Die Durchführung der Wahl kann durchaus als Erfolg gewertet werden. Der Leiter der europäischen Wahlbeobachtungskommission für Tunesien, Fabio Massimo Castaldo, sprach von einer „historischen Etappe“, bei der lediglich kleinere technische oder logistische Fehler zu bemängeln seien.
Hierzu zählten die Zerstörung von zwei Wahlurnen in El Mdhila im Zentrum des Landes, lange Schlangen vor den Wahllokalen aufgrund schlechter Zuordnung der Wähler oder die verbotene Fortsetzung des Wahlkampfes noch am Wahltag. Des Weiteren sei auch der Auszählungsprozess transparent und regulär verlaufen.
Nidaa Tounes jedoch veröffentlichte noch vor Schließung der Wahllokale eine Stellungnahme auf ihrer Facebook-Seite, wonach die Glaubwürdigkeit und Legitimität des Wahlprozesses durch Verstöße gefährdet sei. Dies wurde von Seiten der Wahlbeobachter jedoch nicht bestätigt. Der tunesische Ableger von Transparency International, ‚I WATCH‘, kritisierte hingegen die beiden Regierungsparteien hinsichtlich der Überschreitung der vorgeschrieben Obergrenze des Wahlkampfbudgets für die Städte Tunis und Sfax.
Ein eindeutiges Fazit ist zum jetzigen Zeitpunkt nur schwer zu ziehen. Die friedliche und ordnungsgemäße Durchführung der Wahlen ist definitiv erfreulich. Die geringe Wahlbeteiligung und das damit verbundene hohe Maß an Politikverdrossenheit verdeutlicht einmal mehr, dass die Bürgerinnen und Bürger durch die bisherige Politik kaum erreicht wurden. Des Weiteren wird sich durch die verdeckte Unterstützung einer Vielzahl der Kandidaten auf den unabhängigen Listen durch eine der beiden Regierungsparteien erst in der nächsten Zeit herausstellen, wie die Mehrheiten tatsächlich verteilt sind. Dies ist vor allem im Hinblick auf die Verhandlungen um das Amt des Bürgermeisters in den großen Städten wie Tunis oder Sfax von Bedeutung. Insgesamt ist mit den Kommunalwahlen jedoch eine wichtige Weichenstellung in Richtung Dezentralisierung gelungen, wobei die größte Herausforderung – deren tatsächliche Umsetzung in die Praxis – nun erst beginnen wird.
Autor: Maximilian Hofer, Praktikant der Hanns-Seidel-Stiftung in Tunis