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Republik Kenia
Spannung vor den Präsidentschaftswahlen

"Wir sind nicht im Krieg. Wir wollen nur ein glaubwürdiges Wahlergebnis." So fasst es eine junge Kenianerin auf Twitter zusammen. Friedensnachrichten überfluten seit einigen Tagen die Medien in Kenia. #LigiSafi bedeutet in Swahili soviel wie friedliche, faire Wahlen. Das wünschen sich alle Kenianer. Es steht viel auf dem Spiel. Man erwartet ein knappes Ergebnis bei den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen am 8. August 2017.

Die Wahl wird entschieden zwischen der Regierungspartei Jubilee, mit Präsident Uhuru Kenyatta und Vizepräsident William Ruto an der Spitze sowie der vom ehemaligen Premierminister Raila Odinga geführten Oppositionspartei National Super Alliance (NASA). Für Raila Odinga ist es der dritte und wohl letzte Versuch als Präsidentschaftskandidat. Im Vorfeld der Wahlen wurde am 31.Juli 2017 der IT-Chef der Wahlkommission, Chris Msando, tot aufgefunden; er wurde ermordet.

Medienspeziallist Julian beschreibt seine Gefühle

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HSS

14 Punkte zu den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen

  • 1. Adopt a Polling Station ist eine Initiative des Oppositionsbündnis National Super Alliance (NASA), die sicherstellen soll, dass es am Wahltag an den Urnen keine Unregelmäßigkeiten oder Wahlbetrug gibt. Hierzu wurden Bürger speziell ausgebildet und mit mobilen Geräten, wie Smartphones und iPads ausgestattet, um Informationen, die sie im Wahllokal sammeln, direkt an die Zentrale der NASA weiter zu leiten.
  • 2. Parteilose Kandidaten – Bei diesen Wahlen gibt es die höchste Zahl parteiloser Kandidaten in der Geschichte Kenias. Die Zahl der Parteilosen stieg nach den Vorwahlen und Nominierungen an. Drei Parteilose sind als Präsidentschaftskandidaten aufgestellt. Viele, insbesondere junge Kandidaten, sehen Parteien lediglich als “Vehikel” zur politischen Macht. Aussagekräftige Parteiprogramme gibt es nicht. Die Führer der beiden Parteienbündnisse und deren ethnische Zugehörigkeit spielen die entscheidende Rolle.
  • 3. Jugendliche Wähler – Nach Angaben des Kenya Youth Survey 2016 sind 80 Prozent der Bevölkerung Kenias unter 35 Jahre alt. Der Großteil der wahlberechtigten Bevölkerung sind Jugendliche. Die Zahl der jungen Aspiranten hat sich im Vergleich zu vorangegangenen Wahlen erhöht. Das liegt daran, dass wegen der, einem föderalen System ähnlichen politischen Struktur Kenias mehr Positionen auf Ebene der Counties (Länder) zu vergeben sind. Viele Jugendliche sehen echte Chancen, als politische Vertreter in ihren Communities Veränderungen herbeizuführen.

  • 4. IEBC steht für Independent Electoral and Boundaries Commission. Sie ist die verfassungsrechtlich garantierte, unabhängige Wahlkommission Kenias. Diese hat das Mandat, Wahlen vorzubereiten, durchzuführen und Ergebnisse zu kommunizieren. Die Unabhängigkeit der Wahlkommission wurde von der Opposition immer wieder angezweifelt. Die Repräsentanten der Kommission wurden erst Anfang 2017 neu gewählt.
  • 5. Geschichtliches – Historisch gesehen waren die meisten Wahlen in Kenia friedlich. Allerdings wurde noch nie ein amtierender Präsident abgewählt. Bei den Wahlen im Jahr 2007 war die Lage nach dem Wahlgang sehr angespannt. Es gab gewalttätige Ausschreitungen und Tote. Als Folge dieser umstrittenen Wahl identifizierte die Nationale Kohäsions- und Integrationskommission 18 sogenannte "Hotspots", in denen die Wahrscheinlichkeit gewalttätiger Auseinandersetzungen groß ist. Hierzu gehören Nairobi, Kisumu, Mombasa, Nakuru, Eldoret, Narok, Kericho, Kisii und Homa Bay.

  • 6. Winner-Takes-All – Anders als beim deutschen Verhältniswahlsystem gilt in Kenia das Prinzip der Mehrheitswahl. Das bedeutet, dass die Partei, welche die Mehrheit der Stimmen bekommt, grundsätzlich die politische Macht für sich in Anspruch nimmt. Die Partei, die an zweiter Stelle steht, geht immer leer aus, unabhängig davon, wie hoch ihr Stimmenanteil sein mag. Die Bildung von Koalitionen nach der Wahl ist deshalb sehr unwahrscheinlich. Da sich politische Parteien in Kenia in erster Linie um ethnische Gruppen herum bilden, bleiben regelmäßig einige Ethnien der Bevölkerung in der nationalen Regierung unterrepräsentiert. 

  • 7. Ethnische Zugehörigkeit – Im normalen Alltag spielt ethnische Zugehörigkeit in Kenia keine große Rolle. Es wird über ethnische Grenzen hinweg zusammengearbeitet und geheiratet. Während der Wahlperiode werden Merkmale ethnischer Herkunft jedoch wieder sehr wichtig. Kenianer fühlen sich ihrer ethnischen Zugehörigkeit verpflichtet und stimmen für Repräsentanten aus ihrer ethnischen Gruppe. Politiker nutzen dieses Verhalten zu ihrem Vorteil, um Stimmen zu gewinnen. Die Regierungspartei Jubilee bestand beispielsweise aus zwei Parteien, Jubilee und United Republic Party (URP). Diese beiden Parteien bringen die beiden größten ethnischen Gruppen in Kenia, die Kikuyu und Kalenjin zusammen. Dieses Bündnis war entscheidend für den Sieg der amtierenden Regierung in den letzen Wahlen. Auch dieses Mal setzen die beiden großen Parteien wieder auf die gleiche Formel.

Henry leitet eine zivilgesellschaftliche Organisation. Er hofft, dass die Wahlen am 08. August frei, fair und friedlich verlaufen

Henry leitet eine zivilgesellschaftliche Organisation. Er hofft, dass die Wahlen am 08. August frei, fair und friedlich verlaufen

HSS

  • 8. Kosten – Die Präsidentschafts- und Parlamentswahl 2017 ist die teuerste in Kenias Geschichte. Schätzungen zufolge kostet die Wahl insgesamt 49,9 Milliarden Kenia-Schilling (480 Millionen USD). Private Ausgaben von Parteien und Kandidaten sind darüber hinaus auf einem Allzeithoch. Damit werden die Wahlen insgesamt rund 1 Milliarde Dollar kosten. Internationale Geber, darunter die Vereinten Nationen (UN) und Europäische Union, haben die Wahlen mit insgesamt 20 Millionen US Dollar unterstützt.

  • 9. Sonntagsfrage – Die vertrauenswürdigsten Meinungsumfragen zur Wahl in Kenia werden von Ipsos Synovate und Infotrak Research and Consulting durchgeführt. Nach den jüngsten Meinungsumfragen von Infotrak liegt Oppositionsführer Raila Odinga (NASA) einen Prozentpunkt vor Präsident Uhuru Kenyatta, während nach Ipsos Synovate Uhuru Kenyatta mit vier Prozentpunkten in Führung liegt.

  • 10. Nairobi (Gouverneurs-) Rennen – Der Kampf um den Posten des Gouverneurs von Nairobi ist der härteste bei den bevorstehenden Wahlen. Der derzeitige Gouverneur, Evans Kidero, wird seinen Platz gegen den aktuellen Nairobi-Senator, Mike Sonko, den ehemaligen Präsidentschaftskandidaten Peter Kenneth und den umstrittenen Anwalt und Autor Miguna Miguna verteidigen. Der Partner Kenya Alliance of Resident Associations (KARA) der Hanns-Seidel-Stiftung hatte eine öffentliche Debatte mit den Anwärtern durchgeführt.

  • 11. UhuRu(to) und Raila – Obwohl es bei den diesjährigen Wahlen acht Präsidentschaftskandidaten gibt, wird das Rennen tatsächlich zwischen zwei Kandidaten ausgetragen, zwischen Präsident Uhuru Kenyatta mit seinem Stellvertreter William Ruto und dem ehemaligen Premierminister Raila Odinga. Es wird allgemein angenommen, dass dies Raila Odingas letzter Versuch sein wird, um Kenias Präsidentschaft zu erringen. Uhuru Kenyatta und Raila Odinga verbindet eine lange gemeinsame Geschichte. Ihre Väter waren Präsident und Vizepräsident von Kenia. Raila Odinga will dieses Erbe der Odingas, „immer die Brautjungfer und nie die Braut zu sein“, dieses Mal ändern. Vizepräsident William Ruto wird bereits jetzt als Präsidentschaftskandidat für die nächsten Wahlen in 2022 gehandelt.

  • 12. Bekanntgabe des Wahlergebnisses – Die Wahlkommission hat entschieden, alle in den Wahlkreisen zuvor ausgezählten Stimmen zu addieren und das endgültige Wahlergebnis zu verkünden. Das war bei den vorangegangenen Wahlen anders: Die Ergebnisse der Einzelauszählungen durften nicht in den Wahlkreisen bekanntgegeben werden. Die Wahlkommission hatte die Aufgabe, alle Teilergebnisse bekanntzugeben. Wahlbetrug auf dem Weg zwischen Wahlkreisen und der Wahlkommission dürfte damit schwieriger werden.

  • 13. Unentschlossene Wähler und Nichtwähler – Die jüngsten Umfragen zeigen, dass von den 19,6 Millionen registrierten Wählern mindestens acht Prozent unentschlossen sind und nicht wissen, für welchen der beiden Kandidaten sie stimmen sollen. Unter ihnen sind insbesondere Erstwähler und junge Wähler. Drei Prozent wollen nicht abstimmen.

  • 14. Wirtschaftlicher Stillstand – Die bevorstehenden Wahlen haben die Wirtschaftstätigkeit in Kenia extrem beeinflusst. Die Mehrheit der Unternehmen hat ihre Produktion heruntergefahren, Anleger und Investoren sehen der Bekanntgabe des Wahlergebnisses entgegen. Uganda, Ruanda und Burundi, Kenias wichtigste Handelspartner in der Region Ostafrika, haben ihr Frachtgeschäft leise nach Tansania verlegt. Das geschäftige Nairobi ist bereits eine Woche vor den Wahlen ruhiger als sonst. Alle halten inne und warten.

Autorinnen: Pauline Lemarron, Sylvia Lanyasunya, Penelope Ashioya, Uta Staschewski (Projektleiterin)

Afrika südlich der Sahara
Klaus Liepert
Leiter