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Interview
Eine Chance für Frieden auf der koreanischen Halbinsel?

Autor: Veronika Eichinger

Rasante Veränderungen in Korea: Erstmals trafen sich mit Donald Trump und Kim Jong-Un ein amtierender US-Präsident und ein nordkoreanischer Staatsführer und versprachen die komplette Denuklearisierung der koreanischen Halbinsel. Doch wird die Realität halten, was das Gipfelspektakel versprach? Wir haben Dr. Bernhard Seliger, den Repräsentanten der Hanns-Seidel-Stiftung in Südkorea, für Sie befragt.

Der Honorarprofessor Dr. Bernd Seliger ist seit 2002 Repräsentant der Hanns-Seidel-Stiftung in Korea. Von 1998 bis 2002 arbeitete er als Assistant Professor an der Graduate School of International Area Studies der Hankuk University of Foreign Studies in Seoul. Seit 2006 ist er Ehrenbürger von Seoul und seit 2012 Ehrenbürger der Gangwon-Provinz.

Der Honorarprofessor Dr. Bernd Seliger ist seit 2002 Repräsentant der Hanns-Seidel-Stiftung in Korea. Von 1998 bis 2002 arbeitete er als Assistant Professor an der Graduate School of International Area Studies der Hankuk University of Foreign Studies in Seoul. Seit 2006 ist er Ehrenbürger von Seoul und seit 2012 Ehrenbürger der Gangwon-Provinz.

HSS

HSS: Besteht aktuell eine realistische Chance für Frieden zwischen Nord- und Südkorea?

Seliger: Das Jahr 2018 hat eine völlig neue Situation auf der koreanischen Halbinsel gebracht. Die vorherigen Kriegsdrohungen zwischen Nordkorea und den USA sind einer regen Diplomatie gewichen, mit drei inner-koreanischen Gipfeltreffen, zwei chinesisch-nordkoreanischen Gipfeltreffen und dem historischen Gipfel der USA mit Nordkorea. Dies ist eine positive Entwicklung. Allerdings sollte man sich nicht darüber täuschen, dass die Chancen für einen dauerhaften Frieden zwar existieren, ein solcher aber noch in sehr weiter Ferne ist. Gegen Ende des Jahres sind die Verhandlungen um die Denuklearisierung ins Stocken geraten. Nordkorea ist bis jetzt eine vollständige Auflistung seiner Nuklearwaffen und – einrichtungen schuldig geblieben und es ist fraglich, ob und wann es eine solche Liste, eine Voraussetzung für die vollständige Denuklearisierung, je geben wird. Die Nuklearverhandlungen sind auch nicht unabhängig von den innenpolitischen Entwicklungen in den USA und vom amerikanisch-chinesischen Verhältnis. Trotzdem sollte man noch einmal betonen, dass es eine solche Phase von diplomatischer Aktivität, die auch von Nordkorea aktiv mitgestaltet wird, noch nie gegeben hat und dass auch die Europäische Union und Deutschland dies als Chance sehen sollten, einen sich entwickelnden Friedensprozess zu unterstützen.


HSS: In der Vergangenheit gab es bereits Entspannungsphasen im Korea-Konflikt. Woran sind die damaligen positiven Entwicklungen jeweils gescheitert?  

Wie bereits gesagt, ist die Konfliktlage auf der koreanischen Halbinsel sehr komplex, mit ungelösten Problemen in der Vergangenheit (etwa dem furchtbaren Bruderkrieg beider Koreas, der bis heute nachwirkt, aber auch der Kolonialisierung durch Japan), und der Gegenwart (innerkoreanische Fragen, wie etwa die Menschenrechte, aber auch internationale Einflüsse). In der Vergangenheit gab es sehr unterschiedliche Interessenlagen etwa der USA, die im Kampf gegen den Terror Nordkorea auf einer „Achse des Bösen“ verorteten, und Nordkorea auf der anderen Seite, das ein Nuklearprogramm als Garantie des Überlebens der eigenen Herrschaft sah; dies führte letztlich zum Scheitern des Genfer Abkommens (1994). Die Sonnenscheinpolitik (1998–2008) war prinzipiell gut konzipiert, allerdings litt sie an einer zu einseitigen Betonung der materiellen Anreize für Nordkorea, und in der zweiten Phase unter der äußerst schwachen Führungspersönlichkeit von Präsident Roh Moo-Hyun (2003 – 2008) im Süden. Beides führte dazu, dass sich die Bevölkerung Südkoreas letztlich ernüchtert abwandte und mit deutlichem Vorsprung mit Lee Myung-Bak ein Präsidentschaftskandidat gewählt wurde, der eine Modifizierung dieser Politik versprach.


HSS: Wird Kim Jong-Un wirklich nach Südkorea reisen zum nächsten Gipfel?

Kim Jong-Un hat schon eine Reihe höchst ungewöhnlicher Entscheidungen getroffen, die zeigen, dass er selbstbewusst genug ist, um auch eine Reise nach Südkorea zu wagen. Vor allem auch wird die Bevölkerung Südkoreas es nicht länger hinnehmen, wenn wie in der Zeit der Sonnenscheinpolitik, Gipfeltreffen zwischen beiden Koreas nur zu Pilgerreisen in den Norden werden. Kim hätte die Möglichkeit, bei einem Besuch im Süden seinen Charme spielen zu lassen, der ihn im Moment in den Augen vieler Südkoreaner als weitaus akzeptableren Führer Nordkoreas erscheinen lässt als sein Vater es war. Allerdings muss Kim auch das Gefühl haben, dass ein solcher Gipfel zu Ergebnissen führt. Für ihn ist das in allererster Linie Wirtschaftshilfe, die Südkorea aber im Moment angesichts der Wirtschaftssanktionen noch nicht gewähren will. Hier ist allerdings ein Dilemma: je länger mit einem Gipfeltreffen gewartet wird, und je weniger mit Fortschritten bei der Denuklearisierung gerechnet wird im Süden, desto skeptischer könnte der Empfang Kims in Seoul sein. Bilder von demonstrierenden Südkoreanern wären für den nordkoreanischen Führer, der in Nordkorea gottgleich verehrt wird, unakzeptabel.


HSS: Welche konkreten Ergebnisse haben die diesjährigen Gipfeltreffen bisher gebracht?

Die wichtigsten Ergebnisse waren zunächst einmal das Ende der offenen Kriegsdrohungen und die Wiederaufnahme von Verhandlungen auf verschiedenen Ebenen, die weit über die Gipfeltreffen hinausgehen (z.B. militärisch, aber auch in anderen Bereichen wie im Bereich der Forstwirtschaft, Eisenbahnkooperation, etc.). Zu den besten Ergebnissen gehört etwa die tatsächliche Demilitarisierung eines kleinen Teils der DMZ, der Joint Security Area, wo sogar Minen geräumt wurden. Natürlich ist dies nur ein Anfang, aber er stimmt hoffnungsvoll. Auch die Verbindung der Hotlines beider Länder gehört zu solchen vertrauensbildenden Maßnahmen. Das Gipfeltreffen mit den USA hat bisher außer einer sehr allgemein gehaltenen Erklärung zur Denuklearisierung der koreanischen Halbinsel wenig Konkretes gebracht. Das ist solange nicht schlimm, solange die Perspektive der weiteren Verhandlungen besteht und die Dynamik solcher Verhandlungen nicht erlahmt. Genau dies droht aber jetzt zu passieren. Es wäre also gut, wenn möglichst bald neue, konkretere Ergebnisse vor allem im militärischen Bereich, also der Denuklearisierung, erfolgen. Davon hängt dann nämlich auch die Wirtschaftshilfe für Nordkorea ab, die Südkorea durchaus willig ist, zu geben, wenn die rechtlichen Voraussetzungen – die Aussetzung der Sanktionen – dies möglich machen.


HSS: Welche Rolle könnten Deutschland und die EU bei Friedensbestrebungen auf der koreanischen Halbinsel spielen?

Deutschland war und ist für Südkorea ein geschätzter Partner, dies wird von Seiten Südkoreas immer wieder betont. Auch für Nordkorea ist Deutschland als ein Partner durchaus geschätzt, auch wenn es starke Vorbehalte gegen den deutschen Weg der Wiedervereinigung gab. Deutschland war in vielfältiger Weise in Nordkorea humanitär engagiert, etwa durch die Welthungerhilfe, die politischen Stiftungen, aber auch andere Akteure. Zum Beispiel wurden nordkoreanische Ärzte in Deutschland ausgebildet oder konnten hier Praktika machen. Allerdings hat es in den letzten zehn Jahren eine stetig verschlechterte Situation der Beziehungen beider Seiten gegeben, die nicht alleine in der Zuspitzung der Nuklearkrise begründet ist (das wäre verständlich), sondern auch in dem Kleinkrieg zwischen Diplomaten beider Länder, der wenig zielgerichtet war, aber zu einer stetigen Verschlechterung der beiderseitigen Beziehungen geführt hat.

Es kommt jetzt für Deutschland und die EU, die weiterhin die Arbeit von Hilfsorganisationen im Land unterstützt, darauf an, diese Arbeit zu verstärken und durch diplomatische Initiativen zum Friedensprozess im Lande beizutragen. Sowohl Kanzlerin Angela Merkel wie auch der frühere Außenminister Siegmar Gabriel haben ihre Bereitschaft bekräftigt, eine solche Rolle für Deutschland anzunehmen. Vor allem das Außenministerium nimmt aber immer noch eine abwartende Haltung ein. Mehr Initiative tut hier dringend not! Auch die politischen Stiftungen können mit praktischen Projekten dazu beitragen, Vertrauen zwischen beiden Seiten und in internationale Institutionen zu schaffen, wie es die Hanns-Seidel-Stiftung etwa im Bereich der nachhaltigen Forstwirtschaft und des Naturschutzes macht.


HSS: Herr Dr. Seliger, wir danke Ihnen für das Gespräch.

Nordost- und Zentralasien
Veronika Eichinger
Leiterin