Folgen des Krieges in der Ukraine
Wie steht es um die Energieversorgung in Deutschland?
Etwa die Hälfte des in Deutschland erzeugten Stroms wird aus erneuerbaren Energiequellen gewonnen, doch die Erzeugung von beispielsweise Wind- und Solarenergie schwankt naturgemäß stark. Für die Versorgungssicherheit muss eine Mindestmenge an Strom im Netz eingespeist sein. Diese „Grundlast“ wird bislang durch Kohle-, Gas- und Atomkraftwerke gedeckt. Strom ist aber nur ein Sektor im Energiesystem. Im Verkehrsbereich ist Erdöl der wichtigste Energieträger, bei der Wärmeerzeugung sind es Öl und Gas. Auch die Industrie benötigt großen Mengen an Gas und Kohle. Um den Bedarf an fossilen Energien zu decken, ist Deutschland auf Energiepartnerschaften und Importe angewiesen.
Etwa die Hälfte des in Deutschland erzeugten Stroms wird aus erneuerbaren Energiequellen gewonnen. Die Photovoltaik ist in Bayern bei der Stromerzeugung zur zweitwichtigsten regenerativen Energiequelle nach der Wasserkraft geworden (mehr Zahlen: www.energieatlas.bayern.de)
Silke Franke
Problematische Importabhängigkeit von Energie
Etwa ein Drittel seiner Ölimporte bezieht Deutschland aus Russland, bei Erdgas und Kohle sogar mehr als die Hälfte. Bayern erhält sein Erdgas gar zu 90 Prozent aus Russland.
Energie-, Außen- und Sicherheitsexperte Dr. Frank Umbach, weist schon seit Jahren darauf hin, dass Russland zwar stets verlässlich geliefert hat, Deutschland sich in eine riskante Situation manövriert. Energiepolitik ist auch Geopolitik, das wird heute schmerzlich bewusst.
Im Zuge des Ukraine-Kriegs besteht die Gefahr, dass Energieträger als politische Waffe instrumentalisiert werden. Bei Kohle und Öl konnte Deutschland durch Vertragsumstellungen seine Abhängigkeit von Russland bereits reduzieren, hier lassen sich die Transportwege auch leichter umlenken - anders sieht es bei Erdgas aus.
Der „Bernrieder Kreis“, ein Expertengremium der Hanns-Seidel-Stiftung zur Energiewende, warnte in seiner Frühjahrssitzung daher: „Auf keinen Fall sollte man eine Kündigung von deutscher Seite aussprechen, denn dies schadet uns mehr als Russland.“ Nicht nur Deutschland, auch andere EU-Länder sind stark von russischem Gas abhängig. Aufgrund der in der EU geforderten Solidaritätsmechanismen sollte das Handeln in der EU eng abgestimmt werden.
Nach Meinung der Experten des Bernrieder Kreises lässt sich die bisherige Liefermenge aus Russland kurzfristig nicht vollständig ersetzen, v.a. in den Wintermonaten nicht. Alternativen werden deutlich teurer sein. Dabei waren die Preise für Erdgas bereits im Vorjahr stark gestiegen, da die internationale Nachfrage durch lange und kalte Winter in vielen Regionen und infolge steigender Konjunktur hoch, Angebot und Füllstände in den Netzen und Speichern jedoch niedrig waren. Spekuliert wird zudem darüber, inwiefern russische Gasproduzenten die Situation künstlich zugespitzt haben bzw. zuspitzen, indem sie ihr Angebot verknappen.
Die aktuellen deutschen Großhandelspreise für Gas-Lieferungen (für den Folgemonat) sind stark gestiegen, in nur einem Jahr um 315 Prozent (grüne Linie). Geht man bis 2020 zurück, liegen sie sogar 22-mal höher. Dies liegt auch an der höheren Abhängigkeit von russischem Gas, wie der Vergleich mit den Märkten für Flüssiggas in Asien (blaue Linie) und den USA (orange Linie) zeigt.
Ralf Wagner
Diversifizierung und Einsparung
Klar ist: Deutschland muss seine Quellen für den Energieimport diversifizieren und darf nicht mehr so abhängig von einem einzelnen Rohstofflieferanten sein. Welche Optionen stehen überhaupt zur Verfügung? Nach Einschätzung von Andreas Fischer vom Institut der deutschen Wirtschaft, fallen Erdgasproduzenten wie Norwegen oder Aserbaidschan kurzfristig wegen hoher Auslastung bzw. zu geringer Kapazität bei den benötigen Mengen nicht weiter ins Gewicht. Größere Potentiale liegen für ihn in der Möglichkeit der Flüssiggaslieferung (LNG) aus verschiedenen Teilen der Welt per Schiff, etwa aus den USA oder Katar. Abgesehen von den zum Teil umstrittenen Förderbedingungen in anderen Ländern muss hier bemerkt werden, dass für einen Bezug langfristige Lieferverträge ausgehandelt werden müssen – dabei sollte Erdgas nur als „Brückentechnologie“ eine Rolle spielen, das heißt in der Übergangsphase von fossilen zu erneuerbaren Energien.
Nominell jedenfalls ließen sich so 75 Prozent der russischen Importe nach Europa ersetzen, wenn man ausschließlich auf die noch verfügbaren europaweiten LNG-Terminalkapazitäten der letzten Jahre schaut. Neben dem verfügbaren Angebot fehlt es vor allem noch an der geeigneten Transport-Infrastruktur innerhalb Europas und hier liegt das Hauptproblem. Deutschland verfügt außerdem noch nicht über eigene LNG-Terminals und bis die Anlagen fertig gebaut sind, vergeht Zeit. Auch wenn der europäische Gasmarkt intensiv miteinander verwoben ist, ist zu berücksichtigen, dass die meisten Leitungsflüsse von Ost nach West ausgerichtet sind, die Leitungskapazitäten von West nach Ost hingegen sind gering.
Ein weiterer Faktor im Umgang mit einer Unterversorgung an Energie ist schließlich das Energiesparen. Die Möglichkeiten der Industrie, werden unterschiedlich eingeschätzt und sind insgesamt eher gering, außerdem muss mit umfangreichen Folgewirkungen gerechnet werden (Kaskadeneffekte). Auch wenn alle Einsparungen realisiert würden, wäre Nordwesteuropa in diesem Jahr 2022 ohne russische Lieferungen nicht vollständig versorgt, erläuterte Dr. Ralf Wagner, Lead Market Analyst im Energiekonzern Uniper.
Was bedeutet Sicherheit der Energieversorgung?
Das Energiewirtschaftsgesetz definiert für Deutschland und damit für Bayern eine Versorgungspflicht (§1 und §2 EnWG).
Der Landtagsabgeordnete Benjamin Miskowitsch, der als Gastredner im Bernrieder Kreis mitwirkte, erläuterte: „Auch das Bundesverfassungsgericht erkennt in seiner ständigen Rechtsprechung an, dass es ein Grundrecht auf Stromversorgung und eine warme Wohnung gibt“. Das Sozialstaatsprinzip verpflichte außerdem den Staat, für eine gerechte Sozialordnung zu sorgen „und das betrifft auch die Energieversorgung“, so Miskowitsch weiter. Bayern hat sich daher durchaus ehrgeizige Ziele gesetzt, um die Kapazitäten der Stromerzeugung und die noch in diesem Jahr erreicht werden sollen. Darüber hinaus soll die Versorgungssicherheit im Freistaat mit dem Bau von zusätzlichen Gaskraft- und Pumpspeicherkraftwerken gewährleistet werden.
„Energieversorgungssicherheit bedeutet, dass die Nachfrage nach Energie jederzeit gedeckt werden kann.“ (Bernd Miskowitsch)
Ausbau der Erneuerbaren Energien
Der "Bernrieder Kreis", der in diesem Jahr 2022 über die Energiewende diskutiert hat.
Silke Franke
Die Versorgungssicherheit aufrecht zu erhalten, bringt uns in eine prekäre Lage, in der erhebliche Mehrkosten, schmerzhafte Einsparungen und womöglich ein höherer CO2-Ausstoß in Kauf genommen werden müssen. Es gibt Stimmen, auch im Bernrieder Kreis, die dafür plädieren, in dieser besonderen Situation den Ausstieg aus der Kernenergie um wenige Jahre in die Zukunft zu verschieben.
„Die Bundesregierung räumt in der jetzigen Situation notgedrungen der Versorgungsicherheit Vorrang ein. Eine Konfliktsituation Klimaschutz versus Energieversorgungssicherheit gilt es zukünftig unbedingt zu vermeiden“. (Bernd Miskowitsch, MdL)
Eines steht aber zumindest fest: Der Ausbau der erneuerbaren Energien muss so rasch wie möglich umgesetzt werden.
Werfen wir einen Blick auf Bayern. Im Vergleich zum windreichen Norden sind wir ein „Sonnenland“. Solarenergie hat den Vorteil, dass sie an vielen Stellen nutzbar wäre – doch die vielfältigen Möglichkeiten und Standorte für Photovoltaik werden noch zu wenig ausgeschöpft. Da die Sonne nachts nicht und im Winter nur schwach scheint sollte - auch in Bayern – zusätzlich zur Solarenergie auch die Windkraft ausgebaut werden kommen. Bayern hat auch noch bei Wasserkraft, Biomasse bzw. Biomethan und Tiefen-Geothermie einen Spielraum, den es zu nutzen gilt.
Für Gunnar Braun, Verband Kommunaler Unternehmen, ist es wichtig, auch an Lösungen zu denken, die erst auf den zweiten Blick mit Energie zu tun haben. Auf allen wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Ebenen gelte es die die Initiative zu ergreifen, um einen Strukturwandel einzuleiten, der weg von steigendem (fossilen) Energieverbrauch führt. Als Beispiel nennt er das Projekt „Wasserschutzbrot“. Hier reduzieren Landwirte beim Weizenanbau den Einsatz von Stickstoffdünger. Somit sparen sie Energie und tragen zum Grundwasserschutz bei. In Zukunft wird es weitere solche Beispiele brauchen.
Weitere Ausführungen des Bernrieder Kreises finden Sie hier im „Eckpunktepapier 2022 zur Energieversorgungssicherheit in Bayern“.
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