Vierter Advent: Ankunft Jesu mitten unter uns
Gottes Geschenk im Alltag
"Wahre Liebe und Leidenschaft schaut nicht darauf, wie viel sie gibt und empfängt – da ist kein Tausch, kein Handel, sondern echtes Gefühl, die Lust zu schenken", sagt unsere Autorin Susanne Breit-Keßler.
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Denn also hat Gott die Welt geliebt, sagt der Evangelist Johannes, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben. . . das ewige Leben haben. Ein großes Geschenk: Sich selbst zu geben. Wer wirklich liebt, der gibt alles, gibt sich hin, verschenkt, verströmt sich. Wahre Liebe und Leidenschaft schaut nicht darauf, wie viel sie gibt und empfängt – da ist kein Tausch, kein Handel, sondern echtes Gefühl, die Lust zu schenken.
Was für eine himmlische Menschlichkeit! Welche Tiefe des Daseins, was für ein Gefühl! Wer sich verschenkt, hingibt, der rechnet nicht auf. Der will Liebe geben und freut sich über eine Antwort, sehnt sich vielleicht danach, nach einer Antwort, die erahnen lässt, was die eigene Hingabe für den anderen bedeutet. Ob Gott sich sehnt nach unserer Antwort? Gewiss sehnt er sich zu allen Zeiten nach seinen Menschen, möchte ihnen nahe, hautnah sein.
Gott sucht Nähe
Wie kann ich leben ohne dich?, sagt man in Augenblicken der Leidenschaft. Kann Gott leben ohne uns? Auf jeden Fall will der Mensch gewordene Gott nicht ohne uns leben. Aus freien Stücken gibt er sich hin. Auch wenn er ohne uns sein kann, will er Gott nur mit uns sein. Das ist wahre Liebe: Für sich sein zu können, aber die Nähe, das Miteinander mit anderen zu suchen. Der Gott, dessen Geburt wir feiern, dreht sich nicht selbstverliebt um sich.
Seine Liebe ist Bewegung hin zu anderen. Gott macht ernst mit unserem Leben. Wer sind wir? Strapaziert, geplagt, besorgt – fröhlich, zufrieden – skeptisch, fragend, misstrauisch, voll tiefer Sehnsucht nach Leben, nach Hoffnung. Heraus damit: Vor Gott gebracht, was uns umtreibt. Ausgelebt, was an Gutem, Hingebungsvollem in uns steckt! Wir stehen an seiner Krippe, wie es Paul Gerhardt nach dem Dreißigjährigen Krieg gedichtet hat.
„Ich steh an deiner Krippen hier, / o Jesu, du mein Leben; / ich komme, bring und schenke dir, / was du mir hast gegeben. / Nimm hin, es ist mein Geist / und Sinn, Herz, Seel und Mut / nimm alles hin / und laß dir’s wohlgefallen.“ Glaube oder Unglaube sind nichts, was wir zu erbringen hätten, kein Versagen, auch keine Seelen- und Gemütsverfassungen. Unser Glaube, groß, stark, schwach, kaum vorhanden, er zeigt sich in verantwortlichen Taten.
In der Begegnung mit dem göttlichen Kind tritt zutage, was der Mensch immer schon war – und: Was er bei Gott sein kann. Das entscheidet sich heute, morgen und übermorgen wieder neu. Durch die Begegnung mit Gott, der Mensch geworden ist, wird unsere Vergangenheit und Gegenwart in Frage gestellt. Wie gehen wir um mit allem, womit wir begnadet sind, mit unseren ganz individuellen Fähigkeiten . . .
Was treibt uns bei dem, was wir denken, sagen und tun . . . Ist es Liebe? Haben wir ein Herz für uns selbst, für unsere Bedürfnisse und dann auch für andere, die sich nach unserer Nähe, unserer Begleitung und Hilfe sehnen . . . Es ist richtig, sich zu beschenken – mit großen oder kleinen Präsenten, mit einem zauberhaften Lächeln, einer zärtlichen Umarmung, mit einem freundlichen Satz oder einem Versprechen für die nächsten Tage.
Was auch immer es ist: Kommt es von Herzen, ist es ein Teil dessen, der es uns widmet, dann ist das allerkleinste Geschenk ein Abbild, ein Sinnbild des Geschenkes, das Gott uns macht und das wir füreinander sein können. So hat Gott die Welt geliebt – dass all unsere Sinne tanzen lernen und wir in bösen Tagen und in guten Zeiten darauf vertrauen, dass wir leben dürfen. In Ewigkeit.
Kontakt
Stellvertretende Vorsitzende der Hanns-Seidel-Stiftung