80 Jahre Gedenken an den 20. Juli 1944
Stauffenberg und das Attentat auf Hitler
Widerstand in dunklen Zeiten: Ehrenmal im Innenhof des Bendlerblocks. Die Bronzefigur mit gebundenen Händen steht symbolisch für die Beteiligten des 20. Juli 1944. Auf der Bronzetafel davor steht: "IHR TRUGT / DIE SCHANDE NICHT / IHR WEHRTET EUCH / IHR GABT / DAS GROSSE / EWIG WACHE / ZEICHEN DER UMKEHR / OPFERND / EUER HEISSES LEBEN / FÜR FREIHEIT / RECHT UND EHRE"
Stefan Zeitz; ©HSS; Imago
Kann die soldatische Ehre von einem Eid entbinden? Für Claus Schenk Graf von Stauffenberg war das keine einfache Frage. Am Ende sollte sie der Offizier aus dem schwäbischen Jettingen kompromisslos mit Ja beantworten. Der Gedanke, „als Generalstäbler mitverantwortlich“ an den Verbrechen des Dritten Reiches zu sein, war ihm unerträglich.
Kein Nationalsozialismus ohne Verbrechen
Dabei war Stauffenberg dem Nationalsozialismus gegenüber lange Zeit ambivalent eingestellt. So begrüßte er als 25jähriger Soldat die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler und teilte auch zentrale Ziele des neuen Regimes – etwa die Stärkung des Heeres oder die Vereinigung aller Deutschen. Zugleich empfand der Aristokrat die Methoden der neuen Machthaber jedoch als zu extrem und zu rüde. Im Laufe des Krieges erkannte Stauffenberg schließlich, dass es einen Nationalsozialismus ohne Verbrechen nicht geben kann. Die Massenmorde an Juden, Kriegsgefangenen und der Bevölkerung in den besetzten Gebieten erschütterten ihn. Hinzu kam die sinnlose Opferung hunderttausender Soldaten in und um Stalingrad. Im Frühjahr 1942 formulierte Stauffenberg erstmals in vollkommener Klarheit die Lösung im Fall Hitler: „Sie heißt töten.“
Die Bombe in der Aktentasche
Der junge Offizier suchte nun Anschluss an den militärischen Widerstand und avancierte schnell zu dessen Schlüsselfigur. Dass er sodann Mitte Mai 1944 zum Befehlshaber des Ersatzheeres versetzt wurde, war ein Glücksfall: Es verschaffte ihm direkten Zugang zum „Führer“. Kaum zwei Monate später, bei einer Lagebesprechung am 20. Juli 1944 im Führerhauptquartier Wolfschanze, wollte Stauffenberg Hitler nach mehreren missglückten Attentatsversuchen selbst beseitigen. Unter enormem Zeitdruck präparierte er vor Ort eine Bombe, die er in seine Aktentasche packte. Im Besprechungsraum angekommen, ließ er sich sodann unter dem Vorwand einer verwundungsbedingten Schwerhörigkeit neben Hitler platzieren. Kaum, dass er seine Aktentasche abgestellt hatte, verließ Stauffenberg die Lagerbaracke wieder. Kurz darauf detonierte die Bombe. Der Verschwörer und seinem Adjutanten gelang es gerade noch, die „Wolfsschanze“ mit dem Auto zu verlassen und einen Flieger in Richtung Berlin zu besteigen.
„Wir haben diese Tat auf uns genommen, um Deutschland vor einem namenlosen Elend zu bewahren. Ich bin mir klar, dass ich daraufhin gehängt werde, bereue meine Tat aber nicht und hoffe, dass sie ein Anderer in einem glücklicheren Augenblick durchführen wird.“
Fritz-Dietlof Graf von der Schulenburg, Mitverschwörer, 1944 vor dem Volksgerichtshof
Die Gedenktafel an der "Wolfsschanze" in Gierloz (Görlitz) bei Rastenburg (Polen), dem Hauptquartier von Adolf Hitler, erinnert an das missglückte Attentat vom 20. Juli 1944. Dort steht: „Hier stand die Baracke, in der am 20. Juli 1944 Claus Schenk Graf von Stauffenberg ein Attentat auf Adolf Hitler unternahm. Er und viele andere, die sich gegen die nationalsozialistische Diktatur erhoben hatten, bezahlten mit ihrem Leben.“
Janusz Lipiński; ©HSS; stock.adobe.com
Währenddessen hätten Stauffenbergs Mitverschwörer im Allgemeinen Heeresamt, dem sogenannten Bendlerblock, das „Unternehmen Walküre“ auslösen müssen. Dies war der Deckname für eine Militäroperation, die eigentlich dafür gedacht war, im Krisenfall alle Ersatz- und Ausbildungstruppen in den Garnisonen sowie die 300.000 Soldaten auf Heimurlaub innerhalb weniger Stunden einsatzbereit zu machen. Die Verschwörer wollten dieses Truppenpotenzial nutzen, um strategisch wichtige Einrichtungen im ganzen Reich besetzen und hohe NS-Führer verhaften zu lassen.
Zögerliche Umsetzung des Unternehmens Walküre
Doch bereits kurz nach dem Attentat erfuhren die Mitverschwörer von Hitlers Überleben. Sie zögerten daher und entschlossen sich erst, das Unternehmen Walküre anlaufen zu lassen, als Stauffenberg in Berlin gelandet war und darauf beharrte, dass der Diktator tot sei. Nun jedoch hemmte der Mangel an Fernschreibern die schnelle Verbreitung des Befehls. Als der Versand gegen 18 Uhr endlich richtig in die Gänge kam, war das Überraschungsmoment bereits verloren: Zeitgleich verbreitete sich über den Rundfunk die Nachricht, Hitler sei am Leben. Wenig später wurden die sich ohnehin abwartend verhaltenden militärischen Dienststellen darüber offiziell in Kenntnis gesetzt.
Im Bendlerblock kippte nun die Stimmung. Nach einem Schusswechsel verhafteten regimetreue Offiziere die Verschwörer. Vier von ihnen wurden noch in der Nacht des 20. Juli standrechtlich erschossen. Unter ihnen Claus Schenk Graf von Stauffenberg. „Es lebe das geheiligte Deutschland“, rief er noch. Dann traf ihn die tödliche Kugel. Ihm folgten mehr als 100 weitere Beteiligte, darunter drei Generalfeldmarschälle, 19 Generäle, ein Minister, der Chef des Reichskriminalpolizeiamtes und mehrere Polizeipräsidenten, die nach Folter und Schauprozessen vor dem Volksgerichtshof unter seinem berüchtigten Präsidenten Roland Freisler verurteilt und hingerichtet wurden. Hunderte weitere Beteiligte wurden verhaftet, Familienmitglieder kamen in Sippenhaft. Wenige konnten fliehen oder sich wie die andere Hauptfigur des Widerstandes, Generalmajor Henning von Tresckow, durch Selbstmord den Häschern entziehen. Insgesamt waren das also weit mehr Personen als die im NS-Rundfunk geschmähte „ganz kleine Clique ehrgeiziger, gewissenloser und zugleich unvernünftiger, verbrecherisch-dummer Offiziere“.
Was bleibt
Die Bedeutung dieses Attentates beschrieb einerseits der Mitverschwörer und spätere Bundesverfassungsrichter Fabian von Schlabrendorff mit den Worten von Henning von Treskow: „Wenn einst Gott Abraham verheißen hat, er werde Sodom nicht verderben, wenn auch nur zehn Gerechte darin seien, so hoffe ich, daß Gott Deutschland um unseretwillen nicht vernichten wird.“ Der „Walküre“-Plan zeigte der Welt ein anderes Deutschland und dass nicht alle Deutschen dem NS-Massenmord tatenlos zusahen – auch wenn die Motive und Absichten der Verschwörer durchaus unterschiedlich waren. Das Verhalten der Soldaten lehrte als „Aufstand des Gewissens“ die nachfolgenden Generationen außerdem, dass es höhere Normen und Verpflichtungen als den Gehorsam gibt, der den Deutschen so lieb gewesen war. Und schließlich hätte das Attentat, wäre es geglückt, viele Menschen in den KZs, an den Fronten und im Zivilen gerettet: Nach dem 20. Juli 1944 bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs im Mai 1945 starben fast ebenso viele Menschen wie in den fünf Kriegsjahren zuvor.
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