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Einheimischenmodelle
Vergünstigtes Bauland für Ortsansässige: endlich Rechtssicherheit

Städte und Gemeinden können künftig Bauland zu vergünstigten Preisen an ortsansässige Bürger vergeben. Auf eine entsprechende Regelung einigten sich die EU-Kommission, die Bundesrepublik Deutschland und der Freistaat Bayern. Für die Einheimischenmodelle, die insbesondere jungen Familien zugute kommen, hatte sich die Vorsitzende der CSU-Gruppe im Europäischen Parlament, Prof. Angelika Niebler, jahrelang intensiv eingesetzt.

In der Gemeinde Selfkant in NRW: Einheimische zahlten 100€/m², Auswärtige 146€/m²

In der Gemeinde Selfkant in NRW: Einheimische zahlten 100€/m², Auswärtige 146€/m²

Tama66; CC0; Pixabay

Rückblick

In Deutschland gewährten Kommunen bereits vor 30 Jahren Preisnachlässe für Einheimische. Das deutsche Recht ließ dies zu. So erhielten nicht zuletzt junge Familien mit geringem Einkommen die Möglichkeit, in ihrem Heimatort ansässig zu bleiben. Beispielsweise reduzierte 2007 die nordrhein-westfälische Gemeinde Selfkant den Verkaufspreis von gemeindeeigenem Bauland um fast ein Drittel: Ortsansässige zahlten 100,- Euro pro m², Auswärtige jedoch 146 € pro m². In dieser Bevorzugung sah die EU-Kommission eine rechtswidrige Ungleichbehandlung. Brüssel drohte, Berlin vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg zu verklagen. Beide Seiten einigten sich 2011 auf einen Kompromiss, der allerdings nie Gesetzeskraft erlangte. Denn parallel dazu legte ein belgisches Gericht die Frage, unter welchen Bedingungen Ortsansässige besser als Ortsfremde gestellt werden dürfen, dem EuGH vor. Die Richter in Luxemburg formulierten Leitlinien für Einheimischenmodelle, auf deren Grundlage die bisherige deutsche Regelung dem EU-Recht widersprach. Deshalb setzten Ministerialbeamte und Politiker die seit 2007 laufenden Verhandlungen fort, in deren Verlauf sich die CSU-Europaabgeordnete Angelika Niebler bis hin zum damaligen EU-Kommissionspräsidenten José Manuel Barroso für die Zulässigkeit von Einheimischenmodellen einsetzte.

Einigung zwischen EU-Kommission, Bundesrepublik und Freistaat: einkommensschwächere Personen bevorzugt

Einigung zwischen EU-Kommission, Bundesrepublik und Freistaat: einkommensschwächere Personen bevorzugt

Pexels; CC0; Pixabay

Neue Rechtslage

Im Jahr 2017 verständigten sich die EU-Kommission, die Bundesrepublik Deutschland und der Freistaat Bayern auf Grundsätze, die bereits ins deutsche Baurecht eingefügt wurden. Danach muss der Grundstückskäufer zu den „einkommensschwächeren und weniger begüterten Personen der örtlichen Bevölkerung“ gehören. Die Ortsansässigkeit al-lein genügt demzufolge nicht, sondern es müssen bestimmte soziale Umstände hinzutreten. So gilt für den Bewerber eine Vermögensobergrenze, und außerdem darf er in der betreffenden Gemeinde nicht bereits Bauland besitzen. Daneben greift eine Einkommensgrenze in der Höhe des örtlichen durchschnittlichen Jahreseinkommens; unterhaltspflicht-ige Kinder führen zu einem Anstieg der Einkommensgrenze. Gibt es auf dieser Grundlage mehrere berechtigte Interessenten, kommt ein Punktesystem zur Anwendung. Je mehr die Vermögens- und Einkommensobergrenzen unterschritten werden, desto mehr Punkte gibt es. Die Zahl der Kinder, pflegebedürftigen Angehörigen oder Bewohnern mit Behinderung werden ebenso mit Punkten gewürdigt. Schließlich erfolgt die Punktevergabe abhängig davon, wie lange der Bewerber bereits seinen Erstwohnsitz oder seinen Arbeitsplatz in der Gemeinde hat. Wer ein Ehrenamt ausübt, kann einen Bonus erhalten. Sollte der Begünstigte weniger als zehn Jahre nach dem geförderten Grundstückserwerb die Gemeinde verlassen, muss er die Subvention teilweise erstatten.

Struktur der Bevölkerung und die eigene Kultur, Bräuche und Traditionen erhalten (Niebler)

Struktur der Bevölkerung und die eigene Kultur, Bräuche und Traditionen erhalten (Niebler)

Lilaminze; CC0; Pixabay

Bewertung

Insbesondere in Bayern erließen Gemeinden Einheimischenmodelle, für die nun endlich Rechtssicherheit herrscht. Während sich anfangs vor allem Kommunen aus dem Münchner Umland für die Vergabe von vergünstigtem Bauland für Ortsansässige interessierten, erhält Angelika Niebler zwischenzeitlich Anfragen aus ganz Bayern. Denn die Grund-stückspreise sind an vielen Stellen im Freistaat kräftig gestiegen. „Mit den Einheimischenmodellen soll das Ziel verfolgt werden, die Struktur der Bevölkerung und auch die ganz eigene Kultur, Bräuche und Traditionen zu erhalten“, erläutert die stv. CSU-Parteivorsitzende. „Gleichzeitig kämpfen die Gemeinden gegen eine Überalterung der Bevölkerung, weil sich gerade junge Familien mit Kindern teures Bauland vor Ort nicht mehr leisten können.“ Für eine Bevorzugung der ortsansässigen Bevölkerung sprechen außerdem der soziale Zusammenhalt und die soziale Integration vor Ort, da gerade solche Personen das kulturelle Leben durch ihr Engagement in Vereinen bereichern und beispielsweise mit ihrem Einsatz in der Freiwilligen Feuerwehr auch für Sicherheit sorgen. „Wer sich ehrenamtlich einbringt, muss und darf ebenso bevorzugt behandelt werden“, so Angelika Niebler. Würde man die Vergabe von Bauland komplett dem freien Markt überlassen, dann würden finanzkräftige Investoren und vermögende Einzelpersonen solche Leistungsträger der örtlichen Gemeinschaft durchweg verdrängen. Großer Unmut bei der ortsansässigen Bevölkerung wäre die Folge. Eine Ungleichbehandlung mit Augenmaß, zudem gebunden an sozialen Kriterien, ist deshalb sinnvoll.

Belgien (Europa-Büro Brüssel)
Dr. Thomas Leeb
Leiter