NET@WORK-Veranstaltung des Wilfried Martens Centre for European Studies
Sparen war gestern
Hohe Ersparnisse treffen in Deutschland auf zu geringe Investitionen. Die geplante Spar- und Investitionsunion der EU will dieses Ungleichgewicht auflösen.
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Hohe Ersparnisse treffen auf zu geringe Investitionen – besonders in Deutschland. Die geplante Spar- und Investitionsunion der EU will dieses Ungleichgewicht auflösen. Die Analysen von Enrico Letta und Mario Draghi zur Zukunft des europäischen Binnenmarkts und zur Zukunft der Wettbewerbsfähigkeit unterstreichen die Dringlichkeit umfassender Reformen der europäischen Finanz- und Wirtschaftspolitik. In diesem Kontext rückt der neue Kommissionsvorschlag einer Spar- und Investitionsunion (SIU) ins Zentrum der wirtschaftspolitischen Debatte – ein Konzept, das darauf abzielt, die umfangreichen privaten Rücklagen in produktive Kapitalanlagen zu wandeln. Die SIU soll dabei nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit der EU stärken, sondern auch den Bürgern attraktivere Anlagemöglichkeiten eröffnen. Besonders kleinen und mittleren Unternehmen sowie Start-ups könnte ein besserer Kapitalzugang helfen, zu wachsen und Innovationen voranzutreiben. Damit wird die SIU zu einem wichtigen Baustein für eine zukunftsfähige europäische Wirtschaft.
v.li.: Moderator, Dr. Eoin Drea (Martens Centre), Markus Ferber, MdEP, Paulo Núncio, Fraktionsvorsitzender der CDS-PP im portugiesischen Parlament
Warum eine Spar- und Investitionsunion wichtig für Deutschland und Europa ist
Europa leidet unter einem Ungleichgewicht: Hohe Ersparnisse treffen auf ein chronisches Investitionsdefizit – besonders deutlich ist dies in Deutschland zu sehen. Der Vorsitzende der HSS und CSU-Wirtschafts- und Finanzexperte, Markus Ferber, MdEP, betont: „Es geht uns nicht darum, den Menschen die Ersparnisse wegzunehmen. Wir wollen sie ermutigen, nach besseren Renditen zu suchen, als sie traditionelle Sparsysteme bieten.“ Ziel der SIU ist es laut Ferber, den Übergang vom passiven Sparen zum aktiven Investieren zu erleichtern – idealerweise auf eine Weise, die langfristige europäische Prioritäten wie Infrastruktur, Digitalisierung oder den grünen Wandel unterstützt. „Wenn wir Geld auf Anlagekonten statt auf Sparkonten legen, können wir enormes wirtschaftliches Potenzial freisetzen“, fügte er hinzu und betonte die Notwendigkeit maßgeschneiderter Instrumente auf EU-Ebene, um diesen Wandel zu unterstützen.
Aus Sicht des Fraktionsvorsitzenden der CDS-PP im portugiesischen Parlament, Paulo Núncio, ist das Kernproblem nicht der Kapitalmangel, sondern dessen Verwendung. „Der enorme Zufluss europäischer Ersparnisse in US-Finanzanlagen ist ein Beweis dafür, dass das Geld da ist – es fließt nur nicht nach Europa“, erklärte er. Er wiederholte die Warnung des ehemaligen EZB-Präsidenten Mario Draghi, dass die Finanzfragmentierung ein großes Investitionshemmnis darstelle. „Ein echter, tragfähiger europäischer Investmentmarkt erfordert die Mobilisierung privater Ersparnisse in europäische Finanzanlagen.“
"Wir wollen die Menschen ermutigen, nach besseren Renditen zu suchen, als sie traditionelle Sparsysteme bieten", sagte HSS-Vorsitzender Markus Ferber, MdEP, bei einer Diskussion zum Thema „Financing Freedom: Can A Savings and Investment Union unlock Europe's Wealth?“ am Randes des EVP-Kongresses in Valencia/Spanien.
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Wie können Privatanleger zu Investitionen ermutigt werden?
Ferber fordert ein grundlegendes Umdenken bei den bestehenden Regularien für Privatanleger. Derzeit seien diese häufig so ausgestaltet, dass sie Investoren eher abschrecken als motivieren. „Es scheint, als wolle man den Kleinanleger vor sich selbst schützen“, kritisierte er. „Doch wenn wir eine investitionsfreudige Bevölkerung wollen, müssen wir genau diesen Ansatz überdenken.“ Statt Abschreckung durch übermäßige Bürokratie und Dokumentationspflichten plädierte er für einen aktiveren Beitrag des Staates zur Risikoteilung – etwa durch gezielte Absicherung öffentlicher Großprojekte in Bereichen wie Energie, Digitalisierung oder Infrastruktur. So könnten Privatinvestoren zuversichtlicher investieren, ohne überfordert zu werden.
Ausblick
Trotz der aktuellen Herausforderungen äußerte sich Ferber optimistisch. Er verwies auf den erneuerten politischen Willen in Europa, den Binnenmarkt zu vertiefen und die Investitionsströme zu erhöhen. „Deutschland hat drei Jahre Stagnation erlebt“, sagte er. „Aber jetzt haben wir in ganz Europa engagierte Führungspersönlichkeiten, und wenn Deutschland wieder Fahrt aufnimmt, wird das positive Auswirkungen auf den gesamten Kontinent haben.“ Die Vision der Spar- und Investitionsunion sei nicht nur wirtschaftlicher, sondern auch strategischer Natur. In einer immer mehr fragmentierten Welt ist ein starker und integrierter europäischer Binnen- und Finanzmarkt die beste Grundlage für Widerstandsfähigkeit, Wettbewerbsfähigkeit und Autonomie.
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