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Interview - Atomabkommen aufgekündigt
Was nun?

US-Präsident Donald Trump kündigt mit großer Geste das Atomabkommen mit Iran und die Welt ist sprachlos. Was kann Europa jetzt tun? Im Interview bringt Prof. Meier-Walser, Leiter der HSS-Akademie für Politik und Zeitgeschehen, die Situation auf den Punkt.

Bild des Professors vor einer Weltkarte

Prof. Dr. Reinhard Meier-Walser ist Honorarprofessor für Internationale Politik an der Universität Regensburg. Er promovierte 1988 mit "summa cum laude" an der Ludwig-Maximilians-Universität München zum Dr. phil. über das Thema: „Die Außenpolitik der monokoloren Regierung Klaus in Österreich, 1966-1970“ Nach einer Gastprofessur für Internationale Politik am Austin College in Texas, USA, übernahm er im Juni 1995 die Leitung der Akademie für Politik und Zeitgeschehen der Hanns-Seidel-Stiftung in München. Seit April 2009 ist er stellvertretender Generalsekretär der Stiftung.

HSS

HSS: Welche Konsequenzen hat das Aufkündigen des "Atom-Deals" durch die USA auf die verbleibenden Partner?

Prof. Meier-Walser: Präsident Trumps Kündigung des Atomdeals mit Teheran führt zu der paradoxen Situation, dass die drei europäischen Unterzeichnerstaaten des Abkommens (Frankreich, Großbritannien und Deutschland) nun sozusagen in einem Boot sitzen mit Russland und China, weil mit Ausnahme der USA alle anderen Unterzeichner des Abkommens (einschließlich des Iran selbst) daran festhalten wollen.  


Isolieren sich die USA durch diesen Schritt selbst?  

Ja, die USA isolieren sich zumindest von ihren wichtigsten europäischen Bündnispartnern. Unterstützung für seinen Kurs gegenüber Teheran findet Trump lediglich in Israel und Saudi-Arabien.  


Welche Auswirkungen hat das Wiedereinsetzen der amerikanischen Sanktionen für a) den Iran und b) die europäische Wirtschaft?  

Im Iran werden die neuen US-amerikanischen Sanktionen zweifellos die moderaten Kräfte um Präsident Rohani und Außenminister Zarif schwächen und den konservativen Hardlinern Aufschwung verschaffen - eine machtpolitische Verschiebung zugunsten der Gegner der USA, Europas und Israels, die man durch das Abkommen von 2015 gerade verhindern wollte. Für die europäische Wirtschaft, die bereits Verträge mit dem Iran besitzt oder Investitionen plant, wird es einerseits noch schwieriger, die Kontakte zu iranischen Partnern zu pflegen oder Geschäftstätigkeiten aufzunehmen, andererseits wird sich der Graben zwischen Europa und Washington weiter vertiefen.  


Stärkt die Aufkündigung eine gemeinsame europäische "Außenpolitik" und wie kann es weitergehen?  

Diese einsame Entscheidung Präsident Trumps könnte zur "Stunde Europas" werden, wenn Paris, London, Berlin (und Brüssel) jetzt konsequent an einem Strang ziehen und unbeirrt ihren Kurs des Festhaltens am Atomdeal weitersteuern. Gleichzeitig sollten die europäischen Mächte ihren Kurs der Fortführung des konstruktiven Dialoges mit Teheran aber auch mit Forderungen in Richtung einer zurückhaltenderen Rolle des Iran im Mittleren Osten verbinden. Der Atomdeal mit Teheran diente schließlich als ein Signal, um den Iran aus seiner Paria-Rolle zu lösen und um ihm eine Chance zu geben, sich an der Deeskalation anderer Konflikte und Krisen im Mittleren Osten konstruktiv zu beteiligen. Diese Chance hat Teheran bislang, da hat Trump recht, nicht ergriffen.  


Droht das Pulverfass Naher Osten jetzt zu explodieren? Wo liegen die besonderen Gefahren?  

Trumps Entscheidung wird wie ein Brandbeschleuniger wirken. Erstens werden die bereits bestehenden Krisen und Konflikte, in denen der Iran unmittelbar oder mittelbar beteiligt ist (am PersischenGolf, im Israel-Palästina-Konflikt, im Irak, in Syrien, in Jemen, in Afghanistan und im Libanon...), noch brisanter. Gegenwärtig sehe ich eine unmittelbare Kriegsgefahr zwischen Iran und Israel in Syrien, zumal Israel niemals akzeptieren wird, dass iranische Milizen dauerhaft dort stationiert bleiben. Zweitens wird für den Fall, dass der Iran mit der Wiederaufnahme seines Anreicherungsprogramms beginnen sollte, eine Reihe von Staaten massiv aufrüsten, wobei zumindest im Falle Saudi-Arabiens auch damit gerechnet werden kann, dass Teherans Erzfeind ebenfalls Atomwaffen anstreben wird. Ein neues Wettrüsten im Mittleren Osten würde die ohnehin krisengeschüttelte Region weiter destabilisieren; sollten neue atomare Ambitionen gedeihen, wäre das nukleare Nichtverbreitungsregime endgültig Makulatur.  


Hat Trumps Schritt weitere internationale Konsequenzen?  

Mit Blick auf die gegenwärtig greifbare Chance, den nordkoreanischen Atomkonflikt zu deeskalieren, besteht die Gefahr, dass Nordkoreas Diktator Kim Jong-Un seine Position gegenüber Washington überdenkt und sich nicht zu Verhandlungen bzw. zu einem Treffen mit Trump bereiterklärt. Zweifellos werden die Machthaber in Pjöngjang sich fragen, was ein bilaterales Abkommen mit Washington wert ist, wenn der amerikanische Präsident sogar eine multilaterale Vereinbarung mit sechs anderen Staaten, die von den Vereinten Nationen übernommen wurde, mit einem Federstrich außer Kraft setzt.


Herr Prof. Meier-Walser, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Leiterin Akademie für Politik und Zeitgeschehen

Prof. Dr. Diane Robers