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EU-Kommission schlägt neue Afrika-Strategie vor
Partnerschaft auf Augenhöhe

Am 9. März 2020 hat die Europäische Kommission ihre neue „EU-Afrika-Strategie“ der EU zur Diskussion gestellt. Mit ihrer neuen geopolitischen Ausrichtung will die Kommission ihre Beziehungen zu den Ländern Afrikas auf eine neue Basis stellen: wirtschaftlich, politisch und sozial.

Statt der bisher breiten Entwicklungszusammenarbeit will die Kommission künftig auf fünf thematisch strukturierte Bereiche setzen: (1) Umwelt und Energie, (2) Digitalisierung, (3) nachhaltiges Wachstum und Jobs, (4) Frieden und Sicherheit, sowie (5) Migration und Mobilität.

Übergreifende Aspekte sind die Rolle der Jugend und Frauen, Nachhaltigkeit, eine Stärkung des Privatsektors sowie regionale und kontinentale Integration. Die Strategie soll auch zu einer engeren politischen Kooperation auf internationaler Ebene zur Stärkung des regelbasierten Multilateralismus und der Umsetzung gemeinsamer Interessen führen. Das wesentliche politische Ziel der Initiative ist eine „Partnerschaft auf Augenhöhe. Die Zustimmung der EU-Mitglieder steht allerdings noch aus. Mit ihrem Vorschlag hat die Kommission zunächst die EU-interne Diskussion zu den künftigen Beziehungen mit den Ländern Afrikas  angestoßen. Die gemeinsame EU-Afrika-Strategie soll erst beim Gipfel zwischen der Afrikanischen Union (AU) und der Europäischen Union im Oktober dieses Jahres beschlossen werden.

Auch Jugend und Frauen, Nachhaltigkeit und regionale Integration sind Teil des Vorschlags der EU-Kommission für ein neues Verhältnis mit den Staaten Afrikas. (Ursula von der Leyen mit Moussa Faki Mahamat, Vorsitzender der Kommission der Afrikanischen Union)

Auch Jugend und Frauen, Nachhaltigkeit und regionale Integration sind Teil des Vorschlags der EU-Kommission für ein neues Verhältnis mit den Staaten Afrikas. (Ursula von der Leyen mit Moussa Faki Mahamat, Vorsitzender der Kommission der Afrikanischen Union)

Etienne Ansotte; © Europäische Union, 2020/ EC - Audiovisual Service

Geopolitische Ambitionen der EU-Kommission

Die neue Kommission unter Führung von Präsidentin Ursula von der Leyen will eine „geopolitische“ Kommission sein. Die EU soll demnach weltweit stärker und entschlossener agieren. Logischer Bestandteil dieses Ansatzes ist auch ein verstärktes Engagement auf dem afrikanischen Nachbarkontinent, wo andere globale Akteure, allen voran China, massiv investieren. Die EU ist allerdings der größte Handelspartner Afrikas und stellt die meisten Mittel für Investitionen und bei der Entwicklungshilfe bereit. Wirtschaftliche, politische und demografische Entwicklungen am afrikanischen Kontinent entfalten unmittelbare Auswirkungen in Europa. Wunsch der Kommission ist es daher, die Beziehungen mit dem Nachbarkontinent auf eine neue, interessenbasierte Ebene zu stellen, um für gemeinsame Herausforderungen wie etwa Sicherheit, Wachstum, Migration oder den Klimawandel gemeinsame Lösungen zu finden. Afrika wird für die EU also immer wichtiger. Mit der vorgeschlagenen Initiative will die Kommission dieser Tatsache deutlich Rechnung tragen.

Was ist neu am Vorschlag zur EU-Afrika-Strategie?

Der nun vorgelegte Vorschlag ist nicht ganz so neu wie es auf den ersten Blick scheinen mag. Beispielsweise sprach der damalige Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker im September 2018 in seiner Rede zur Lage der EU von der Notwendigkeit, Afrika statt „karitativer Unterstützung“ eine echte und faire Partnerschaft anzubieten. Gleichzeitig legte die Kommission damals die sogenannte „Allianz Afrika-Europa“ vor, die seither Investitionen und Handel für nachhaltiges Wachstum und Beschäftigung mit Mitteln aus dem Externen Investitionsplan der EU fördert. Schon damals war es erklärtes Ziel, die Wirtschafts- und Handelsbeziehungen zu vertiefen und zugunsten einer Partnerschaft auf Augenhöhe vom Geber-Empfänger-Ansatz abzurücken.

Neu an der EU-Afrika-Strategie ist jetzt, dass sie erstmals thematisch abgegrenzte Partnerschaften vorschlägt und viel expliziter als vorherige Initiativen auf die Themen Migration und Klimawandel eingeht. Darüber hinaus stehen nun beiderseitig „Interessen“ eher im Zentrum als „Werte“. Beobachter argumentieren, dass das Geber-Empfänger-Verhältnis in den vergangenen Jahren trotz gegenteiliger Bekundungen in der Praxis weiter besteht. Beispielsweise trägt die EU massiv zur Finanzierung und damit Arbeitsfähigkeit der Afrikanischen Union (AU) bei. Der aktuelle Ansatz der Kommission erscheint in dieser Hinsicht zielstrebiger und vielversprechender.

Der Zeitpunkt für den Vorschlag ist gut gewählt. Im Dezember 2019 unternahm Von der Leyen ihre erste Auslandsreise als Kommissionspräsidentin nach Addis Abeba in Äthiopien. Dort traf sie Moussa Faki, den Vorsitzenden der Afrikanischen Kommission, das „Gegenstück“ der EU-Kommission. Dieses bewusste politische Bekenntnis wurde in Afrika positiv wahrgenommen. Im Februar 2020 trafen sich die Europäische und die Afrikanische Kommission – von der Leyen reiste mit 21 ihrer Kommissare an, was einer nie dagewesenen Delegationsgröße entspricht. Die Kommission ist mit ihrer Charmeoffensive nicht alleine. Auch der Präsident des Europäischen Rates, Charles Michel, nahm Anfang Februar am jährlichen Gipfeltreffen der afrikanischen Staats- und Regierungschefs teil. So schuf die EU ein politisches Momentum, das große Aufmerksamkeit schaffte.

Richtiger Schritt, aber große Herausforderungen

Positiv ist auch, dass die EU die wachsende Bedeutung Afrikas erkennt und anerkennt. Angesichts der Größe des afrikanischen Marktes (über 1 Mrd. Menschen) und der jungen Bevölkerung ist das wirtschaftliche Potenzial für die EU offenkundig. Auch die Themen Sicherheit, Migration und Klimawandel sind nur gemeinsam zu bewältigen. Aber auch allgemeiner ist Europa auf der Suche nach einem Partner in der Welt. Länder wie die Vereinigten Staaten, Russland, China oder die Türkei agieren zunehmend eigenwillig. Afrika ist im wahrsten Sinne des Wortes ein naheliegender Partner für eine engere Zusammenarbeit, gerade etwa auch im Rahmen multilateraler Institutionen. Der Vorschlag einer außenpolitischen Orientierung der EU hin zu Afrika ist also nur folgerichtig.

Auch wenn die neue Strategie wesentliche aktuelle Herausforderungen angeht und ein großes Themenspektrum abdeckt, dürfte die Umsetzung nicht einfach werden. Wie sich bei jüngsten Treffen zwischen EU und AU zeigte, soll es „afrikanische Lösungen“ für „afrikanische Probleme“ geben. Die EU will jeglichen Eindruck einer womöglich kolonial anmutenden „Bevormundung“ Afrikas vermeiden. In der Praxis wird die Zusammenarbeit jedoch durch grundlegende Unterschiede zwischen Europa und Afrika erschwert. Hierzu zählen unterschiedliche Wertevorstellungen, etwa bezüglich internationaler Strafgerichtsbarkeit, sexueller Selbstbestimmung, Identität oder der Todesstrafe. Gleichzeitig gibt es in Afrika vielfache Mängel bei der Regierungsführung oder der Qualität demokratischer Institutionen. Unklar ist zudem, wer bei der neuen Partnerschaft die primäre „Anlaufstelle“ der EU in Afrika sein soll. Die Afrikanische Kommission ist hinsichtlich ihrer Kompetenzen nicht vergleichbar mit der Europäischen Kommission. Die EU steht also vor einer langfristigen Gratwanderung zwischen „Werten“ und „Interessen“, bei der sie laufend den komplexen institutionellen und politischen Kontext berücksichtigen muss.  

Ein besonders schwieriges Thema dürfte auch die Migrationsfrage werden, denn hierbei weichen afrikanische und europäische Interessen voneinander ab. Während sich Afrika erhofft, dass die EU einen größeren Teil der migrationsbezogenen Anstrengungen trägt, strebt die EU Rückübernahmeabkommen mit Herkunftsländern, eine stärkere Bekämpfung der Kernursachen vor Ort, sowie Unterstützung für Transitländer an. Die Kommission spricht sich zwar auch für mehr legale Wege zur Migration aus, allerdings sind die Mitgliedstaaten bei dem Thema gespalten. Trotz der Bedeutung, Komplexität und Sensibilität der Migrationsfrage wäre es wichtig, dass diese nicht andere Themen in den Hintergrund drängt.

Ein weiterer Unsicherheitsfaktor in Bezug auf die Umsetzung der EU-Afrika-Strategie sind die laufenden Verhandlungen zum Post-Cotonou Abkommen und zum nächsten siebenjährigen EU-Haushalt, dem sogenannten Mehrjährigen Finanzrahmen 2021-2027. Das Cotonou-Abkommen läuft voraussichtlich im Dezember 2020 aus. Ein Folgeabkommen soll den Rahmen für die zukünftigen Beziehungen zwischen der EU und den AKP-Staaten (79 Staaten in Afrika, der Karibik, und im Pazifikraum; 48 davon liegen in Afrika) regeln. Wie ein solches Abkommen und die nun vorgelegte EU-Afrika-Strategie aufeinander abgestimmt werden könnten, ist noch unklar. Vieles wird von den laufenden EU-Haushaltsverhandlungen und den darin vorzusehenden Mitteln für Afrika abhängen. Die Kommission fordert ein „geopolitisches“ Budget. Klar ist, dass die EU für die Umsetzung der Strategie ausreichend Mittel bereitstellen müsste, die Entscheidung liegt aber beim EU-Parlament und den Mitgliedstaaten.

Jetzt liegt der Ball bei den Mitgliedstaaten

Die Kommission hat den Ball nun ins Rollen gebracht, nun müssen andere Akteure sich damit befassen. Das Europäische Parlament bekommt den Vorschlag schon am 10. März offiziell präsentiert und wird sich dazu austauschen. Umfassender aber befassen sich die Mitgliedstaaten damit: Nach Diskussionen auf Arbeitsgruppen- und Botschafterebene im Rat sollen sich die EU-Außenminister im April oder Mai und die Staats- und Regierungschefs voraussichtlich im Juni mit der neuen EU-Afrika-Strategie befassen. Die Umsetzung der Strategie dürfte erst nach dem EU-AU-Gipfel in Brüssel im Oktober 2020 beginnen. Bis dahin hat die EU also noch Zeit, ihren neuen partnerschaftlichen Ansatz gegenüber Afrika intern zu diskutieren und eine Strategie zur Umsetzung der Strategie auszuarbeiten. Der laufende Austausch mit den afrikanischen Partnern wird wesentlicher Bestandteil dieses Prozesses sein müssen.

Autor: Dietrich John

Belgien (Europa-Büro Brüssel)
Dr. Thomas Leeb
Leiter