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Mobilität der Zukunft
Das richtige Verkehrsmittel für den richtigen Zweck auf der richtigen Strecke

Autor: Susanne Hornberger
, Karl Heinz Keil

Die Metropolen der Welt kämpfen mit Staus, Parkplatzmangel in den Innenstädten und nicht zuletzt Luftverschmutzung. Welche Modelle können helfen, ohne die Menschen in ihrer Mobilität einzuschränken?

In unserem Verkehrspodium „Mobilität der Zukunft“ sind wir kürzlich der Frage nachgegangen, ob Sharing-Modelle eine Konkurrenz für Bus und Bahn darstellen.

Die vier Herren lächeln in die Kamera vor dem Eingang zum Konferenzzentrum der HSS in München

Dr. Carl Friedrich Eckhardt (BMW AG) (links), Gerrit Poel (Verband Deutscher Verkehrsunternehmen), Prof. Klaus Bogenberger (Universität der Bundeswehr München) und Karl-Heinz Keil (HSS)

HSS

„Nein“, so lautete die klare, übereinstimmende Antwort von Dr.  Carl Friedrich Eckhardt (BMW AG), Prof. Klaus Bogenberger (Universität der Bundeswehr München), Christoph Weigler (Uber) und Gerrit Poel (Verband Deutscher Verkehrsunternehmen) auf dem Podium. Ebenso übereinstimmend sind alle der Ansicht, dass die Verkehrsmittel noch mehr "zusammenwachsen" müssen, wie Poel es nannte. Denn der sog. „multimodale Mobilitätsmix“ verbindet das „richtige Verkehrsmittel mit dem richtigen Zweck“ (Poel) und der jeweils richtigen Strecke. Wichtig, um nutzergerecht zur Verringerung des individuellen Verkehrs und so zum Umwelt- und Bewohnerschutz beizutragen, ist dabei die gute Vernetzung der einzelnen Verkehrsmittel Busse, Bahnen, Tram, Rad und (Miet-)Kfz. Nur durch eine ganzheitliche Betrachtung lässt sich der wenige Verkehrsraum optimal nutzen.

Neben einem Überblick durch Bogenberger über Carsharing-Systeme, die in ihrer Ur-Form immerhin schon über 50 Jahre alt sind, ging es auch um Ridepooling, wie es Uber anbietet: Mehrere (fremde) Menschen nutzen nur ein Fahrzeug für eine Strecke, sie steigen an unterschiedlichen Punkten an der Strecke zu und aus. So könnten für die gleiche Beförderungsleistung von Personen nur noch ein Viertel an Fahrzeugen benötigt werden, erklärte Weigler.

Gespräch zwischen Weigler und Karl-Heinz Keil von der HSS

"In Deutschland vermittelt Uber in Berlin und München Fahrtwünsche an professionelle Fahrdienstleister - das können Taxi-Fahrer sein oder Chauffeure mit Personenbeförderungsschein." (Weigler)

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77 Länder, 600 Städte

Die Digitalisierung macht's möglich. Laut Eckhardt müsse die eigentliche Frage jedoch lauten: Wie können wir die Verkehrsprobleme lösen? Und genau dazu könne auf Carsharing gar nicht mehr verzichtet werden, denn es sei eine erforderliche Voraussetzung für die Verbesserung der Mobilität und die Lebensqualität in den Städten. Es ginge dabei auch nicht um den Verzicht auf das eigene Auto, sondern darum, ob man die Bereitschaft habe, in eine bessere Welt einzutreten – und genau das müsse gesteuert werden durch Kundenorientierung und Effizienzsteigerung.

Uber ist mittlerweile in 600 Städten in 77 Ländern weltweit aktiv, mit über 10 Millionen Fahrten jedes Jahr. Laut Weigler besteht ein Potenzial für mindestens 5 Milliarden Fahrten. Pooling sei bei 50 Prozent aller Fahrten an der US-Westküste bereits die Regel.

Carsharing ist also eine Riesen-Chance, insbesondere weil das eigene Auto bei immer mehr Menschen nicht mehr das Statussymbol Nummer 1 ist. Auch wenn noch viel zu tun ist, gerade bei politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen: Die Entwicklung fließt, denn der „städtische Verkehr ist bislang weltweit eine Geschichte des Versagens“, behauptet Eckhardt. Weigler hingegen hat schon gar kein eigenes Auto mehr – stattdessen fährt er mit dem Lastenfahrrad.

Wichtiges zum Thema Car-Sharing

CarSharing gibt es in Deutschland seit 1988. In diesem Jahr wurde in Berlin ein Projekt namens stadt-Auto gegründet, aus dem 1990 Deutschlands erste „richtige“ CarSharing-Firma, die STATTAUTO GmbH, hervorging. Heute gibt es in ganz Deutschland rund 150 CarSharing-Organisationen. Sie bieten CarSharing an rund 600 verschiedenen Orten im ganzen Bundesgebiet an. Die Spannweite reicht vom kleinen CarSharing-Verein über Genossenschaften und mittelständische Firmen bis hin zu den Ablegern multinationaler Konzerne.

Beim CarSharing - zu Deutsch "Autoteilen" - besitzt man das Auto nicht selbst, sondern teilt es sich mit Anderen. Halter des Autos ist in der Regel der CarSharing-Anbieter. Kunden schließen mit dem Anbieter bei der Anmeldung einen Rahmenvertrag. Danach können sie alle Fahrzeuge des Anbieters rund um die Uhr selbständig buchen.  Die Buchung erfolgt über die Internet-Seite, Handy-App oder Telefonzentrale des Anbieters. Geöffnet wird das Fahrzeug mit einer Chipkarte oder mit dem Handy. Der Autoschlüssel befindet sich im Fahrzeug. Manche Anbieter verwenden auch sogenannte Schlüsseltresore, die dann direkt neben dem Fahrzeug stehen.

HSS

Etabliert haben sich zwei Carsharing-Varianten: Beim stationsbasierten CarSharing stehen die Autos auf einem festen Parkplatz. Kunden holen den Wagen dort ab, nach der Fahrt bringen sie ihn dorthin zurück.  

Bei der zweiten Variante, dem sogenannten Free-Floating, stehen die Autos irgendwo in der Stadt, frei geparkt. Nutzer orten und buchen sie über das Smartphone. Nach der Fahrt stellen sie den Wagen irgendwo innerhalb des Nutzungsgebiets wieder ab.

Beim peer-to-peer CarSharing wird ein von einer Privatperson besessenes Fahrzeug zugleich zum Teilen angeboten, meist über eine Internetplattform, manchmal aber auch in Form des nachbarschaftlichen Teilens. Dieser CarSharing-Variante fehlt die rahmenvertragliche Regelung.

Beim RideSharing werden einzelne Fahrten, die der Nutzer eines privaten Pkw unternimmt, als Mitfahrgelegenheit angeboten. Auch hier fehlen die rahmenvertragliche Regelung und Zusicherung der Buchbarkeit einer freien Fahrt.

Weigler blickt vielsagend und smart in die Kamera

Christoph Weigler leitet seit August 2016 den Fahrdienstvermittler "Uber" in Deutschland. Der 34-Jährige hatte bis dahin als Unternehmensberater für "Bain&Company" und "Arthur D. Little" gearbeitet.

Weigler

Interview mit Christoph Weigler, GM von "Uber" in Deutschland

HSS: Sehr geehrter Herr Weigler, bitte erklären Sie uns doch kurz das Geschäftsmodell von Uber. Womit verdienen Sie ihr Geld?

Uber ist eine Mobilitätsplattform. Es ist unser Ziel, die Mobilität von Menschen zu erhöhen und gleichzeitig die Verkehrsbelastung der Städte zu reduzieren. Das schaffen wir unter anderem dadurch, dass wir über unsere App Angebot und Nachfrage nach Mobilitätsleistungen effizient zusammenbringen.

In Deutschland vermittelt Uber in Berlin und München Fahrtwünsche an professionelle Fahrdienstleister - das können Taxi-Fahrer sein oder Chauffeure mit Personenbeförderungsschein. Für den Nutzer heißt dass: Er kann einfach per Klick auf dem Smartphone ein Fahrzeug bestellen, das ihn sicher und bezahlbar ans Ziel bringt.

Zu unserem Angebot in München gehört auch UberGREEN. Bei diesem Dienst kann man eine Fahrt in einem vollelektrischen Fahrzeug bestellen. Dies wollen wir in Kürze auch in Berlin anbieten. Daneben wollen wir in Berlin bald auch “Jump” einführen, einen Service bei dem man mit der Uber App auch elektrische Fahrräder ausleihen kann.

HSS: "Sharing" dient einer neuen Generation von Konsumenten, die mit dem Tauschen und Teilen aufgewachsen sind, längst als Funktionsprinzip ihres Lebens. Ich muss nicht alles physisch besitzen, was ich nutzen will. Brauche ich dank Uber und anderer Dienste in Zukunft auch kein eigenes Auto mehr?

Unser Ziel ist, dass Menschen weniger auf ein eigenes Auto angewiesen sind und die Fahrzeuge auf den Strassen besser ausgenutzt werden können.

Der privat genutzte Pkw ist in vielerlei Hinsicht ineffizient. Zum einen steht er die meiste Zeit ungenutzt herum und blockiert den öffentlichen Raum. Zum anderen transportiert er, wenn er mal fährt, meist nur eine Person.

Wir wollen eine echte Alternative dafür anbieten. Das geht aber nur gemeinsam mit allen anderen Mobilitäts-Anbietern. Denn nur wenn individuelle Mobilität im Mix aus öffentlichen Verkehrsmitteln, Ridesharing, Carsharing, Bikesharing, Taxi und Uber jederzeit günstig, schnell und flexibel abrufbar ist, lassen mehr Menschen ihr eigenes Auto stehen und verzichten am Ende ganz darauf.

Dies wirkt sich positiv auf die Verkehrsbelastung und nicht zuletzt die Raumnutzung in Städten aus. Mit dem frei werdenden Parkraum gäbe es auch mehr Platz für Grünflächen, Cafés und vieles mehr.

HSS: Neue junge Unternehmen, Start-Ups, verändern Märkte oft radikal. In diesem Zusammenhang wird oft von Disruption gesprochen. Wirkt Uber disruptiv? Und wie sehen Sie in diesem Zusammenhang das Verhältnis zu bestehenden Märkten und Unternehmen? Gibt es dabei so etwas wie gesellschaftliche Verantwortung?

Selbstverständlich. Vor allem wenn es um Mobilität geht, finden die Produkte und Lösungen, die man anbietet, mitten im Alltag der Menschen statt. Als sehr junges Unternehmen mussten wir lernen, diese Verantwortung zu begreifen und anzunehmen. Zu Beginn fiel uns das nicht leicht, und wir haben Fehler gemacht. Dazu gehört sicherlich auch, dass wir in Deutschland mit dem Service UberPOP gestartet sind, bei dem Privatleute ihre Dienste über die App anbieten. Wir haben daraus gelernt und arbeiten nun schon seit 2015 ausschließlich mit professionellen Fahrern zusammen, die einen Personenbeförderungsschein besitzen. Mittlerweile bieten wir zudem in der EU und in vielen weiteren Ländern auf der Welt auch kostenlose Versicherungsprogramme für selbständige Fahrer an, und wollen auch in dieser Hinsicht unserer Verantwortung gerecht werden. 

Disruption ist ein Begriff, den ich nicht gerne verwende, da er die positiven Effekte nicht ausreichend reflektiert. Wenn wir durch den Einsatz unserer Technologie dazu beitragen können, dass Autos, die vorher 5 Prozent der Zeit genutzt wurden, jetzt mit einem professionellen Chauffeur um die 60 Prozent der Zeit genutzt werden, dann sind da positive Effekte für die von Autos überfüllten Innenstädte. Wenn man dann noch, wie bei unserem Dienst uberPOOL, zwei oder drei Personen, die in die gleiche Richtung möchten, in ein Auto setzt, dann verstärken wir den Effekt noch zusätzlich.

Natürlich nehmen wir aber auch ernst, dass uns etablierte Marktteilnehmer eher als Disruptoren denn als Innovatoren wahrnehmen. Unser Zielmarkt ist aber zum Beispiel nicht das Taxi-Klientel. Wir sprechen Menschen an, die jeden Tag mit dem eigenen Auto in die Stadt fahren. Diese Menschen zu überzeugen, auf einen Mobilitätsmix aus ÖPNV, Carsharing, Uber und Taxi umzusteigen, ist unser Ziel, und davon profitieren dann alle – auch die Taxi-Anbieter.

HSS: Sie sind global sehr erfolgreich. Aber Uber hatte auch einige interne Probleme. Zudem gab und gibt es spezifische Probleme in Deutschland. Die Taxibranche stellt sich z.B. gegen Uber. Es wird immer wieder auf das Personenbeförderungsgesetz verwiesen. Dieses Gesetz und andere Zulassungsvoraussetzungen sind ja auch Schutzregelungen für den Kunden. Ich will als Kunde, dass der Fahrer qualifiziert und das Auto gut gewartet ist. Haben Sie Verständnis, wenn manche kritisch auf Ihren Dienst blicken?

Selbstverständlich. Sicherheit und Qualität sind absolut unabdingbar und haben bei Uber höchste Priorität. Deshalb arbeiten wir schon seit mehreren Jahren ausschließlich mit professionellen Mietwagen- und Taxiunternehmern und Fahrern mit Personenbeförderungsschein zusammen. Auch alle Fahrzeuge sind zusätzlich geprüft und konzessioniert.

Mithilfe der Technologie in der App können wir sogar auch noch über die gesetzlichen Anforderungen hinausgehen, was Sicherheit und Service-Qualität angeht: So ist für den Nutzer beispielsweise direkt in der App vorab ersichtlich, wie der Fahrer heißt, welches Auto er fährt, und welches Nummernschild das Auto hat. Auch ist der Fahrtweg des Wagens immer über die App ersichtlich und der Preis schon vor Fahrtbeginn vollkommen transparent.

HSS: Die Gesetzeslage in Deutschland, was die Personenbeförderung angeht, soll liberalisiert werden. Was ist dabei für Sie wichtig?

Im europäischen und weltweiten Vergleich gehört das deutsche Personenbeförderungsrecht zu den strengsten. Das hat auch viele gute Gründe. Als Mobilitätsland sollte Deutschland gerade auch bei den neuen Mobilitätslösungen eine entscheidende Rolle spielen. Der gegenwärtige Rechtsrahmen in Deutschland lässt jedoch viele Innovationen, die weltweit schon auf viel Zuspruch stoßen, nicht zu. Gerade für die Automobilhersteller hierzulande ist es aber von besonderer Wichtigkeit, neue Mobilitätskonzepte in Deutschland testen und weiterentwickeln zu können.

Nehmen Sie das Pooling-Verbot hierzulande: Mit der Möglichkeit des Pooling könnten wir mehr Menschen in weniger Autos bringen und so den Straßenverkehr reduzieren. Oder auch die Rückkehrpflicht, die es Mietwagen-Chauffeuren vorschreibt, nach jeder Fahrt leer zu ihrem Betriebssitz zurückzufahren. Das ist weder umweltfreundlich noch effizient und erscheint insbesondere im Licht der aktuellen Diskussion um Fahrverbote in deutschen Städten überholt.

Regulierungen wie diese stammen aus einer Zeit vor Mobilfunk und Internet und lassen nicht zu, dass Technologie mehr Effizienz und weniger Ressourcenverschwendung ermöglicht. Dieser Ansatz sollte aus unserer Sicht stärker berücksichtigt werden.

HSS: Ihr Dienste funktionieren global betrachtet bereits sehr gut in urbanen Räumen. Aber Bayern beispielsweise, ist ein Flächenstaat. Wie sieht es bei der Nutzung Ihres Dienstes mit dem ländlichen Raum aus?

Gerade auch im ländlichen Raum können Lösungen wie Uber große Effekte erzielen, das zeigen unsere Erfahrungen in den USA. Insbesondere dort, wo der ÖPNV nicht gut ausgebaut ist, wäre es sinnvoll, wenn Bewohner von kleinen Ortschaften einander sicher und transparent über eine App Fahrten anbieten könnten. Dort können Services wie Uber eine gute Ergänzung zum bestehenden öffentlichen Verkehrsnetz bieten.

HSS: Den ökologischen Herausforderungen der Mobilität werden wir nicht gerecht, wenn pro Auto nur eine Person befördert wird. Stichwort "Pooling". Wie ist ihre Position dazu?

Wir sind große Befürworter des Poolings, bei dem Nutzer, die in die gleiche Richtung möchten, sich eine Fahrt teilen können. Dadurch wird die Fahrt für den einzelnen Nutzer günstiger und die Auslastung der Wagen steigt. So können wir erreichen, dass wir mehr Menschen in weniger Autos transportieren, und weniger Autos auf den Straßen unterwegs sind - was rundum positiv für Verkehr und Umwelt ist.

Unser Dienst UberPOOL ist weltweit bereits sehr erfolgreich. In einigen Städten wie San Francisco sind bereits über 50 Prozent der vermittelten Fahrten geteilte Fahrten. Diesen Dienst würden wir gerne auch in Deutschland anbieten. Der derzeitige Rechtsrahmen hierzulande verbietet dies jedoch.

HSS: Besitzen Sie noch ein eigenes Fahrzeug und wozu nutzen Sie es?

Nein, ich habe mein Auto verkauft. Rund um meine Wohnung ist so gut wie nie ein Parkplatz zu finden. Dafür nutze ich jetzt häufiger den ÖV, Scooter-Sharing, oder fahre mit dem Rad.

HSS: Herr Weigler, vielen Dank für das Gespräch!

Medien, Digitale Gesellschaft, Mobilität, Innovation
Karl Heinz Keil
Leiter