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Wir brauchen die USA
"America first" und die Entwicklungszusammenarbeit

Die transatlantische Partnerschaft und die internationalen Herausforderungen des Westens fest im Blick hatte Staatssekretär Thomas Silberhorn bei seinen Gesprächen in Washington. Er verdeutlichte die Rolle Deutschlands in der Entwicklungszusammenarbeit und appellierte an die USA, ihrer internationalen Verantwortung und Führungsrolle gerecht zu werden.

Trotz seines dichten Terminkalenders im Rahmen der Frühjahrstagung von Weltbank und IWF (Internationaler Währungsfonds) hielt Thomas Silberhorn, Parlamentarischer Staatssekretär im BMZ, bei der Hanns-Seidel-Stiftung in Washington einen Vortrag über transatlantische Partnerschaft und internationale Entwicklungszusammenarbeit. Zahlreiche einflussreiche Akteure der Washingtoner Politikszene waren der Einladung zum Meinungsaustausch gefolgt, darunter Michael Chertoff, Secretary for Homeland Security 2005-2009, Toby Roth, langjähriger Kongress-Abgeordneter aus Wisconsin, und die renommierte Russland-Expertin Angela Stent.

Thomas Silberhorn auf der Frühjahrstagung der Weltbank 2017

Thomas Silberhorn auf der Frühjahrstagung der Weltbank 2017

HSS

Leitlinien der US-Entwicklungspolitik: Frauenförderung, Krisenprävention, Schwellenländer

Stichwort Migration: Der Bürgerkrieg in Syrien habe zu einer Fluchtwelle geführt, die vor allem von den angrenzenden Ländern Libanon, Jordanien und Türkei zu bewältigen sei. Zudem lasse die demografische Entwicklung in Afrika mit rasant steigenden Bevölkerungszahlen und damit nicht Schritt haltendem wirtschaftlichen Wachstum einen anhaltenden Migrationsdruck nach Europa erwarten. Afrika ist ein Nachbar Europas, so Silberhorn. Die Stabilität in Europa hänge auch von der Lage in Afrika ab. Nicht nur die deutsche Politik, sondern auch deutsche Unternehmen, die bislang noch kaum in Afrika präsent sind, müssten sich diesem Kontinent stärker zuwenden. Die Herausforderung, Perspektiven für Entwicklungsländer zu verbessern, sei aber von Europa nicht alleine zu stemmen. Daher lenkte Thomas Silberhorn den Blick auch auf die amerikanische Entwicklungspolitik und brachte seine Sorge über angekündigte Kürzungen der USA aus der Entwicklungszusammenarbeit zum Ausdruck. Die neue US-Administration wolle sich auf Schwerpunkte zu konzentrieren und die Effektivität der Programme zu erhöhen. Als prioritäre Aktionsfelder nannte Silberhorn die politische und wirtschaftliche Förderung von Frauen, die Stärkung fragiler Staatsstrukturen in Konfliktregionen und die Begleitung positiver Entwicklungstendenzen beim Übergang unterentwickelter Länder zu Schwellenländern. Im Lichte dieser US-Prioritäten müsse man auch die angekündigten Kürzungen in der US-Entwicklungshilfe richtig einordnen. Er erwarte, dass die USA auch weiterhin international engagiert blieben, zumal es nicht ausgeschlossen sei, dass sich unter Donald Trump eine Entwicklung wie unter George W. Bush wiederhole. Die gekürzten Mittel für internationale Organisationen wurden damals großteils umgewidmet in mehr Gelder für die nationale Entwicklungsagentur USAID. Weniger multilateral müsse also keineswegs weniger international bedeuten.

Thomas Silberhorn auf der Frühjahrstagung der Weltbank 2017

Thomas Silberhorn auf der Frühjahrstagung der Weltbank 2017

HSS

Flexible EU-Integration

Insgesamt dürfte sich die US-Außen- und Sicherheitspolitik in der nächsten Zeit wieder stärker in Richtung konventioneller Denkmuster bewegen und bewährte Institutionen wie die NATO und die EU nicht länger in Frage stellen, so die Meinung maßgeblicher politischer Experten in Washington. Auch im Verhältnis zu Russland dominiert auf beiden Seiten des Atlantiks die Aufassung, dass die aggressive russische Außenpolitik eine Bedrohung für die europäische Sicherheit ist. Der Kreml gibt keinen Anlass, dass der Westen den Re-Set-Knopf drückt und die Sanktionen lockert. Während die EU eine Partnerschaft unter Gleichen ist, basiert die Eurasische Wirtschaftsunion auf einem russischen Hegemoniedenken, ohne die Interessen der anderen Länder ausreichend zu berücksichtigen. Demgegenüber dürfe man die europäische Integration aber nicht schön reden: Die EU sei nicht flexibel genug in ihren Integrationsmodellen und nehme zu wenig Rücksicht auf nationale Unterschiedlichkeiten, Besonderheiten und Befindlichkeiten. Dem Anspruch, dass Europa schlank im Inneren und stark nach außen sein müsse, werde die europäische Praxis nicht gerecht. Einer europäischen Armee erteilte Thomas Silberhorn jedoch eine deutliche Absage. Deutschland sei grundsätzlich bereit Führungsaufgaben in Europa zu übernehmen. Das gehe aber nicht im Alleingang, sondern nur mit Partnerstaaten wie Frankreich, Italien oder Polen. Im Umgang mit Großbritannien sei jetzt Sensibilität gefragt. Man dürfe das Vereinigte Königreich nicht bestrafen, sondern müsse das künftige Verhältnis auf Vertrauen und kooperation gründen.

Thomas Silberhorn auf der Frühjahrstagung der Weltbank 2017

Thomas Silberhorn auf der Frühjahrstagung der Weltbank 2017

HSS

TTIP, 2%-Ziel und Leistungsbilanzdefizit

In der offenen Aussprache sparte Staatssekretär Silberhorn auch kritische Punkte der transatlantischen Partnerschaft nicht aus. Die Verhandlungen über das Handelsabkommen TTIP seien auf europäischer Seite nicht frei von anti-amerikanischen Einstellungen. Bei den Gesprächen gelte es, die südliche Dimension mitzudenken und in die Handelsbeziehungen auch Lateinamerika und Afrika frühzeitig miteinzubinden. Das amerikanische Leistungsbilanzdefizit mit Deutschland spiegle zwar die Stärke der deutschen Wirtschaft wieder, offenbare aber auch, dass man in Deutschland zu sehr den Export im Auge habe und darüber Investitionen vernachlässige. Gemeinsame Handlungsfelder in den transatlantischen Beziehungen gebe es also genug. Fazit:    

  • Die transatlantische Partnerschaft hält auch offene Worte aus. Nur das direkte Gespräch mit Vertretern der neuen Administration räumt die Vorbehalte aus, dass sich die USA international auf dem Rückzug befänden, Führungsschwäche zeigten und ein Neo-Isolationismus Überhand gewinne. Mittelfristig dürften sich Mainstream-Positionen auf der US-Seite durchsetzen.

  • Es gibt klar definierte Ziele in der US-Entwicklungspolitik. Doch bei deren Umsetzung bevorzugt Washington nicht den multilateralen Rahmen.

  • Die deutsche Entwicklungspolitik gewinnt an Profil und wird finanziell aufgestockt. Deutschland ist international auch militärisch immer stärker engagiert. Dieser umfassende Beitrag sollte in die Bewertung des Zieles, 2% des Bruttoinlandsproduktes für Verteidigungsausgaben aufzuwenden, miteinfließen. 

  • Der transatlantische Kontext muss breiter gedacht werden. Lateinamerika muss miteinbezogen werden. Genauso gilt, dass Afrika zur europäischen Nachbarschaft gehört. 

  • Die europäische Integration muss flexibleren Modellen folgen. Der Anspruch muss sein: schlank nach innen und stark nach außen.