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Das Feedback der Politik von Dr. Wolfgang Stefinger, MdB
Eure Meinungen zu Nachhaltigkeit

Digitalisierung wohin man schaut, technologischer Fortschritt, laufende Transformation hin zu einer Wissensgesellschaft, Wirtschaftswachstum oder Nachhaltigkeit: Was ist dir wichtig, was sind deine Ideen? Was muss getan werden? In einem Barcamp haben wir mit euch über Wirtschaft, Digitalisierung & Klimaschutz diskutiert. Die Ergebnisse haben wir der Politik präsentiert. Dr. Wolfgang Stefinger, MdB, stellt sich Euren Impulsen.

Lächelnder Mann

Dr. Wolfgang Stefinger, MdB, wurde 2013 im Wahlkreis München-Ost direkt gewählt. Er ist seit 2018 Vorsitzender im Fachausschuss Entwicklungspolitik des Außen- und Sicherheitspolitischen Arbeitskreises der CSU. In Berlin engagiert er sich in diversen Ausschüssen, etwa im Ausschuss für Bildung, Forschung & Technikfolgenabschätzung des Bundestages.

©Tobias Koch

Konrad Teichert, HSS: Lieber Herr Dr. Stefinger, zuerst vielen Dank für Ihre Zeit, sich mit den Gedanken und Anregungen unserer Teilnehmer zu beschäftigen. In unserem ersten „Barcamp“ haben wir „Digitalisierung & Klimaschutz“ diskutiert und uns gefragt: Was ist Dir wichtig? Was sind Deine Ideen? Was muss getan werden? Nun stellen wir die Diskussionsergebnisse und Inhalte Ihnen als Vertreter der Politik als Impulse vor und freuen uns auf Ihr Feedback.

Dr. STEFINGER: Vielen Dank für das interessante Interviewformat, ich bin gespannt auf den Input der Barcampler.

HSS: Digitalisierung bietet neue Möglichkeiten für die Wirtschaft, um klimafreundlich zu agieren. Zum Beispiel bietet die Kreislaufwirtschaft viele Chancen an. Wie sehen Sie dies?

Auch die Digitalisierung verbraucht Ressourcen, zum Beispiel Energie für die Rechenzentren. Aber, sie bietet eben auch viele Chancen um Umweltschutz voranzubringen. Ich bin davon überzeugt, dass wir die sich bietenden Potenziale identifizieren und nutzen müssen. Dafür braucht es aber Technologieoffenheit und Innovationen statt Verbote. Ein Anwendungsbeispiel ist das sogenannte Smart Grid – unter diesem Begriff versteht man ein intelligentes Stromnetz, das mithilfe digitaler Technologie so optimiert wird, dass innerhalb des Netzes ein Informationsaustausch erfolgt, mit dessen Hilfe die Stromerzeugung, der Verbrauch und die Speicherung dynamisch gesteuert werden können. Als Mitglied im Forschungsausschuss des Bundestages bin ich davon überzeugt, dass innovative Technologien eine Schlüsselrolle im Kampf gegen den Klimawandel und gegen Umweltverschmutzung spielen werden. Dementsprechend habe ich mich in den vergangenen Jahren auf Bundesebene vehement für mehr Förderprogramme und günstige Forschungsbedingungen in der Nachhaltigkeitsforschung eingesetzt.

Was ist ein Barcamp?

Bei einem Barcamp legen die Teilnehmenden die Agenda und die Themen einer Veranstaltung fest. Ziel ist es, in Kleingruppen die zuvor selbst entwickelten Themen zu diskutieren und Ideen, Lösungen und Handlungsempfehlungen zu erarbeiten. 

HSS: Im Barcamp haben wir uns darüber gefreut, dass in vielen Bereichen Nachhaltigkeit wichtiger wird, zum Beispiel in der Mode, in der Technik, bei der Ernährung oder Reisen. Öffentliche Aktionen, zum Beispiel „clean ups“, werden häufiger und sind sehr beliebt, Einwegprodukte werden weniger genutzt, Unverpackt-Läden entstehen, das Bewusstsein für Ressourcenknappheit ist gestiegen, auch in vielen Unternehmen…wie bewerten Sie diese aktuellen Entwicklungen?

Die angesprochenen aktuellen Entwicklungen verfolge ich sehr aufmerksam und mit großem Interesse. In den letzten Jahren hat hier sicherlich ein Bewusstseinswandel in der Breite der Öffentlichkeit eingesetzt. Weil gerade schon die Modeindustrie zur Sprache kam: Ich glaube hier muss man ehrlich festhalten, dass diese Industrie in der Vergangenheit nicht durch umfassende Nachhaltigkeitsbestrebungen aufgefallen ist. Das liegt natürlich nicht nur an Unternehmen, sondern auch am Konsumverhalten der Verbraucher – Stichwort „Fast fashion“. Es ist gut, dass auch hier einiges in Bewegung gekommen ist. Dass es ein erstes staatliche Textilsigel, den „Grünen Knopf“ gibt, der klare Orientierung beim Kauf von sozial und ökologisch hergestellten Textilien gibt, finde ich eine hervorragende Initiative unseres CSU-Entwicklungsministers Gerd Müller. Mittlerweile machen 52 Unternehmen mit, darunter anerkannte Nachhaltigkeits-Pioniere der ersten Stunde, Sportlabel, Familienbetriebe und Mittelständler sowie auch große internationale Einzelhändler. Zum anderen konnten wir im Bundestag nach langwierigen Verhandlungen im Juni das Lieferkettengesetz verabschieden. Grundsätzlich geht es darum, dass Waren und Dienstleistungen, die die Verbraucher in Deutschland beziehen, nicht unter Nutzung ausbeuterischer Arbeitsverhältnisse hergestellt werden, sei es bei den Näherinnen in der Textilfabrik oder dem Arbeiter in der Landwirtschaft. Das Gesetz trägt dazu bei, soziale und ökologische Mindeststandards in der Produktion zu verankern.

HSS: Ich werde Ihnen jetzt die Ideen und Handlungsempfehlungen vorstellen, die wir im Barcamp erarbeitet haben und freue mich über Ihre Einschätzung: Es ist nicht einfach, sich immer „nachhaltig“ zu verhalten und es wäre schön, wenn nachhaltiges Verhalten leichter in den Alltag integrierbar wäre. Das könnte man fördern durch staatliche Vorgaben zu Umweltschutz und Nachhaltigkeit. Denkbar wäre es auch, Anreize zum Kauf nachhaltigerer Produkte zu schaffen.

Diese Forderung aus der Bevölkerung wird tatsächlich oft an die Politik herangetragen und dafür habe ich auch absolutes Verständnis. Ich merke es ja selbst im Alltag wie schwierig es teilweise ist, wenn man sich vornimmt nachhaltige Konsumentscheidungen zu treffen beziehungsweise insgesamt das eigene Verhalten nach Nachhaltigkeitskriterien zu gestalten. Das oben von mir bereits erwähnte staatliche Textilsiegel „Grüner Knopf“ sowie das Lieferkettengesetz sind Beispiele wie wir von staatlicher Seite zum einen für mehr Orientierung für Verbraucher sorgen und zum anderen den Unternehmen hierzulande auch klare und rechtssichere Vorgaben hinsichtlich sozialökologischer Produktion an die Hand geben. „Made in Germany“ soll in Zukunft nicht nur für hohe Qualitätsstandards, sondern eben auch für nachhaltige Produktionsverfahren stehen.

HSS: Von dem Gedankengang der Ressourcen- bzw- Rohstoffknappheit ging die Diskussion über zum Problem der Überproduktion und des aktuellen Konsumverhaltens, das die Barcampler (selbst)kritisch sahen. „Wiederverwenden statt verschwenden“ haben wir uns als Impuls notiert.

Die Menschheit ist an einem Punkt angekommen, an dem eine weitere Übernutzung von Ressourcen die Biosphäre erheblich zu schädigen droht. In Bezug auf die Problematik der Überproduktion sehe ich dementsprechend unsere Bemühungen hin zu einer echten Kreislaufwirtschaft als Königsweg zu mehr Nachhaltigkeit. Natürlich bleibt hier noch viel zu tun, allerdings haben wir vonseiten des Bundes in der vergangenen Legislaturperiode bereits wichtige Weichenstellungen vorgenommen. Dazu gehört die Nationale Bioökonomiestrategie der Bundesregierung, in deren Rahmen wir beispielsweise die Forschungsförderung zu biogenen Rohstoffen massiv ausbauen. Diese nachhaltigen Rohstoffe sind unerlässlich, um den Ressourcenverbrauch auf ein ökologisch verträgliches Maß zu reduzieren. Darüber hinaus haben wir 2019 mit dem Verpackungsgesetz neue Vorschriften zum Produktdesign erlassen, welche höhere Sammel- und Verwertungsquoten für alle Arten von Verpackungsabfällen vorschreiben. Auch die Nationale Strategie zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung trägt zur Kreislaufwirtschaft bei. Ziel ist, die Lebensmittelverschwendung bis 2030 pro Kopf auf Handels- und Verbraucherebene zu halbieren. Der Export von Plastikabfällen unterliegt seit 2019 verschärften Regeln. Danach dürfen Plastikabfälle in Zukunft nur noch frei gehandelt werden, wenn sie gereinigt und gut sortiert sind und sich recyceln lassen. Der Export schlecht recycelbarer Abfälle aus der EU in Entwicklungsländer ist seit Beginn diesen Jahres untersagt. Mit dem Elektro-Elektronikgeräte-Gesetz haben wir Hersteller dazu verpflichtet, Verantwortung für den gesamten Lebenszyklus ihrer Geräte zu übernehmen. Auch der illegale Handel mit alten Elektrogeräten soll weiter eingedämmt werden. Die entsprechenden Leitlinien für den Handel mit diesen Geräten wurden verschärft. Desweiteren fördert die Bundesregierung im Rahmen der globalen umweltpolitischen Zusammenarbeit die ökologisch gerechte Abfallentsorgung von 2019 bis 2023 mit 50 Millionen Euro. Die Thematik findet sich übrigens auch im Kapitel „Wegwerfgesellschaft beenden, Kreislaufwirtschaft stärken“ im gemeinsamen Wahlprogramm von CDU und CSU wieder.

HSS: Im wirtschaftlichen Kontext haben wir die Forderung: „Transparenz statt Green Washing“ formuliert. Wie kann Nachhaltigkeit in Unternehmen verankert werden?

Das oben bereits erwähnte Lieferkettengesetz ist der vorrangige Beitrag der Bundespolitik, um die Unternehmen hierzulande dabei zu unterstützen, ihre Produktion nachhaltiger zu gestalten. Es beinhaltet klare Offenlegungs- und Transparenzverpflichtungen, denen die Unternehmen regelmäßig nachkommen müssen. Ich möchte aber an dieser Stelle auch betonen, dass ich viele Unternehmen sehe, die sich der Nachhaltigkeitsthematik im eigenen Einflussbereich mit enormem Engagement widmen. Ich spüre gerade auch bei vielen mittelständischen Unternehmen den eindeutigen Wunsch, einen Beitrag zur globalen Nachhaltigkeit zu leisten. Das stimmt mich optimistisch, selbst in Anbetracht der gewaltigen Herausforderungen. Grundsätzlich betrachtet beobachte ich, dass meistens dann große Fortschritte im Unternehmensumfeld gemacht werden, wenn sich die Firmenleitung oder die Inhaber der Thematik annehmen und darauf achten, dass Nachhaltigkeit als Wert in der gesamten Unternehmenskultur dauerhaft verankert wird, jenseits von kurz angelegten öffentlichkeitswirksamen Kampagnen.

HSS: Großen Anklang fand die Anregung, konkrete Engagements, Projekte & Initiativen, die sich der Nachhaltigkeit widmen, stärker direkt zu unterstützen. Wir haben dabei an „Sharonomics“ gedacht, also zum Beispiel moderne Mobilität durch Sharing Apps, Tauschbörsen, „Shared Spaces“ beim Arbeiten aber auch genossenschaftlich organisierte Wohnkonzepte. Es muss außerdem leichter werden, Förderanträge zu stellen.

Diese Ideen finde ich alle sehr spannend. Neue sozial-ökogische Konzepte dieser Art sind auf dem Vormarsch und sollten definitiv noch mehr Berücksichtigung auch seitens der Politik finden. In diesem Zusammenhang bietet die sogenannte „Sharing Economy“ in meinen Augen tatsächlich ganz neue und innovative Ansätze. In Sachen Projektförderung stimme ich den Barcamplern voll und ganz zu – wir müssen die Antragstellung in vielen Bereichen entbürokratisieren und verschlanken. Wenn der bürokratische Aufwand dazu führt, dass bürgerschaftliches Engagement im Keim erstickt wird, wie ich es im Rahmen meiner Arbeit im Entwicklungsausschuss immer wieder erlebt habe, dann läuft etwas schief. Deshalb begrüße ich den Vorstoß von Unionsfraktionschef Brinkhaus und Kanzlerkandidat Laschet, der Vereinfachung, Entbürokratisierung und Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung im Rahmen eines Modernisierungsjahrzehnts höchste Priorität einzuräumen. Dies gilt selbstverständlich auch für die oben genannten Initiativen und Projekte.

HSS: Herr Dr. Stefinger, vielen Dank für die spannenden Antworten und Ihre Zeit!

Wirtschaft, Finanzen, Arbeit, Soziales
Konrad Teichert
Leiter