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Antisemitismus uralt und aktuell
Wie kann Prävention gelingen?

Gegen Antisemitismus geht man am besten schon vor, ehe er sich festsetzen kann. Aber sowohl international als auch bei uns in Deutschland hat das Phänomen in den vergangenen Jahren um sich gegriffen. Die HSS hat sich die Frage gestellt, wie man konsequent und effektiv Aufklärung und Prävention betreiben kann. Auch der Bayerische Antisemitismusbeauftragte, Dr. Ludwig Spaenle, legte seine Gedanken zu der Herausforderung dar.

Eine gute und eine schlechte Nachricht bildeten den Rahmen zur Fachveranstaltung „Antisemitismus uralt und aktuell – wie kann Prävention gelingen?“, die am 11. Mai in der Hanns-Seidel-Stiftung (HSS) durchgeführt wurde. Organisiert wurde sie vom Gesellschaftswissenschaftlichen Institut München für Zukunftsfragen e.V. (GIM) in Kooperation mit dem Bayerischen Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales, der Europäischen Janusz Korczak Akademie und der HSS. Dr. Philipp Hildmann, Leiter des Kompetenzzentrums Gesellschaftlicher Zusammenhalt und Interkultureller Dialog der HSS und Moderator des Abends, wies in seiner Begrüßung auf die schlechte Nachricht hin: Antisemitismus ist leider an der Tagesordnung, auf allen Seiten des politischen Spektrums ebenso wie in allen Bereichen der Gesellschaft.

Dr. Spaenle steht hinter dem Rednerpult und spricht entschlossen.

Der Antisemitismusbeauftrage der Bayerischen Staatsregierung, Dr. Ludwig Spaenle, sieht die Notwendigkeit, stärker gegen Antisemitismus vorzugehen. "Wir müssen etwas tun - und wir können etwas tun", so Spaenle.

I.Kalac; ©HSS; HSS

Etwas tun gegen Antisemitismus? Wir haben die Mittel

Dies erfährt auch der Bayerische Antisemitismusbeauftragte in seiner täglichen Arbeit – so etwa in zahlreichen judenfeindlichen Zusendungen, die ihn im Zusammenhang mit der Einigung zwischen den Opferfamilien des Olympia-Attentats 1972 und der deutschen Seite im vergangenen Jahr erreichten. Das Spannungsfeld lässt sich so auf den Punkt bringen: Angesichts des weitverbreiteten Judenhasses müssen wir gemeinsam gegen antisemitische Vorurteile vorgehen. Aber, so die positive Botschaft: Es gibt mittlerweile viele wirksame Mittel und Wege der Prävention – wir können also auch etwas tun.

Die Vorstellungen von insgesamt sechs Institutionen präsentierten an diesem Tag eine Fülle von Bildungsprojekten, Präventionsmaßnahmen und Einzelaktionen, mit denen gesellschaftlichen Gruppen angesprochen werden können. Für die Europäische Janusz Korczak Akademie (EJKA) stellten die Vorsitzende Dr. Eva Haller und Jonas Mages „YouthBridge“ von und mit migrantischen Jugendlichen und das Ausstellungsprojekt „Mit Davidstern und Lederhose – Jüdische G’schichtn on tour“ vor. Stephan Schwieren vom Landesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement Bayern e.V. (LBE) aus Nürnberg zeigte mit „Blickwechsel“ ein gelungenes Dialogformat zwischen jüdischen Gemeinden und interessierten nicht-jüdischen Bürgern.

Dr. Karin Schnebel, Gesellschaftswissenschaftliches Institut München für Zukunftsfragen e.V. Sie stellte unter anderem das Projekt „Antisemitismus – nein danke!“ vor.

Dr. Karin Schnebel, Gesellschaftswissenschaftliches Institut München für Zukunftsfragen e.V. Sie stellte unter anderem das Projekt „Antisemitismus – nein danke!“ vor.

I.Kalac; ©HSS; HSS

Antisemitismus – nein danke!

Das Gesellschaftswissenschaftliche Institut München hat im Rahmen des Wertebündnis Bayern 2020 das Projekt „Antisemitismus – nein danke!“ aus der Taufe gehoben – das Vernetzungstreffen ist einer von vielen Bausteinen dieses Projekts, das PD Dr. Karin Schnebel vorstellte. Nach der Pause, die der körperlichen Stärkung und institutionellen Vernetzung diente, erläuterte Nathalie Jacobsen vom Max Mannheimer Studienzentrum die ausgefeilten Workshops, die das Haus zu Verschwörungserzählungen anbietet. Das Projekt wendet sich an Jugendliche und junge Erwachsene und setzt dabei unter anderem auf quellenbasierte Dekonstruktion von Verschwörungsmythen in historischen Längsschnitten.

Dr. Gürcan Kökgiran von der Initiative MIND Prevention, die Ahmad und Beatrice Mansour 2017 gründeten, berichtete von Workshops zu muslimisch motiviertem Antisemitismus, die mit Einsatz kultursensibler dramaturgischer Theaterpädagogik v.a. junge Menschen mit Migrations-, Extremismus- und Gewalterfahrung anspricht – besonders erfolgreich deshalb, weil die Workshop-Leiter selbst viele dieser Erfahrungen teilen.

Die Damen und Herren lächeln in die Kamera. In der Mitte steht Dr. Spaenle.

v.l.n.r. Dr. Philipp Hildmann, HSS, Natalie Jacobsen vom MMSZ, Stephan Schwieren, LBE Nürnberg, PD Dr. Karin Schnebel vom Gesellschaftswissenschaftlichen Institut München, Dr. Eva Haller, Vorsitzende der EJKA, Jonas Mages, EJKA, Ursula Lay, Gesellschaftswissenschaftliches Institut München, Dr. Ludwig Spaenle, Antisemitismusbeauftragter der Bayerischen Staatsregierung, Dr. Gürcan Kökgiran von der Initiative MIND Prevention, Dr. Annette Seidel-Arpaci, RIAS Bayern und Max Schmidt, Vorsitzender Wertebündnis Bayern

I.Kalac; ©HSS; HSS

Abschließend berichtete Dr. Annette Seidel-Arpacı, Leiterin der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Bayern (RIAS Bayern) von den seit 2019 laufenden Aktivitäten zur Erfassung und Dokumentation antisemitischer Vorfälle, aber auch von einer Wanderausstellung, deren Erarbeitung begonnen hat und die sowohl über antisemitische Vorfälle informieren als auch die Arbeit von RIAS Bayern bekannter machen soll.

Die ausführlichen Vorstellungen ließen am Ende nur noch begrenzte zeitliche und physische Ressourcen zur vorgesehenen Diskussion über die Faktoren erfolgreicher Präventionsarbeit, mögliche Synergieeffekte oder Best Practice-Kriterien. Die Beiträge boten andererseits so viele unmittelbare Anknüpfungspunkte zur Zusammenarbeit, dass die Vernetzung, so das einhellige Votum, fortgeführt werden soll.