herzen, für autoritäre Herrscher hatte er nur Verachtung übrig. Sein Anspruch an die Politik war hoch, er bezog klar Position und erwartete dies auch von anderen. Mit seiner Forderung nach Rüstungsexporten in die Ukraine, um Kiew im Kampf gegen den Kreml zu unterstützen, eckte er in Deutschland an.

Lange Menschenschlange vor dem Capitol in Washington

Über zwei Stunden Wartezeit bei 35 Grad vor dem Capitol in Washington, wo der Leichnam McCains aufgebahrt wurde.

Ritter; HSS

Geschlossenheit der transatlantischen Werte- und Interessengemeinschaft

Die USA waren für John McCain mehr als ein Land, er sah sie als Idee, als Ideal von Freiheit und Demokratie, als Verschmelzung von Geografie und Philosophie. Die Geschlossenheit der transatlantischen Werte- und Interessengemeinschaft war der Ausgangspunkt auch seiner strategischen Überlegungen. Nur ein geeinter Westen kann die globalen Herausforderungen bestehen.

Ein starkes Amerika braucht ein starkes Militär. Als Vorsitzender des Verteidigungsausschusses im Senat und Sprössling einer Offiziersfamilie hatte John McCain immer ein offenes Ohr für die Anliegen der Soldaten. Das im August 2018 verabschiedete Gesetz über den Verteidigungshaushalt 2018 trug nicht nur wie gewohnt seine Handschrift, es trug diesmal auch seinen Namen: John S. McCain National Defense Authorization Act.

Schäuble rollt auf seinem Rollstuhl in Richtung Capitol

Bundestagspräsident Dr. Wolfgang Schäuble vertrat Deutschland bei der Trauerfeier für den republikanischen Senator John McCain

Ritter; HSS

Seinen militärischen Dienst am Vaterland leistete John McCain in der Marine, seinen politischen Dienst jahrzentelang als Senator für Arizona. Er war bekannt für hintergründigen Humor, scharfen Geist und bissige Schlagfertigkeit. Vorwürfe, dass er nicht aus Arizona stamme und daher nicht als Senator für Arizona tauge, konterte er mit dem Hinweis, dass er leider nicht das Privileg hatte, in diesem wunderschönen Staat aufzuwachsen. Wenn er es recht überlege, so John McCain in einer Fernsehdebatte vor 40 Jahren zu Beginn seiner politischen Karriere, habe er bislang die längste Zeit an einem Ort in Vietnam zugebracht. Mit dieser Anspielung auf seinen Kriegsdienst und seine Kriegsgefangenschaft nahm John McCain allen Kritikern schnell den Wind aus den Segeln.

Politisch war er ein Mann der Mitte, Republikaner mit Haut und Haaren, harte Schale und liberaler Kern, zu Kompromissen und zur Zusammenarbeit mit den Demokraten fähig, dabei loyal zur eigenen Partei, ohne sich dem neuen Trumpismus anzubiedern. Unvergessen ist sein gesenkter Daumen bei der von Trump forcierten Abwicklung der Gesundheitsreform von Barack Obama. John McCains moralischer Kompass ist vielen Republikanern heute bedauerlicherweise abhanden gekommen, sowohl in der Innen- wie auch in der Außenpolitik.

Menschenmenge vor dem Capitol

Für viele der angereisten Amerikaner war das persönliche Abschiednehmen vom konservativen Volkshelden McCain patriotische Pflicht.

Ritter; HSS

Mann der Mitte

Ausländerfeindlichkeit, das Propagieren von Mauern, Protektionismus, das Einreißen von Institutionen, die Kritik an Bündnispartnern, die Zweifel an der amerikanischen NATO-Treue, die Anbiederung an Amerikas strategische Feinde – die Liste von John McCains Rügen an die Adresse der Trump-Administration wurde länger und länger.

John McCain war nicht frei von politischen Fehlern, aber er bekannte sich zu ihnen, auch wenn er sie manchmal erst spät erkannte. Mit der Nominierung von Sarah Palin als seine Running Mate 2008, seine Vizepräsidentin im Falle seines Wahlsieges, machte er die Tea Party erst salonfähig.

Um einen Helden ärmer

John McCains Ableben zeichnete sich ab. Seine engsten Mitarbeiter machten kein Geheimnis daraus, dass er den Kampf gegen den Gehirntumor nicht gewinnen werde. Die Nachricht von seinem Tod am 25. August stürzte das politische Washington in tiefe Trauer. Einzig Präsident Donald Trump zögerte mit Respekt- und Beileidsbekundungen. Zu tief sitzt die persönliche Abneigung zwischen beiden. Donald Trump sprach John McCain dessen Heldentum ab, denn Helden ließen sich nicht gefangen nehmen so wie John McCain in Vietnam. Aus dem Weißen Haus wurde durchgesteckt, dass Donald Trump eine öffentliche Würdigung ablehnte und es bewusst bei einer schlichten Twittermeldung beließ. Und die US-Flagge am Weißen Haus ließ er nur unwillig und nach beharrlichem Zureden auf Halbmast setzen. Umgekehrt musste John McCain Donald Trump nicht beim Namen nennen, wenn er die Gefahr eines dumpfen Nationalismus in der US-Außenpolitik geißelte. Es war konsequent, dass John McCain an die Öffentlichkeit trug, dass Donald Trump auf seinem Begräbnis nichts zu suchen habe.

John McCains Begräbnis ist ein nationaler und internationaler Staatsakt. Es ist ein würdiger Abschluss eines erfüllten Lebens. Amerika und die Welt sind um einen Helden ärmer zu einer Zeit, in der man mehr davon bräuchte.

 

Autor: Christian Forstner, HSS