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Zellen- und Batterieproduktion in Deutschland
Eine Branche unter Strom?

Autor: Susanne Hornberger

Batteriekonstruktion für steigende Elektromobilität ist eine Schlüsseltechnologie. Um hier die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands zu stärken, haben sich Industrieunternehmen und Forschungsinstitute zum Industrieverbund "Kompetenznetzwerk Lithium-Ionen-Batterien" (KLiB) zusammengeschlossen. Wir haben mit seinem Geschäftsführer, Dr. Michael Krausa, ein Interview geführt, nach dem Motto: Wohin fließt der Strom?

Mehr Elektromobilität soll nicht zur Entlastung bei der Luftbelastung gerade in den Ballungsräumen sorgen. Damit die Elektromobilität aber endlich mehr Spannung erhält, braucht es neben der erforderlichen Ladeinfrastruktur, einem "Umkehrstrom" in den Köpfen der Menschen vor allem leistungsstarke Batterien. Und diese Kraftzellen werden derzeit noch oft von deutschen Autobauern in China zugekauft. Ein neues Werk in Thüringen soll die Produktion nun nach Deutschland bringen. Aber nicht etwa durch ein deutsches oder europäisches Unternehmen. Vielmehr will der chinesische Hersteller Contemporary Amperex Technology Ltd. (CATL) Batteriezellen für Elektroautos in Thüringen produzieren. Durch die geplante Ansiedlung von CATL mit einem Investitionsvolumen von 240 Millionen Euro und 600 geplanten Arbeitsplätzen wird in Deutschland eine der größten Batteriezellenfabriken Europas entstehen. Auch Tesla-Chef Elon Musk verhandelt derweil in Deutschland, weil er eine sogenannte Gigafactory in Europa plant. Nach dem Saarland wirbt nun auch Rheinland-Pfalz darum, Standort einer neuen Tesla-Fabrik zu werden, in der E-Autos und Akkus unter einem Dach gebaut werden. Längst höchste Zeit also, sich dem Thema Batteriebau in Deutschland zu widmen.  

Ein Elektro-BMWi3 steht an einer Ledesaüle und wird mit Strom versorgt

Ohne Batterie keine E-Mobilität - Batteriebau ist die Schlüsseltechnik

Thomas Reiner; HSS

HSS: Sehr geehrter Herr Dr. Krausa, das Thema "Batterie" klingt zunächst nicht nach "High-Tech" oder gar Schlüsseltechnologie. Warum ist das Thema so wichtig?

Michael Krausa: "Was wünschen wir uns von einem Handy? Es soll gut aussehen, möglichst viele Funktionen und eine möglichst lange Laufzeit haben. Hohe Funktionalität bei gleichzeitig langer Laufzeit basieren auf den eingesetzten Batterien. Diese bestimmen also zu einem ganz wesentlichen Anteil unsere Zufriedenheit mit dem Handy. Das gilt für alle Produkte, die mit Batterien betrieben werden, von Hörgeräten, medizinischen Geräten über Gartenroboter und Elektrofahrzeuge bis hin zu Bussen, Eisenbahnen und Schiffen. Batterien sind die Enabler für eine Vielzahl von High-Tech-Produkten und damit ein Schlüsselelement. Darüber hinaus sind Batteriezellen und deren Produktion selbst High-Tech. Die Chemie bestimmt die Performance der Batteriezellen und deren Entwicklung. Diese Entwicklung ist nach wie vor nicht abgeschlossen. Neue Materialien und neue Fertigungsmethoden, die zu höherer Performance und zu günstigeren Preisen führen, sichern die Wettbewerbsfähigkeit ganzer Wertschöpfungsketten."

 

HSS: Beim Thema "Mobilität" wird aktuell sehr viel über Elektromobilität gesprochen. Vielen gilt das Elektroauto als das Fahrzeug der Zukunft. Allerdings lassen die Verkaufszahlen noch zu wünschen übrig. Neben der noch nicht ausreichend ausgebauten Ladeinfrastruktur ist dabei das Thema Reichweite ein regelmäßiger Kritikpunkt der Kunden. Eine Batterie, die nur eine Reichweite von 200 km ermöglicht, ist den meisten Menschen zu wenig. Können wir hier mit Fortschritten rechnen? Wie ist der Stand der Forschung?

Michael Krausa: "International wird intensiv an der Optimierung und Neuentwicklung von Materialien für Batteriezellen gearbeitet. Alleine das Lithium-Ionen-System weist auf Grund der Vielzahl an möglichen Chemien noch erhebliches Potential auf. Dabei erfolgt die Entwicklung nicht sprunghaft, sondern evolutionär. Ein schönes Beispiel dafür ist das Batteriesystem im BMW i3. Zunächst startete BMW mit Zellen mit einer Kapazität von 60 Ah. Verbesserte Zellen lieferten im nächsten Schritt schon eine Kapazität von 94 Ah. Dadurch wurde bereits die Reichweite enorm erweitert. Und damit ist nicht Schluss, denn die nächsten Zellen sollen bereits eine Kapazität von 120 Ah aufweisen, doppelt so hoch wie die Ursprungsvariante. Sie erreichen damit auch eine deutlich höhere Reichweite. Darüber hinaus wird an weiteren Systemen geforscht und Batterien entwickelt, die zu noch größeren Steigerungen und damit Reichweiten führen sollen."

 

HSS: Wie jetzt bekannt wurde, will der chinesische Batteriehersteller Contemporary Amperex Technology Ltd. (CATL) bis 2022 rund 240 Millionen Euro in sein erstes Werk außerhalb Chinas investieren. Die Batteriefabrik, die unweit von Erfurt entstehen soll, wird eine Kapazität von 14 Gigawattstunden haben. Neben der automatisierten Produktion von Batterien sollen auch Forschung und Entwicklung sowie die Qualitätskontrolle und hochwertige Dienstleistungen eine große Rolle spielen. Warum baut kein deutsches Unternehmen eine vergleichbare Fabrik in Deutschland?

Michael Krausa: "Möglicherweise hat dies bei den einzelnen Unternehmen unterschiedliche Gründe. Aber ein Aspekt ist sicherlich das hohe Investitionsrisiko. Der Aufbau einer Großserienfertigung ist mit enormen Kosten verbunden. Hauptkostenträger der Batteriezellen sind, mit 50-60% die eingesetzten Materialien. Um wettbewerbsfähige Zellpreise zu erreichen, gilt es eine Großserienfertigung für Zellen zum Einatz in Elektrofahrzeugen so auszulegen, dass ähnliche Skaleneffekte erreicht werden, wie bei den großen internationalen Wettbewerbern. Unternehmen schätzen, dass sie dazu eine Fertigungskapazität von ca. 200 GWh/a in 2025 aufbauen müßten. Die Investitionskosten werden auf 20 Mrd. Euro geschätzt.

Die Performance der Zellen basiert aber nicht alleine auf den eingesetzten Materialien, sondern auch auf der Produktion und der Produktionserfahrung. Obwohl in Deutschland alle für den Aufbau einer Großserienzellenfertigung notwendigen Unternehmen kompetent vertreten sind, verfügt Deutschland nicht über die Produktionserfahrung in der Großserienfertigung für elektromotive Anwendungen. Der Erwerb der Produktionserfahrung ist aber auch mit Risiken verbunden, die heute am Markt aktive Unternehmen bereits überwunden haben. Daneben spielen sicherlich auch die unterschiedlichen öffentlichen Fördermöglichkeiten in anderen internationalen Wirtschaftsregionen eine Rolle."

 

"Batterien sind die Enabler für eine Vielzahl von High-Tech-Produkte und damit ein Schlüsselelement", sagt Michael Krausa.

"Batterien sind die Enabler für eine Vielzahl von High-Tech-Produkte und damit ein Schlüsselelement", sagt Michael Krausa.

Isabel Pantke; HSS

HSS: Generell scheint Europa im Segment "Batterie- und Zellenproduktion" das Nachsehen zu haben. Sorgt Sie das?

Michael Krausa: "Die Situation für Europa entspricht der für Deutschland. Es ist erfreulich, dass die Bedeutung von Batteriezellen und deren Großserienfertigung für den Standort Europa auch von der Europäischen Kommission erkannt wurde. Der Vize-Präsident der Europäischen Kommission Maros Sefcovic hat im letzten Jahr die „Battery Alliance“ ins Leben gerufen. Ziel ist es in einem gemeinsamen Schulterschluss zwischen Industrie und Politik Wege zum Aufbau einer Großserienfertigung zu finden und zu eröffnen. Im besonderen Fokus stehen dabei drei europäische Initiativen: Northvolt in Schweden, TerraE in Deutschland und Saft in Frankreich."

 

HSS: Oft schieben sich die Akteure bei den Zukunftsfragen der Mobilität gegenseitig den "schwarzen Peter" zu. Wen sehen Sie in der Verantwortung, wenn wir die Batterie- und Zellenforschung in Deutschland vorantreiben wollen: Wissenschaft, Wirtschaft oder Politik?

Michael Krausa: "Die Batteriezellenforschung ist konsequent in den letzten Jahren durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) in Deutschland wieder aufgebaut worden. Im internationalen Vergleich nimmt die Batterie- und Zellfertigung heute sicherlich wieder eine Spitzenposition ein. Es gilt jetzt diese Spitzenposition zu festigen und weiter auszubauen. Schöne Beispiele dafür sind der Kompetenzcluster Prozell, in dem Forschungseinrichtungen zu produktionstechnologischen Fragestellung der Zellfertigung zusammenarbeiten und ein neuer geplanter Cluster, der einen Schwerpunkt bei Festkörperbatterien bilden soll."

 

HSS: Erlauben Sie mir eine letzte persönliche Frage: Sind Sie mit einem batteriebetriebenen Fahrzeug unterwegs und würden Sie ein derartiges Fahrzeug empfehlen?

Michael Krausa: "Ja, ich fahre privat elektrisch. Die Entscheidung für ein Elektrofahrzeug ist uns leicht gefallen. Meine Frau und ich hatten überlegt, wann wir in den letzten zwei Jahren mit dem Auto eine längere Strecke als 250 km gefahren sind: Nur zwei Mal, ansonsten sind wir mit der Bahn gefahren. Unser tägliches Fahrprofil liegt unter 100 km. Wir fahren nun seit zwei Jahren elektrisch und sind vollauf zufrieden. Daher, wenn es Ihr Fahrprofil zulässt, kann ich Ihnen ein Elektroauto nur empfehlen. Es macht viel Spaß, leise zu fahren und die Beschleunigung macht doppelt Spaß."

 

Dr. Michael Krausa ist Geschäftsführer des Kompetenznetzwerk-Lithium-Ionen Batterien (KliB) e.V., Berlin.
Er studierte Chemie an der Universität Bonn und promovierte dort im Fach Elektrochemie. Danach war er Gruppenleiter Brennstoffzellen/Sensorik am Fraunhofer-Institut für chemische Technologie (ICT), Pfinztal, von 1998 bis 2008 Abteilungsleiter "Angewandte Elektrochemie am Fraunhofer-Institut für chemische Technologie (ICT)". Später führte ihn sein Berufsweg zum Open Innovation Management bei der Ciba AG/BASF SE Basel.

Medien, Digitale Gesellschaft, Mobilität, Innovation
Karl Heinz Keil
Leiter