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Stipendiaten proben den öffentlichen Auftritt
Von Haltungsnoten und Kurzbotschaften

„In die Öffentlichkeit zu gehen heißt, Sie müssen den Mantel aufmachen! Es ist ein Stück weit Exhibitionismus, den Sie wagen sollen!“ – nicht gerade gewöhnliche Willkommensworte bei HSS-Seminaren.

©veerasak1982/Fotolia

Winfried Bürzle, ein ausgebuffter Medienprofi in den besten Jahren, findet bei seinen Seminaren aber fast immer eine so klare Sprache wie in diesem Fall. Vom 21. bis zum 23. April 2017 hat er sie mit dem Kameraexperten Helmut Göb in Kloster Banz wiederholt auch von anderen eingefordert: An die hohe Kunst des "öffentlichen Auftritts" wagten sich im dreitägigen Seminar zwölf Stipendiaten der Hanns-Seidel-Stiftung.

Das Statement vor der Kamera - wohin nur mit den Händen?

Isabel Küfer

Dass alle den Seminareinheiten erwartungsfroh entgegen heischten, war auch dem Versprechen der beiden Dozenten zu Beginn geschuldet: "Wer hier rausgeht, soll etwas zu sagen haben, sich aber auch der Instrumente der Hohlschwätzer bedienen können!" Der Freitagabend blieb für die meisten allerdings eine nasskalte Erfahrung – der Sprung ins kalte Wasser war aber keiner in den Banzer Swimmingpool, sondern das erste "Statement" vor der Kamera. Wie war die Körperhaltung? War die Botschaft nachvollziehbar? Wo waren die Hände, aber auch: wo blieben Satzenden und stilistische Pausen? Fragen wie diese wurden am folgenden Samstagvormittag reihenweise behandelt – da stand die große Analyse der ersten Auftritte ins Haus. Noch dem letzten blieb hier im Gesamteindruck haften: Vor Kameras gilt es doch recht viel zu beachten.

Mit der groß angelegten Besprechung fütterten die zwei Dozenten die Stipendiaten nun auch mit theoretischem Hintergrundwissen. Zentrale Lehrsätze lauteten da etwa: "Seien Sie vor der Kamera die Königin!", oder "Kameras fressen Freundlichkeit! Merken Sie sich das." Bei der Fülle von Hinweisen blieb es am Nachmittag dann eine kleine Kunst für sich, alles Gesagte gleichzeitig umzusetzen und in Verbindung mit einer stimmigen Kurzbotschaft in 40 Sekunden zu vermitteln. Im zweiten Durchgang vor der Kamera waren Verbesserungen dennoch deutlich erkennbar: Kraftvoll, königlich und sicher im Stand präsentierten sich die jungen Studenten lernwillig in der Sache und kontrovers in den Meinungen. 

Nach dem Abendessen konnten sich die Stipendiaten dann in die vielen Ronaldos, Watsons und Obamas dieser Welt einfühlen. In einer für alle heiteren abendlichen Einheit waren sie jedoch ausnahmsweise nicht mehr im Sprechen gefordert. Fortan gesucht wurde eines: die Kunst der souveränen Pose im Angesicht des überschwänglichen Beifalls. Jeder der Studenten hatte  beim Hinunterlaufen einer Treppe eine frenetisch jubelnde Menge mit Kamerateam zu begrüßen. Wie aber Jubel und Bewunderung gebührend und angemessen entgegennehmen? Einprägend war die Übung insbesondere hinsichtlich der Geschlechterunterschiede: Dem Hang zu männlicher Selbstüberschätzung und Siegergesten standen weibliche Zurückhaltung und zaghafte Fluchtversuche gegenüber. Die Besprechung der mitgeschnittenen Beiträge war ebenso herzlich wie erkenntnisreich – Außensicht und individuelle Binnenperspektive des eigenen Auftritts wollten nicht immer so recht übereinstimmen.

Den Sonntagvormittag beherrschte abschließend ein Schlagwort, das auch im schulischen Zusammenhang oft zu vernehmen ist: Medienkompetenz. Jedoch weniger in die Herausforderungen der aufkommenden digitalen Medien, als vielmehr in die Fehlerquellen bei bildgestützten Präsentationen, Fotos und Fernsehaufnahmen wiesen Helmut Göb und Winfried Bürzle ein. In der Behauptung, dass eine Lüge in unserer medialen Welt nicht mehr halte, versteckte sich ein in der Öffentlichkeit von manchem Politiker bereits hart erlernter Lehrsatz: Zahlen, Daten und Fakten müssen vor der Kamera immer stimmen. Müssen. Immer. Stimmen. Bei den zahlreichen Fallen, die beim Auftritt vor Kamera oder Mikrofon lauern, überwögen nach übereinstimmender Meinung der Dozenten aber deutlich die Vorteile des öffentlichen Auftritts: "In den allermeisten Fällen ist er ein Geschenk! Nutzen Sie ihn!" 

Philipp Ulrich Abele

Das Journalistische Förderprogramm für Stipendiaten (JFS) bietet Studierenden an Hochschulen für angewandte Wissenschaften (HAW) und Universitäten eine studienbegleitende Aus- und Weiterbildung mit praxisbezogenen Seminaren und Fachtagungen in den Sparten Zeitungs-, Bild-, Onlinejournalismus, Hörfunk und Fernsehen sowie Veranstaltungen zu gesellschaftspolitisch relevanten Themen an. Die Förderung ist nicht an bestimmte Studiengänge gebunden, jedoch sollte bei den Bewerbern als Berufsziel eine spätere Tätigkeit im Bereich der Medien gegeben sein.

Universitätsförderung MINT und Medizin
Isabel Küfer, M.A.
Leiterin
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