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Bedrohungen für unsere Demokratie
Hass im Netz

Täglich begegnen uns Hass und Hetze im Netz. Was können wir dagegen unternehmen? Wer trägt die Verantwortung? Der Hass im Netz ist nicht virtuell, sondern real. Er trifft Personen nicht nur online, sondern auch offline. Wie gelingt ein respektvolles Miteinander im Netz?

  • Desinformationsgesellschaft 
  • So kontern wir Hass und Hetze

Wir leben im Informationszeitalter. Noch nie hat die digitale Welt uns so stark beeinflusst wie heute. Das Internet ist aber nicht immer nur ein harmloser Ort für Katzenvideos: Die digitalen Kommunikationstechnologien können sowohl für etwas Gutes, als auch für etwas Schlechtes eingesetzt werden. Unsere Realität heute: gezielte Desinformationskampagnen, Shitstorms, Deepfakes (also mit Künstlicher Intelligenz manipulierte Videos) und Hatespeech sind bedauerlicherweise Alltag geworden.

Gerade Mandatsträger und öffentliche Personen geraten schnell in den Fokus von Hass und Hetze im Netz.

©Reconquista Internet

Desinformationsgesellschaft

Unsere Gesellschaft droht im Informationszeitalter zu einer hypergereizten Desinformationsgesellschaft zu verkommen, in der eine laute radikale Minderheit durch die Mechanismen im Netz dem weit größeren, vernünftigen Rest vorgaukeln, sie hätten die Diskurshoheit. Die wenigen Lauten nutzen geziehlt Beleidigungen, Häme und verbale Gewaltakte bis hin zum Mordaufruf, immer garniert mit digitalem Gebrüll, um einzelne Vernünftige zum Schweigen zu bringen. Wer einmal unvorbereitet einen Shitstorm über sich ergehen lassen musste, weiß, wie schwer es ist, nicht unter dem Onlinehass zu zerbrechen, einfach zu resignieren und zu verstummen. Unsere Demokratie lebt aber von der pluralistischen Meinungsvielfalt und wir können es uns nicht leisten auf die vernünftigen Stimmen zu verzichten.

Gerade Mandatsträger, Multiplikatoren und Menschen des öffentlichen Lebens geraten schnell in den Fokus von Agitationsgruppen und hyperaktiven Usern, die sie mit Hass und Häme überziehen, weil sie für die Grundwerte unserer pluralistischen, freiheitlich demokratischen Grundordnung einstehen. Der Teufelskreislauf beginnt: Wo viel Hass gepostet wird, beginnt das Schweigen. Diese „schweigende Mehrheit“ trägt dann dazu bei, dass aggressive Gruppen noch größer und relevanter erscheinen. Lassen wir zu, dass gesellschaftlicher Diskurs mit viel Hass erfüllt ist, so erwächst ein hasserfülltes und menschenverachtendes gesellschaftliches Klima. Der Übergang von Gewalt aus dem digitalen Raum in die analoge Wirklichkeit geschieht dann schleichend und, wie im Mord am hessischen Regierungspräsidenten Walter Lübcke gesehen, mit den entsetzlichsten aller vorstellbaren Folgen.

Info:

Hatespeech (dt. Hassrede) bezeichnet (oft strafrechtlich relevante) Äußerungen, die beleidigend, herabwürdigend oder diskriminierend an Personen oder Gruppen aufgrund von deren Eigenschaften oder Meinungen gerichtet sind. Das Ziel dahinter ist, dieser/n Person/en zu schaden, sie einzuschüchtern, zu provozieren, zu diffamieren, oder generell gegen sie aufzuhetzen.

So bemüht sich die politische Rechte, ihre Schwächen in Stärken zu verwandeln.

©Reconquista Internet

Wer aber steckt hinter diesen digitalen, verbalen und zu oft auch analogen Grausamkeiten? Die digitale Bürgerrechtsbewegung Reconquista Internet betreibt die Meldeplattform HASSMELDEN und kann empirisch belegen, dass 77% aller Meldungen dem rechten und rechtsextremen Spektrum zugeordnet werden müssen. Das Ziel der rechten Manipulation des digitalen Diskurses ist nichts weniger als das Herbeiführen des politischen Umsturz in der Bundesrepublik. Die gezielte Agitation in den Social-Media-Kanälen soll den Weg dorthin bereiten.

Dagegen stemmt sich die Hanns-Seidel-Stiftung in einem breiten zivilgesellschaftlichen Bündnis mit aller Kraft, gemeinsam mit staatlichen Präventionsstellen und kommunalen Behörden in Kooperation mit Reconquista Internet. Aktuell erarbeitet das Netzwerk den „Kompass Wehrhafte Demokratie“, eine hilfreiche Zusammenstellung und Beschreibung der Bedrohungslage durch Hatespeech für den demokratischen Diskurs. Der „Kompass Wehrhafte Demokratie“ schärft nicht nur das Bewusstsein für diese Bedrohung, sondern er bietet neben Präventionshilfen auch einen Leitfaden für Krisenkommunikation und fasst zusammen wie und wo man Hilfe finden kann, wenn man Hass und Hetze zum Opfer gefallen ist. Denn so wehrlos, wie man sich in der akuten Betroffenheit fühlen mag, sind wir nicht. Grundsätzlich ist zwar für alle Bürgerinnen und Bürger hierzulande die Meinungsfreiheit gewährleistet, aber sie hat auch ihre Grenzen. Hass im Netz kann strafrechtlich verfolgt werden: Beleidigung (§185 StGB), Volksverhetzung (§130 StGB), Bedrohung (§241 StGB) oder öffentliche Aufforderung zu Straftaten (§111 StGB).

Info:

Reconquista Internet ist eine digitale Bürgerrechtsinitiative, die sich seit 2018 ehrenamtlich für mehr Vernunft im Internet einsetzt. Schwerpunkte sind Öffentlichkeitsarbeit, Bildungsarbeit und Unterstützung der Rechtsdurchsetzung im digitalen Raum. Im Rahmen des Projekts Hassmelden werden seit einem Jahr jeden Monat tausende Meldungen zu potenziell strafrechtlich relevantem Hatespeech gemeldet.

So kontern wir Hass und Hetze

Viele Betroffene wissen jedoch nicht, wie sie auf Hass und Hetze richtig reagieren können und wie man sich konkret wehren soll. Wann ist Ignorieren, wann ist Anzeigen, wann ist Gegenrede die beste Strategie? Dazu will die Hanns-Seidel-Stiftung noch dieses Jahr neben der Publikation „Kompass Wehrhafte Demokratie“ auch hier auf hss.de einen Themenschwerpunkt setzen. Dort wird jedem die Möglichkeit geboten, sich digital darin zu üben wie man gegen Hass, aber auch gegen krude Verschwörungserzählungen und menschenverachtenden Content vorgehen kann.

Gegen Hass im Netz und antidemokratische Strömungen haben wir gemeinsam mit Reconquista Internet/ Hassmelden Tips für alle erarbeitet, die sich der digitalen Öffentlichkeit aussetzen:

  • Hassrede nicht ignorieren. Digitale Straftaten melden. Opfer unterstützen.
  • Beim Posten nicht selbst in die Provokationsfalle tappen.
  • Shitstorms kritisch betrachten und auf Plausibilität prüfen.
  • Menschenverachtenden Content erkennen, entlarven und dagegenhalten.
  • Plattformen müssen verstärkt in die Verantwortung genommen werden.
  • Fake Accounts und Social Bots melden.
  • Wissen über Manipulationstechniken aufbauen und vermitteln.

Solche Inhalte sind bei weitem nicht auf den ersten Blick von unpolitischer, aktueller Digitalkommunikation (Memes etc.) zu unterscheiden. Sie werden oft absichtsvoll unter dem Deckmäntelchen von Witz und Humor kaschiert, in internetästhetischer Weise verpackt und lehnen sich an die Formensprache von Computerspielen an.

Gemeinsam mit unseren Kooperationspartnern wollen wir für die digitale Mündigkeit unserer Bürgerinnen und Bürger kämpfen und zeigen, wie wehrhaft die Demokratie gegen Hass, Hetze und Menschenverachtung sein kann.

Autoren: Sophia Megrelishvili und Maximilian Th. L. Rückert, HSS

Info:

Um breit darüber aufzuklären, woher ein Shitstorm, woher Hass und Hetze im Netz kommen kann und wie man sich am besten verhält, hat die Hanns-Seidel-Stiftung in Kooperation mit Reconquista Internet/Hassmelden eine Online-Seminar-Reihe „Kompass Wehrhafte Demokratie“ angeboten. Die Teilnehmer konnten ihr Wissen zur politischen Relevanz des digitalen Diskurses vertiefen und ihren Blick für Manipulationsversuche von Rechtsaußen schärfen.

In einer zweiten Runde der Online-Seminare, die gleichzeitig mit dem Erscheinen des „Kompass wehrhafte Demokratie“ beginnen soll, werden wir den Fokus darauf legen, welchen besonderen Formen von sexualisiertem Hass Frauen im Netz ausgesetzt sind und wie wirksam mit Verschwörungsnarrativen gegen die Demokratie agitiert wird.