Print logo

Die neue EU-Kommission – Themen und Köpfe
Teil III: Ein neuer Anstoß für die Europäische Demokratie

Hier stellen wir die Themenbereiche vor, die Ursula von der Leyen in den Mittelpunkt ihrer Arbeit als Kommissionspräsidentin stellt und die Kommissare, die sie mit der Umsetzung betraut. Heute: "Ein neuer Anstoß für die Europäische Demokratie" mit Dubravka Šuica.

Die Amtszeit der neuen EU-Kommission begann am 1. Dezember 2019. An der Spitze steht die Deutsche Ursula von der Leyen. Ihr Kommissar-Kollegium umfasst daneben 26 weitere Mitglieder. Großbritannien wollte seinen Stuhl nicht neu besetzen.

Eine Hand mit einem Stimmzettel über der Wahlurne, eine andere deutet auf den Schlitz.

Šuicas Ressort für Demokratie und Demografie soll zum Beispiel Bürgerkonferenzen zur Zukunft Europas organisieren oder Lösungen für die demografischen Herausforderungen besonders im ländlichen Raum finden.

Arnaud Jaegers; CC0; Unsplash

Die Präsidentin bestimmte sechs thematische Arbeitsbereiche. An der Spitze von fünf dieser Themenfelder steht jeweils ein Vizepräsident. Weitere, „einfache“ Kommissare arbeiten mit den Vizepräsidenten zusammen. Das sechste Themenfeld wird im Unterschied dazu von drei Vizepräsidenten gemeinsam verantwortet, die sich nur ihrem Thema „Ein neuer Anstoß für die Europäische Demokratie“ widmen. Eine Vizepräsidentin, die sich hier einbringt, ist Dubravka Suica.

Die fünf Themenbereiche sind:

  • „Eine Wirtschaft, die für die Menschen arbeitet“ Geschäftsführender Vizepräsident: Valdis Dombrowskis
  • „Europäischer Grüner Deal“ Geschäftsführender Vizepräsident: Frans Timmermans. Zu diesem Themenbereich gehört zum Beispiel Virginius Sinkevicius (Ressort: „Umwelt, Ozeane und Fischerei“).
  • „Europa fit für das digitale Zeitalter“ Geschäftsführender Vizepräsident: Margrethe Vestager. Zu diesem Themenbereich gehört zum Beispiel Thierry Breton (Ressort: „Binnenmarkt“)
  • „Ein stärkeres Europa in der Welt“ Vizepräsident Josep Borrell, Hoher Vertreter für die Außen- und Sicherheitspolitik. Zu diesem Themenbereich gehören zum Beispiel Jutta Urpilainen (Ressort: „Internationale Partnerschaften“) und Olivér Varhélyi („Nachbarschaft und Erweiterung“)
  • „Förderung unserer europäischen Lebensweise“ Vizepräsident Margaritis Schinas

Den drei „geschäftsführenden Vizepräsidenten“ ist eine eigene Generaldirektion unterstellt. Außerdem werden sie vom Generalsekretariat der Kommission unterstützt. Sie haben die Befugnis, strategische Ziele festzulegen, anders als die weiteren Vizepräsidenten. Dem Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, der den Themenbereich „ein stärkeres Europa in der Welt“ verantwortet, ist der Europäische Auswärtige Dienst mit seiner Zentrale und den europäischen Botschaften weltweit unterstellt. Das neue Kommissars-Kollegium setzt sich aus zwölf Frauen und 15 Männern zusammen.

Info-Arbeitsweise

Die EU-Verträge sehen ein hierarschisches Verhältnis zwischen den Vizepräsidenten und „einfachen“ Kommissaren nicht vor. Im schriftlichen Amtsauftrag der Präsidentin von der Leyen an Binnenmarktkommissar Thierry Breton, der den Themenbereich „Europa fit für das digitale Zeitalter“ zusammen mit Margrethe Vestager bearbeitet, heißt es : „Sie (Breton) arbeiten unter der Anleitung von Frau Vestager.“ Voraussichtlich wird die Zusammenarbeit von den jeweiligen Persönlichkeiten abhängen und sich einspielen müssen. Frans Timmermanns leitet im Übrigen die Sitzung der Kommissare, sollte von der Leyen abwesend sein. Haushaltskommissar Johannes Hahn gehört keinem dieser sechs Themenfelder an. Er berichtet direkt an die Präsidentin.

Frau an einem Rednerpult. Strenger, entschlossener Blick

Die ehemalige Bürgermeisterin Dubravka Šuica ist für "Demokratie und Demografie" zuständig. Sie ist als Mitglied der kroatischen Regierungspartei (HDZ) auch in der EVP.

Europäisches Parlament; ©2.0

Dubravka Šuica: Von der Bürgermeisterin Dubrovniks zur EU-Kommissarin

Die Kroatin Dubravka Šuica verantwortet in der neuen EU-Kommission das Portfolio "Demokratie und Demografie". Šuica war acht Jahre Bürgermeisterin von Dubrovnik. Als Kroatien 2013 Mitglied der EU wurde, gehörte sie zu den ersten zwölf kroatischen Mitgliedern des Europäischen Parlaments. Bei den Europawahlen 2014 und 2019 wurde sie als EU-Abgeordnete bestätigt; zuletzt war sie stellvertretende Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses. Šuica gehört der regierenden Kroatischen Demokratischen Union (HDZ) an, welche auf europäischer Ebene Mitglied der Europäischen Volkspartei ist. Mit ihr stellt Kroatien erstmals eine Vizepräsidentin der EU-Kommission.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sieht für Šuica das neu geschaffene Ressort für Demokratie und Demografie vor. Im Amtsauftrag an Šuica betont von der Leyen die Verantwortung Šuicas für die Organisation von Bürgerkonferenzen zur Zukunft Europas. Diese seien nötig, um Europäern bei der Festlegung von Prioritäten und Zielvorgaben mehr Mitsprache zu geben. Auch das Thema demografischer Wandel wird in Zukunft noch weiter an Bedeutung gewinnen. Interessant könnte hier die vorgesehene Ausarbeitung einer langfristigen Vision für den ländlichen Raum werden. Gerade Länder wie Kroatien leiden unter der Abwanderung junger und gut ausgebildeter Menschen in andere EU-Staaten, was die Entwicklungschancen jener verringert.

Thematisch konnte Šuica bei der Anhörung im EU-Parlament besonders überzeugen, als sie ihre beruflichen Erfahrungen mit den Herausforderungen des demokratischen Defizits und demokratischen Wandels in Verbindung brachte. Abgeordnete interessierten sich für Šuicas Auffassung zur Rolle der EU-Kommission bei der Sicherstellung des Rechtsstaatsprinzips in den Mitgliedsländern: So beantwortete sie die Frage, warum sie dem Vorschlag zur Einleitung eines „Artikel 7-Verfahrens“ gegen Ungarn nicht zugestimmt hatte, damit, dass die Kommission als neutraler Schiedsrichter agieren müsse. Artikel 7 sei wichtig, aber sie wolle abwarten, was der Rat und der Gerichtshof sagten. Außerdem bekannte sie sich zum Rechtsstaatsprinzip und sicherte zu, das Mehrheitsvotums des Kommissar-Kollegiums zu respektieren. Außerdem war Šuica in ihrem Heimatland für mangelnde Transparenz bezüglich des Ursprungs ihres Privatvermögens von über fünf Millionen Euro kritisiert worden. Der Rechtsausschuss des EU-Parlaments, welcher für das Überprüfen von Interessenskonflikten der Kommissar-Kandidaten zuständig ist, stimmte der Bewerbung von Šuica jedoch zu.

Fazit: Šuica hat ihre Bestätigung unter anderem auch ihrem Rückhalt in der Fraktion der Europäischen Volkspartei zu verdanken. Wie Šuica ihre Rolle ausfüllen wird, hängt davon ab, wie sie die Zusammenarbeit mit den EU-Institutionen sowie den anderen Kommissaren gestaltet, wie etwa Maroš Šefčovič und Věra Jourová. Diese werden wie Šuica dem Block „Neuen Schwung für die Demokratie“ zugeordnet, welches eine der sechs Themenbereiche bildet, auf die von der Leyen ihr Mandat aufbaut. Auch wenn Šuicas Ressort auf den ersten Blick nicht als eines der wichtigsten Ressorts erscheint, ist die Position der Kroatin in der EU-Kommission keineswegs unwichtig, da die Zukunftskonferenzen als Motor für mehr politische Teilhabe dienen sollen. Vor allem in osteuropäischen Ländern könnte ihre Arbeit für die Stärkung von Demokratie und Demografie in der EU daher von großer Relevanz sein; Staaten wie Rumänien, Bulgarien und Kroatien kämpfen hier mit ähnlichen Problemen.

Autorin: Inga von der Stein

Belgien (Europa-Büro Brüssel)
Dr. Thomas Leeb
Leiter