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Studie zu Demographie und Wirtschaftswachstum in Afrika
Zwei Milliarden Menschen

Autor: Hanns Bühler

Wie stark eine Bevölkerung wächst, hat großen Einfluss auf wirtschaftliche Entwicklung. Während in viele Industrienationen die Gesellschaften zunehmend altern, gibt es in etlichen Ländern Afrikas das gegensätzliche Problem. Äußerungen wie die des tansanischen Präsidenten Dr. John Joseph Magufuli, „Tansanias Frauen sollten doch auf Verhütungsmittel verzichten“ und er sähe keinen Grund, die Geburtenraten in Tansania zu kontrollieren, werden den Herausforderungen, die sich aus der demographischen Entwicklung ergeben, nicht gerecht.

In Berlin und Brüssel sorgt eine neue Studie des ISS (Institute for Security Studies)  für Aufsehen, die die demographischen Entwicklungen in afrikanischen Ländern abbildet. Jakkie Cilliers, ISS-Gründer und Leiter des Programms 'African Futures and Inovation' stellte die Ergebnisse vor und gab Impulse für politische Maßnahmen.

Der Bevölkerungszuwachs in vielen Ländern Afrikas ist enorm: bis 2040 könnten über zwei Milliarden Menschen auf dem Kontinent leben.

Institute for Security Studies; HSS

In Afrika, dem größten Kontinent der Erde, leben heute 1,2 Milliarden Menschen. Bis 2040 soll sich diese Zahl auf über 2,1 Milliarden erhöhen und bis 2050 verdoppelt haben. Vor allem die Entwicklungsländer in Afrika werden daher trotz eines prognostizierten Wachstums zwischen 5% und 7% die Armutsrate nicht erheblich senken können und ihre Entwicklungsziele verfehlen. Experten sprechen von einem Wachstum von etwa 15%, das nötig sei, um die hohe Anzahl junger Menschen im Arbeitsmarkt absorbieren zu können. Um die Herausforderungen  langfristig lösen zu können und nachhaltiges Wirtschaftswachstum zu schaffen, bedarf es daher einer Kombination aus Stärkung des produzierenden Gewerbes und Senkung der Geburtenraten.

Wissenschaft oder Tradition?

Es sei, so Cilliers, dringend nötig, dass sich die betroffenen afrikanischen Staaten in öffentliche Debatten und wissenschaftliche Analysen mit dem Einfluss der Alterspyramide auf Wirtschaftswachstum und Entwicklung auseinandersetzen. Es bedürfe außerdem politischer Führung und politischen Willens, um die Diskussion über Geschlechterungleichheit und Familiengröße voranzubringen. Öffentliche Medienkampagnen müssten die gesundheitlichen und wirtschaftlichen Vorteile kleinerer Familien hervorheben. Nicht die Rücksicht auf lokale Traditionen, sondern Daten und Fakten, sollten Grundlage politischer Entscheidungen sein.

Nur wenn dies berücksichtigt werde, können afrikanische Staaten ihre demographische Dividende nutzen.

Konferenz

ISS-Gründer Jakkie Cilliers fordert in öffentlichen Kampagnen die Vorteile kleinerer Familien stärker hervorzuheben.

HSS

Das Berlin Institut für Bevölkerung und Entwicklung beschreibt diesen Umstand folgendermaßen: „Staaten mit einem hohen Anteil an jungen oder alten wirtschaftlich Abhängigen, etwa Kindern und Senioren, widmen diesen Gruppen in der Regel einen relativ großen Anteil ihrer Ressourcen. Das hemmt oft die Wirtschaftskraft des Landes. Staaten hingegen, in denen ein großer Anteil der Bevölkerung in einem Alter steht, in dem sie arbeitet und spart, profitieren aufgrund stärkerer Kapitalbildung und niedrigerer Kosten für wirtschaftlich abhängige Altersgruppen von einem sprunghaften Anstieg des nationalen Einkommens. Dieses Phänomen ist als "demografische Dividende" bekannt. Der kombinierte Effekt dieser "Dividende" und politischer Maßnahmen kann Wirtschaftswachstum fördern.“

Schreiben sich heutige Bedingungen fort, müssen Familien mit wenig Einkommen immer mehr Abhängige finanzieren. Erst wenn das Verhältnis zwischen Erwerbstätigen (15-65jährige) und abhängigen Familienangehörigen (Kinder und Senioren) um die 1,7 beträgt, könnten Länder von ihrer demographischen Dividende profitieren. Um diese frühzeitig zu nutzen, führt die Studie des ISS konkrete Empfehlungen, wie gezielte Investitionen in die Ausbildung von Frauen, in die Gesundheitsversorgung und die Bereitstellung von Verhütungsmitteln auf.  Äthiopien habe in beeindruckender Weise gezeigt, dass durch politischen Willen und die Fokussierung Geburtenraten und damit auch Armutsraten gesenkt werden können.

Info:

Zur Zukunft Afrikas veröffentlicht das Institute for Security Studies (ISS) mit Unterstützung der Hanns-Seidel-Stiftung in Südafrika 2018/2019 eine Reihe von Studien. Die Ergebnisse basieren auf der Verwendung der „International Futures“ Software, die vom Frederick S. Pardee Center for International Futures an der Universität Denver entwickelt wurde und strategische Langzeitplanungen bis 2040 ermöglicht. In der von der HSS geförderten Studie wird ein Szenario formuliert, das die demographische Dividende Afrikas um etwa acht Jahre beschleunigt, wenn die Wasser- und Sanitärversorgung verbessert, Bildung von Frauen gefördert und die Nachfrage nach Verhütungsmitteln sichergestellt werden. Ein Video, das die Thematik und Ergebnisse kurz und prägnant aufbereitet finden Sie hier.

Handlungsbedarf hoch

Wirklich nachhaltiges Wirtschaftswachstum sei in vielen Ländern Afrikas deswegen auch davon abhängig, dass die demografischen Herausforderungen in den nächsten Jahren konsequent angegangen werden. Ansonsten werde diese Länder voraussichtlich erst im Jahr 2074 von ihrer demographischen Dividende profitieren können.

Äußerungen wie die des tansanischen Präsidenten Magufuli, „Tansanias Frauen sollten doch auf Verhütungsmittel verzichten“ und „er sähe keinen Grund die Geburtenrate in Tansania zu kontrollieren“, greifen zu kurz und scheinen eher auf kulturelle Traditionen als wissenschaftlich begründet Fakten zu beruhen. Der Handlungsbedarf ist gerade in Tansania hoch. Das Land hat – gemeinsam mit Niger, der Demokratischen Republik Kongo, Mali und Uganda – eine der höchsten Geburtenraten Afrikas. In Tansania werden bis 2050 so viele Menschen wie in Russland leben (etwa 160 Millionen), die Bevölkerung Nigerias wird im selben Zeitraum auf 400 Millionen anwachsen und im Kongo werden mindestens doppelt so viele Menschen leben. 

Extern
Dr. Dietmar Ehm
Leiter
Südafrika
Hanns Bühler
Projektleiter