„WIR! GEMEINSAM GEGEN HATESPEECH“, heißt unsere neue Online-Themenplattform, die einen interaktiven Assistenten im Umgang mit Verschwörungserzählungen, Hassrede und Fake News bietet.
Die Möglichkeiten sind grenzenlos: Politische Kommunikation, Bürgerbeteiligung auf Augenhöhe, freier Informationsaustausch – vom Gemeinderat bis zum Europaabgeordneten sollte sich keiner diesen Gestaltungsfreiraum in den Sozialen Medien nehmen lassen. Aber dort tobt eine laute radikale Minderheit, die durch die Mechanismen der Aufmerksamkeitsökonomie im Netz dem weit größeren, vernünftigen Rest vorgaukeln, sie hätten die Meinungsmacht. Die wenigen Lauten nutzen gezielt Beleidigungen, Häme und verbale Gewaltakte bis hin zum Mordaufruf, immer garniert mit digitalem Gebrüll in den Kommentarspalten, um die Vernünftigen zum Schweigen zu bringen. Wer einmal unvorbereitet einen Shitstorm über sich ergehen lassen musste, weiß, wie schwer es ist, nicht unter dem Onlinehass zu zerbrechen, einfach zu resignieren und zu verstummen. Unsere Demokratie lebt aber von der Meinungsvielfalt. Wir können es uns nicht leisten, auf die vernünftigen Stimmen zu verzichten.
Gerade Mandatsträger, Multiplikatoren und Personen des öffentlichen Lebens geraten schnell in den Fokus von Agitationsgruppen und hyperaktiven Usern, die sie mit Hass und Häme überziehen, weil sie für die Grundwerte unserer pluralistischen, freiheitlich demokratischen Grundordnung einstehen. Der Teufelskreislauf beginnt: Wo viel Hass gepostet wird, beginnt das Schweigen. Die schweigende Mehrheit trägt dann dazu bei, dass aggressive Gruppen noch größer und relevanter erscheinen. Lassen wir zu, dass gesellschaftlicher Diskurs mit Hass erfüllt ist, so wächst ein hasserfülltes und menschenverachtendes gesellschaftliches Klima. Der Übergang von Gewalt aus dem digitalen Raum in die analoge Wirklichkeit geschieht dann schleichend und, wie im Mord am hessischen Regierungspräsidenten Walter Lübcke gesehen, mit entsetzlichen Folgen.
Unser starker Rechtsstaat, eine tatkräftige Politik und die aufmerksame, empathische Zivilgesellschaft – wir alle müssen für ein vernünftiges Internet gemeinsam kämpfen: Das ist auch die ureigene Aufgabe der Hanns-Seidel-Stiftung und wir haben dafür ein ganzes Bündel an Maßnahmen auf den Weg gebracht:
Wir haben den „Kompass Wehrhafte Demokratie“ – eine umfangreiche Informationsbroschüre in innovativem Design – erarbeitet, gemeinsam mit einem interdisziplinären Expertenteam und unserem Kooperationspartner Reconquista Internet /Hassmelden.de. Er soll Wegweiser und Nothelfer für Kommunikation im Netz sein. Er will über die aktuellen Bedrohungsphänomene aufklären, für präventive Maßnahmen sensibilisieren und konkrete Hilfe vermitteln. Mit dem Kompass wollen wir alle gegen Shitstorms und Online-Anfeindungen wappnen, die im Netz unterwegs sind, seien es Privatpersonen oder solche, die in der Öffentlichkeit stehen und (politische) Verantwortung tragen.
Was ist eine Beleidigung, was ist eine Bedrohung und wohin kann ich mich wenden, wenn ich im Shitstorm stehe? Anhand von Praxisbeispielen aus dem Archiv von Reconquista Internet/Hassmelden.de kann das richtige Verhalten schon vor dem/oder gerade beim akuten Bedrohungsfall eingeübt werden. Mit wenigen Klicks können User dort einen Überblick gewinnen, wie man auf unbürokratischem Wege, Hass und Hetze nicht nur bei den zuständigen Strafverfolgungsbehörden, sondern auch bei Plattformbetreibern melden kann. Außerdem finden sich auf der Themenplattform als „Wissen Kompakt“ die Inhalte des „Kompass Wehrhafte Demokratie“ in digitaler Form mit umfangreichen Linksammlungen.
Was ist Spoofing? Wie und warum hackt jemand meinen Social-Media-Account? Welchen besonders perfiden Arten von virtuellem Hass sind Frauen ausgesetzt und warum? Wie wirken sich Verschwörungsnarrative auf meine politische Kommunikation aus? Der Informationsbedarf ist gerade bei Mandatsträgern hoch, die nicht auf ein professionelles Social-Media- und Krisenkommunikationsteam zurückgreifen können, um richtig auf Hass und Hetze im Netz reagieren zu können. Deshalb bieten wir ab 22. Oktober 2020 fünf Wochen lang jeden Donnerstag ab 18.00 Uhr ein praktisches Web-Seminar speziell für politische Entscheider an, das neben Hintergrundinformationen auch notwendige Skills in Krisenkommunikationsmethoden vermittelt.
„Angriffe auf Kommunalpolitiker sind Angriffe auf unsere Demokratie. Wir lassen Opfer von Hass und Hetze nicht allein!“, stellt der Bayerische Innenminister Joachim Herrmann, MdL, bei der Vorstellung des Portals in der Hanns-Seidel-Stiftung klar. Auch mit Experten aus der Bayerischen Informationsstelle gegen Extremismus hat die HSS den Kompass Wehrhafte Demokratie“ entwickelt. Bei der Vorstellungsveranstaltung führt Herrmann weiter aus: „Jeder, der sich im Netz bedroht fühlt, erhält jederzeit die volle Unterstützung der bayerischen Sicherheitsbehörden“.
Wie genau sich digitale Gewalt auf die Betroffenen auswirkt und welche Folgen das auf den politischen Meinungsbildungsprozess haben kann, erörtern wir gemeinsam am 23. November 2020 mit dem Bayerischen Justizminister Georg Eisenreich, MdL, dem Landesvorsitzenden der Kommunalpolitischen Vereinigung, Landrat Stefan Rößle, Christian Bernreiter, Präsident des bayerischen Landkreistages, Kommunalpolitikern und ausgewiesenen. Krisenkommunikationsexperten und Kommunikationspsychologen. Auch diese Veranstaltung werden wir Ihnen auf hss.de im Nachgang zur Verfügung stellen.
Die Hanns-Seidel-Stiftung zeigt damit klare Kante gegen Hass und Hetze im Netz, gegen die Verrohung unserer Debattenkultur und hilft in einer breiten Allianz von Zivilgesellschaft und Politik, dem grassierenden Problem des digitalen Hasses innovative und wirksame Lösungen entgegen zu setzen. Nur gemeinsam können wir das Internet und die sozialen Medien wieder zu einem Ort machen, der Begegnungen und ehrliche, gleichberechtigte Kommunikation auf Augenhöhe und vorurteilsfreien Ideenaustausch ermöglicht.
Autor: Maximilian Rückert, HSS