Nach islamistischer und salafistischer Ansicht sind Männer und Frauen vor Gott (und als dessen Schöpfung) zwar gleich viel wert, doch im täglichen Leben klaren Rollenbildern unterworfen. Salafisten verweisen auf Textstellen in Koran und Sunna, die in ihrer Lesart für das Zusammenleben eindeutige Regeln aufstellen. Männer und Frauen, so sagen sie, unterscheiden sich in ihrer körperlichen und geistigen Verfassung und müssen deshalb unterschiedliche Rollen in der Gesellschaft ausfüllen. Neben der strikten Geschlechtertrennung in allen Bereichen gilt die körperliche Züchtigung von Frauen als zulässig. Trotzdem engagieren sich auch junge Frauen für den Islamismus und den Salafismus. In Deutschland geht man von einem Frauenanteil von rund zehn Prozent innerhalb der salafistischen Szene aus. Salafistische Ehen werden unter anderem über Heiratsmärkte im Internet vermittelt.
Die Rolle der Frauen innerhalb der islamistischen und salafistischen Szene hat sich aber in den letzten Jahren gewandelt. Während früher ausschließlich ihre Rolle als Mutter, Ehefrau und Unterstützerin des Ehemanns betont wurde, traten Frauen in jüngerer Zeit mit organisatorischen Tätigkeiten hervor und leisteten logistische Unterstützung, insbesondere bei salafistischen Missionierungs- und Anwerbebestrebungen. Frauen sind auch in gewaltorientierten, jihadistischen Szenen aktiv. Sie werben und radikalisieren vor allem über Internet-Plattformen und Messenger-Dienste.
Es sind Fälle von Frauen bekannt, die in jihadistische Kriegsgebiete gereist sind, um dort ihre Männer zu unterstützen. Auch einige unverheiratete Frauen haben sich auf den Weg nach Syrien oder in den Irak gemacht. Im Internet berichten sie, durch die Versorgung der Mujahidin (Glaubenskrieger) vor Ort einen wichtigen Beitrag zum Jihad leisten zu können. Gelegentlich formulieren Frauen mittlerweile auch deutlicher den Wunsch, aktiv am Kampf teilzunehmen. So sind im Internet Propagandavideos mit Frauen in Kampfanzügen und mit Waffen zu sehen. Zwar werden Frauen in der jihadistischen Propaganda nur in Einzelfällen direkt dazu aufgefordert, Attentate zu begehen, jedoch werden sie von den Aufrufen zur Tatbegehung auch nicht ausdrücklich ausgeschlossen.
Einige jihadistische Angebote in sozialen Medien richten sich gezielt an Mädchen und junge Frauen. Sie vermitteln die Botschaft, dass das weibliche Geschlecht für den Jihad genauso wichtig ist wie das männliche. Die Zielgruppe wird dort angesprochen, wo sie sich im Netz am häufigsten aufhält: in sozialen Medien wie Facebook und Instagram sowie über Messenger-Dienste. Die Erstansprache verläuft in der Regel niedrigschwellig, der Jihad-Bezug ist auf den ersten Blick meist nicht erkennbar. Durch Teilen und Liken können sich solche Inhalte im Netz verbreiten und damit auch in der Alltagskommunikation junger Internetnutzerinnen ankommen.
Obwohl die Radikalisierungsgründe von Jungen und Mädchen in der Regel ähnlich sind, kann es in der Präventionsarbeit auch wichtig sein, Gender-Aspekte zu berücksichtigen. Das „Bayerische Netzwerk für Prävention und Deradikalisierung gegen Salafismus“ hat deswegen spezielle Angebote geschaffen. Es werden radikalisierungsrelevante Themen aus beiden Geschlechterperspektiven betrachtet, und über Rollen-Stereotype aufgeklärt. So werden besonders das Selbstbewusstsein und die innere Stabilität junger Frauen gestärkt.
Es gibt eine ganze Reihe von Angeboten. Konzeptionelles Kernelement des Projekts MotherSchools ist beispielsweise die Arbeit mit Müttern von Jugendlichen zwischen elf und 28 Jahren. Sie werden unter anderem für erste Anzeichen einer möglichen Radikalisierung ihrer Kinder sensibilisiert und darin geschult, wie sie mit ihren Kindern auch zu Beginn einer Radikalisierung im Gespräch bleiben können.
Im Projekt „ReThink – Freiheit beginnt im Kopf“ werden Jugendliche mit Migrations- oder Fluchterfahrung theaterpädagogisch dazu angeregt, unter anderem patriarchale Strukturen zu hinterfragen. Dabei werden auch kulturell geprägte Männlichkeitsvorstellungen und Beziehungsthemen offen thematisiert. Rollenstereotype können nur gemeinsam von Frauen und Männern hinterfragt und aufgebrochen werden.
Neben der landesweiten Projektarbeit setzen auch die Kommunalen Präventionsnetzwerke in Bayern inen bedarfsorientierten Schwerpunkt auf genderspezifische Arbeit vor Ort.
Grundsätzlich zielen all unsere Präventionsmaßnahmen darauf ab, Menschen stark und im besten Fall immun gegen extremistische Botschaften zu machen. Sie sollen die Gefahr verringern, dass sich Menschen extremistischen Ideologien zuwenden und womöglich sich selbst oder andere gefährden. Die Vorbeugung oder Prävention ist daher ein wichtiger Bestandteil des Kampfes gegen extremistische Strömungen wie den Salafismus.
Präventionsarbeit wird an vielen Orten geleistet: in Familien und Schulen, in der Kinder- und Jugendhilfe, in Einrichtungen der politischen Bildung und in Gemeinden. Dabei werden Jugendliche oft spielerisch etwa in Workshops, Rollenspielen oder Theaterprojekten zur Auseinandersetzung angeregt: mit ihrem Selbstbild, ihren Einstellungen, ihren Werten und Weltbild sowie ihrem Verständnis von Demokratie. Dies stößt Entwicklungsprozesse an und stärkt Jugendliche in ihrem Selbstbewusstsein, denn: wer in sich ruht, ist weniger anfällig für Propaganda und Einflussnahme zum Beispiel durch Salafisten.
Im Idealfall ist Prävention möglichst zielgerichtet, etwa bei Jugendlichen, die besonders gefährdet sind – wenn sie etwa in Schule und Familie etwas belastet oder sie einschneidende persönliche Erfahrungen machen mussten. Deshalb unterstützt die spezifische Prävention auch Lehrkräfte, Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter oder die Jugendsozialarbeit an Schulen mit Beratungs- und Fortbildungsangeboten. Sie sollen Anzeichen für eine Radikalisierung frühzeitig erkennen und gegensteuern können.
Wer bin ich? Wer will ich sein? Was ist gut und richtig, was ist falsch? Welche Werte sind die wahren? Auf der Suche nach der eigenen Identität setzen sich Jugendliche oft auch sehr provozierend mit ihren Eltern, mit Lehrkräften, mit der staatlichen Autorität auseinander. Sie wollen ihre Umwelt und die Welt an sich verstehen, oft auch zum Besseren verändern. Aber: Was ist das Bessere? Während Jugendliche nach Orientierung suchen, sind sie sehr offen für Antworten und Erklärungen – aber auch für Ideologien. Hier setzen die Salafisten an – und genau deshalb muss hier auch die Prävention anknüpfen. Die Fachstelle zur Prävention von religiös begründeter Radikalisierung Bayern (Ufuq) www.ufuq.de hat praktische Infos, Tipps und Handreichungen für Schule und Jugendarbeit entwickelt. Dazu gehört auch das „Rezept für alle Fälle“. Das können zum Beispiel Lehrkräfte immer anwenden, wenn sie nicht sicher sind, ob ein Jugendlicher legitimen Protest ausdrücken, gezielt provozieren oder ideologisierte Propaganda verbreiten will.
In der Prävention spielt die Arbeit auf kommunaler Ebene eine besondere Rolle. Denn Radikalisierung passiert vor Ort. Daher muss auch die Prävention dort ansetzen, wo Jugendliche Gefahr laufen, sich zu radikalisieren. In Städten und Gemeinden kann man viele wichtige Akteure und Akteurinnen erreichen, gewinnen und vernetzen, Schulen, Sozial- und Jugendarbeit, Polizei, Politik, und alle, die das Thema berührt. Die kommunale Ebene spielt also eine zentrale Rolle in der Koordinierung von Präventionsmaßnahmen sowie in der Vernetzung relevanter Akteure und Akteurinnen. Das betrifft im Übrigen auch die Zusammenarbeit und Vernetzung mit Moscheegemeinden und muslimischen Verbänden vor Ort. In Bayern fördern wir derzeit solche beispielhaften kommunalen Präventionsnetzwerke in Würzburg, Nürnberg und Augsburg.
Im Bereich der Prävention gegen religiös begründete Radikalisierung sind natürlich auch Einrichtungen der politischen Bildung, wie die Hanns-Seidel-Stiftung (HSS) wichtige Kooperations-/Netzwerkpartner und bedeutsame Impulsgeber. Sie bieten nicht nur regelmäßige Plattformen und Podien für den unverzichtbaren Experten- und Praktikeraustausch, sondern auch für den notwendigen wissenschaftlichen Diskurs, der die Basis für die Weiterentwicklung unserer am Bedarf und der Praxis orientierten Projekte ist.