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100 Tage Bundeskanzler Friedrich Merz
Die Richtung stimmt, jetzt muss geliefert werden

Autorin/Autor: Dr. Alexander Wolf

Deutschland agiert wieder selbstbewusst, der Kanzler zeigt Kontur: Es geht vorwärts, bilanziert Alexander Wolf, HSS-Büroleiter in Berlin.

Seit 100 Tagen im Amt: Bundeskanzler Dr. Friedrich Merz

Tobias Koch

Erst im zweiten Wahlgang wurde Friedrich Merz am 6. Mai 2025 zum Bundeskanzler gewählt – ein ungewöhnlicher Auftakt, der zügig in eine arbeitsfähige Regierung mündete. Der verfehlte erste Wahlgang bleibt ein Makel der ersten Tage; erst im zweiten stand die Mehrheit. Tempo, klare Agenda und frühe internationale Präsenz sprechen insgesamt für einen gelungenen Start.

Andere Akzente in Außen- und Europapolitik

In Paris wurde der deutsch-französische Motor hörbar auf Touren gebracht: unter anderem die Stärkung des deutsch-französischen Verteidigungsrats soll mehr Handlungsfähigkeit in Europas sicherheitspolitischem Kern sichern. Parallel setzte die Regierung früh auf das Weimar-Dreieck mit Frankreich und Polen als strategische Achse. Beides markiert spürbar andere Akzente gegenüber der Vorgängerzeit.

Mit einer Grundgesetzänderung wurden Teile der Verteidigungsausgaben von der Schuldenbremse ausgenommen; ein umfangreiches Modernisierungs- und Infrastrukturpaket folgte. Berlin koppelt damit außen- und europapolitische Ambitionen an solide Finanzierung.

Deutschland agiert wieder selbstbewusst

Aktive Chefdiplomatie – vom engen Schulterschluss in der EU bis zur Positionierung gegenüber Washington und Moskau – hat die deutsche Stimme hörbarer gemacht. Hinweise zum geplanten US-Russland-Gipfel und die Forderung, die Ukraine einzubinden, unterstreichen den Anspruch, Entscheidungen nicht über Europas Köpfe hinweg geschehen zu lassen. Deutschland agiert wieder selbstbewusst auf Augenhöhe.

Realpolitik als Leitlinie

Der Kurs ist deutlich realpolitisch: Wehr- und Bündnisfähigkeit, industrielle Stärke, Infrastruktur und europäische Verteidigungskapazitäten werden pragmatisch verknüpft – das zeigen schnelle Beschaffung und Investitionen. Die Unterstützung der Ukraine bleibt zentrale Konstante.

Bekämpfung von Schleusung

Auch in der Migrationspolitik ist ein klarer Akzent sichtbar. Die Leitidee lautet: steuern, ordnen, begrenzen – im europäischen Rahmen.
Temporäre Kontrollen an ausgewählten Binnengrenzen werden fortgeführt, Rückweisungen werden konsequenter durchgeführt, dort, wo sie unions- und völkerrechtlich zulässig sind. Getragen und koordiniert wird dieser Kurs maßgeblich von Bundesinnenminister Alexander Dobrindt. Heißt: fokussierte Grenzkontrollen, klare Weisungen an die Bundespolizei, schnelle Rückführungen und engere Zusammenarbeit mit Ländern und Kommunen. Klar erkennbar ist eine striktere Bekämpfung von Schleusung, schnellere und rechtssichere Verfahren, konsequente Rückführung bei fehlender Bleibeperspektive – verbunden mit verlässlichen Integrationsangeboten für Anerkannte. Der Ansatz bleibt bewusst nüchtern: weniger Symbolik, mehr wirksame Steuerung in europäischer Einbettung (Außengrenzschutz, Gemeinsame Europäische Asylsysteme, kurz GEAS) und mit Augenmerk auf Rechtsstaatlichkeit.

Kanzler zeigt Kontur

Merz setzt in der Kommunikation auf Prägnanz und Unmittelbarkeit. Die stiftet Orientierung, birgt auch Reibungspotenzial. Er sprach schon vor seinem Amtsantritt Klartext; nach der Übernahme gab es vereinzelt Verstimmungen in Partnerparteien und Öffentlichkeit. Insgesamt ist der Kanzler einer, der Führung beansprucht und Kontur zeigt, er ist bestimmt in der Sache, taktvoll im Ton und ohne den Ehrgeiz, jede Kante glattzupolieren.

Kritik an israelischer Kriegsführung

Bei fortbestehender Solidarität mit Israels Existenz- und Selbstverteidigungsrecht wurde der Ton nachjustiert. Kritische Anmerkungen zur Kriegsführung und der gezielte Umgang mit Rüstungsexporten signalisieren, historische Verantwortung, humanitäre Maßstäbe und europäische Einbettung auszubalancieren. Innenpolitisch umstritten, von den Regierungspartnern getragen. Das Ergebnis: eine nüchterne, realpolitische Linie, die Prinzipientreue und Bündnisfähigkeit austariert.

Neue Routinen, viel Reibung

Die vertagte Richterwahl für Karlsruhe deutete auf Abstimmungsprobleme in Koalition und Fraktion. Hinzu kommen weitreichende personelle Veränderungen in Kanzleramt und Ministerien, neue Routinen müssen sich erst einspielen. Klar, dass das alles viel Reibung erzeugt.

Fazit

Die Bilanz nach 100 Tagen: ein gelungener Start mit Lernkurve. Außen- und Europapolitik sind neu akzentuiert, Deutschland tritt strukturierter und selbstbewusster auf. Die Migrationspolitik ist realistisch nachgeschärft – mit dem Anspruch, Humanität und Ordnung zu verbinden.
Der Stil ist klar, gelegentlich kantig, doch er vermittelt Führung und setzt Prioritäten.
Die nächste Etappe entscheidet sich im Maschinenraum: Parlaments- und Kabinettsarbeit weiter professionalisieren, finanz-, sicherheits- und europapolitische Vorhaben spürbar und konkret verbessern sowie die Migration steuern und sie rechtssicher und wirkungsstark verankern. Anders gesagt: Die Richtung stimmt, jetzt muss geliefert werden.

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