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DR Kongo - Geopolitik und Elektromobilität
Neue Chancen für den Minensektor?

Autor: Malte Liewerscheidt

Sowohl die Folgen der Covid-19-Pandemie als auch der russische Angriff auf die Ukraine stellen die globalen Rohstofflieferketten vor immense Herausforderungen. Die Pandemie führte zu unzähligen Unterbrechungen internationaler Lieferketten, Exportbeschränkungen und Einschränkungen in Produktionsabläufen.

  • Abhängigkeit von Rohstoffen
  • Minensektor der DR Kongo wird ausgebaut
  • Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz

Die Suche nach Alternativen zu Rohstoffimporten aus Russland rückt nun zunehmend rohstoffreiche Länder wie die Demokratische Republik Kongo (DR Kongo) in den Fokus. Der traditionell starke Bergbausektor des Landes könnte insbesondere bei dem wichtigen Industriemetall Kupfer sowie bei Industriediamanten die Abhängigkeit von russischen Importen reduzieren helfen. Zudem stammen 70 Prozent der weltweiten Produktion von Kobalt, einem bedeutenden Metall für die Elektromobilität, aus der DR Kongo. Dennoch bleiben nicht zuletzt vor dem Hintergrund der deutschen und europäischen Lieferkettengesetzgebung für die deutsche Industrie erhebliche Risiken, wenn die DR Kongo als Bezugsquelle für Rohstoffe an Profil gewinnen sollte.

Faktor Russland

Mitten in der Erholung von der Covid-19-Pandemie trifft der aktuelle Konflikt zwischen Russland und der Ukraine die Wirtschaft weltweit. Dabei wird zunehmend deutlich, dass Staaten wie Deutschland nicht nur von russischen Öl- und Gasimporten, sondern ebenso von metallischen Rohstoffen wie Nickel, Eisen, Palladium und Kupfer abhängig sind. Der politische Wille, die Energie- und Mobilitätswende beschleunigt voranzutreiben, impliziert, dass der Importbedarf weiter steigen wird. Derzeit deckt Russland unter anderem 44 Prozent der deutschen Nickel- sowie 19 Prozent der Kupferimporte mit einem Gesamtvolumen von 865 Millionen Euro (2020). Sollte sich der Krieg in der Ukraine sowie infolgedessen die Wirtschaftssanktionen der EU gegen Russland weiter verschärfen, ergäben sich auch neue Probleme bei der Versorgungslage mit metallischen Rohstoffen.

Chancen für die DR Kongo

Der Minensektor der DR Kongo trägt mehr als 20 Prozent zum nationalen BIP bei und generiert nach Schätzungen 80 - 90 Prozent der nationalen Steuereinnahmen sowie etwa 95 Prozent der Exporterlöse. Überwiegend exportiert die DR Kongo in die VR China, die im kongolesischen Minensektor massiv präsent ist. Mit geschätzten 11,4 Prozent Wachstum war der Bergbausektor 2021 wieder der Motor der kongolesischen Wirtschaft, die nach einer pandemiebedingten Rezession im Vorjahr 2021 um etwa 5,7 Prozent wuchs. Für 2022 prognostiziert der Internationale Währungsfonds (IWF) wiederum auf Basis eines starken Minensektors ein Wachstum von 6,4 Prozent. Kupfer, Kobalt und Industriediamanten sind die mit Abstand wichtigsten mineralischen Erzeugnisse, die im industriellen Maßstab vornehmlich in der südöstlichen Region Katanga sowie der zentralen Region Kasai abgebaut werden.

Mit einer geschätzten Jahresproduktion von 1,8 Millionen (metrischen) Tonnen (2021) ist die DR Kongo nach Chile und Peru der drittgrößte Kupferproduzent der Welt und leistet 9 Prozent der weltweiten Produktion. Russland rangiert hier mit 820.000 Tonnen auf Platz 8. Aufgrund langfristiger Trends wie einer wachsenden Weltbevölkerung, der Nutzung alternativer Antriebstechnologien und seiner Bedeutung im Bereich der erneuerbaren Energien, wird der Bedarf an Kupfer in den nächsten Jahren stark steigen. Beim für die E-Autoproduktion so wichtigen Kobalt ist die DR Kongo Spitzenreiter mit einer Jahresproduktion von 120.000 Tonnen und einem Weltmarktanteil von 73 Prozent; Russland folgt hier abgeschlagen auf Platz 2 mit 7.600 Tonnen (5 Prozent). Auch bei Kobalt ist in den kommenden Jahren mit einer stark steigenden Nachfrage zu rechnen, sofern im Bereich der Elektromobilität die Abhängigkeit weiter anhält. Momentan beträgt der Kobaltgehalt eines einzigen vollelektrischen Fahrzeugs 4 -15 kg. Bei Industriediamanten wiederum, die bei Schleif-, Bohr- und Polierprozessen zum Einsatz kommen, steht die DR Kongo (11 Millionen Karat Jahresproduktion, 24 Prozent Weltmarktanteil) in besonders starker Konkurrenz zu Russland, von wo etwa 33 Prozent der Produktion stammen (15 Millionen Karat).

Graphik der DR Kongo mit Abbaugebieten von Kobalt und Kupfer

HSS; www.openstreetmap.org/copyright

Herausforderungen durch das Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz

Das am 1. Januar 2023 in Kraft tretende Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz verpflichtet deutsche Unternehmen, entlang der gesamten Wertschöpfungskette die Risiken von Menschenrechtsverletzungen und Schädigungen der Umwelt zu minimieren. Die Europäische Kommission stellte im März einen ähnlichen Gesetzentwurf vor. Diese Entwicklungen stellen deutsche Unternehmen bei einer etwaigen Expansion in der DR Kongo vor erhebliche Herausforderungen.

Zwar stellen die in der deutschsprachigen Berichterstattung dominierenden Risiken wie die Sicherheitslage, Menschenrechtsverletzungen sowie mangelhafte Infrastruktur in der Region Katanga ein weitaus geringeres Problem dar als in den Kivu- und Ituri-Regionen im Osten des Landes, in denen der artisanale Abbau der sogenannten Konfliktmineralien Zinn, Tantal, Wolfram und Gold dominiert.

Neben der industriellen Produktion stellt der artisanale Kleinbergbau jedoch auch in Katanga und Kasai eine nicht zu unterschätzende Produktionsquelle dar und trägt zum Beispiel im Kobalt-Bergbau geschätzte 15-20 Prozent zur Gesamtproduktion bei. Eine Untersuchung der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) von 53 artisanalen Kobalt- und Kupferminen in den Provinzen Haut-Katanga und Lualaba im Jahr 2019 ergab, dass auf 30 Prozent der begutachteten Standorte Kinder anwesend waren, die teilweise schwere Arbeit verrichten mussten. Arbeitsunfälle mit teils gravierenden Folgen aufgrund unzureichender Arbeitsschutzmaßnahmen stellen ein weiteres Problem insbesondere im artisanalen Sektor dar.

Doch auch der industrielle Minensektor hat mit Problemen zu kämpfen. Hier sind insbesondere die fehlende Transparenz, die mit der Schwäche staatlicher Organe korrespondiert, sowie die Problematik von Umweltschäden im Gefolge des Bergbaus hervorzuheben.

Vor jungen Bäumen steht im Vordergrund ein Mann.

Aufforstungsprojekt der Hanns-Seidel-Stiftung in der DR Kongo.

HSS DR Kongo

Partizipation der Bevölkerung

Die Arbeit der Hanns-Seidel-Stiftung in den Bereichen Demokratieförderung, Gute Regierungsführung und Frauenförderung sowie im Bereich Agroforstwirtschaft kann bei diesen Problemen langfristig einen Beitrag zur Problemlösung leisten. In Katanga kommen diese Aspekte traditionell zu kurz, weshalb sich die Stiftung 2020 entschied, ihre Kapazitäten hier mit der Eröffnung eines Projektbüros in Lubumbashi zu stärken. Mit Seminaren in Zusammenarbeit mit lokalen Partnern stärken wir seitdem im Großraum Lubumbashi sowie bereits seit geraumer Zeit in der Diamanten-Hochburg Mbuji-Mayi die lokale Bevölkerung bei Prozessen der politischen Willensbildungs- und Partizipation. Damit einhergehend erhöht sich langfristig der Druck auf staatliche Institutionen, im Minensektor für mehr Transparenz zu sorgen. Gleichzeitig fördern wir im Rahmen einer Kooperation mit dem Planungsministerium in Kinshasa seit vielen Jahren die IT-Ausbildung der staatlichen Beamten und sorgen damit für eine Professionalisierung der Verwaltungsprozesse. Darüber hinaus verfügt die Stiftung mit über 30 Jahren Erfahrung im Bereich der Agroforstlandwirtschaft über einen wirkmächtigen Ansatz bei der nachhaltigen Aufforstung brachliegender Flächen und der Bekämpfung des Klimawandels. Schwerpunktmäßig im Großraum Kinshasa konzentriert und zur Überwindung der Abholzung lokaler Wälder konzipiert, bietet dieser Ansatz enormes Potential, um auch bei der Beseitigung von Umweltschäden infolge des Bergbaus im Südosten des Landes Anwendung zu finden.

Ausblick: Probleme müssen gemeinsam überwunden werden

Die Störung internationaler Lieferketten infolge der Covid-19-Pandemie sowie seit Februar der Russland-Ukraine-Konflikt haben das Bewusstsein für die Störanfälligkeit von Rohstofflieferketten sowie die Problematik einseitiger Abhängigkeiten in Deutschland nachhaltig gestärkt. Der Minensektor der DR Kongo bietet hier insbesondere bei den für das Gelingen der Energiewende sowie der Transition zur E-Mobilität so wichtigen Metallen Kobalt und Kupfer, aber auch im Segment der Industriediamanten, die Chance zur Diversifikation. In der Tat gibt es speziell zur Deckung des Kobalt-Bedarfs zur DR Kongo derzeit kaum Alternativen. Nichtsdestotrotz stellen die Anforderungen deutscher und europäischer Lieferkettengesetzgebung zur Einhaltung der Menschenrechte sowie zum Umweltschutz Unternehmen vor Ort vor große Herausforderungen. Diese können nur gemeinschaftlich durch Unternehmen und die kongolesische Regierung gelöst werden. Internationale Organisationen und NGOs können hierbei unterstützen. Mit ihrer langjährigen Erfahrung bei Demokratieförderung, Guter Regierungsführung und Agroforstwirtschaft ist die Hanns-Seidel-Stiftung hier gut aufgestellt und bereit, ihren Beitrag zu leisten.

Kontakt

Projektleitung: Malte Liewerscheidt
Demokratische Republik Kongo
Projektleitung