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Super Tuesday in den USA
Vorwahl-Wahnsinn

Der Super Tuesday hielt, was er versprach: er verlief spannend, reduzierte das große demokratische Bewerberfeld auf faktisch zwei Kandidaten und brachte vor allem die Wiederauferstehung von Joe Biden.

Eines brachte der „Super Tuesday“ nicht: die Entscheidung darüber, wen die Demokraten am 3. November ins Rennen gegen Donald Trump schicken. Es läuft auf das Duell zwischen Joe Biden (rund 34 Prozent) und Bernie Sanders (rund 33 Prozent) hinaus.

Ein freundlich lächelnder alter Mann. Entschlossener Gesichtsausdruck.

Der Kandidat der demokratischen Mitte: Joe Biden. Viele Demokraten rechnen sich mit ihm die größten Chancen aus, Donald Trump zu schlagen.

White House

Diese Konstellation vor Augen hatten die Parteistrategen im Vorfeld alles daran gesetzt, die Kandidaten der politischen Mitte ohne wirkliche Nominierungschancen (Pete Buttigieg, Amy Klobuchar) zur Aufgabe zu überreden, denn je mehr Kandidaten dort um Unterstützung kämpften, umso leichteres Spiel hätte etwa der Vertreter des linken demokratischen Flügels gehabt, Bernie Sanders. Das ist gelungen. Selbst der Milliardär Mike Bloomberg, der in kurzer Zeit ungeheure 500 Millionen US-Dollar in seine eigene Kampagne investiert hatte, zog seine Kandidatur nach enttäuschendem Ergebnis zurück und unterstützt nun Joe Biden. Auch Elisabeth Warren hat inzwischen ihren Rückzug bekannt gegeben. Ihr Ergebniss von nur 16 Prozent am Super Tuesday (selbst in ihrem Heimatstaat Massachusetts nur 21 Prozent) war eine deutliche Absage der WählerInnen.

Klare Alternativen

Das oberste Ziel der Demokraten ist es, Donald Trump aus dem Weißen Haus zu vertreiben. Ob das mit einem „demokratischen Sozialisten“ gelingen könnte, scheint mehr als fraglich. Bernie Sanders ist, so der Konsens der Parteistrategen, zum Beispiel in den konservativen Landstrichen des Mittleren Westens kaum vermittelbar.

Dennoch: Bernie Sanders und Joe Biden liegen gleichauf. Es bleibt ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit deutlichen Vorteilen für Joe Biden. Die Demokraten scheinen somit eine „broken Convention“ beim Parteitag der Demokraten im Juli abgewendet zu haben: Einer von beiden wird aller Wahrscheinlichkeit nach auf eine absolute Mehrheit im ersten Wahlgang kommen. Feierstimmung ist bei den Demokraten allerdings nicht ausgebrochen. Die Perspektive einer Wahl zwischen zwei alten weißen Herren über 75 Jahren ist vielen ein Dorn im Auge. Schließlich sehen sich die Demokraten besonders seit der letzten Kongresswahl 2018 als die Partei der Jugend, der Frauen und der Minderheiten.

Ob es gefällt oder nicht, die Alternativen sind klar: Establishment oder Außenseiter, behutsamer Reformer oder unbeugsamer Revolutionär. Biden spielt seine Nähe zur demokratischen Lichtgestalt Barack Obama aus. Damit punktet er nicht nur bei Afro-Amerikanern, ohne die kein Demokrat Wahlen gewinnen kann.

Ein freundlich lächelnder alter Mann. Entschlossenes Gesicht.

Bernard „Bernie“ Sanders nennt sich selbst einen „demokratischen Sozialisten“ und ist besonders bei jungen WählerInnen beliebt. Im US-Senat vertritt er seit 2007 den Bundesstaat Vermont.

Gage_Skidmore; 2.0; Wikimedia Commons

Mit seiner politischen Erfahrung und seiner gemäßigten Art brachte er jetzt die bürgerlichen Vorstädte hinter sich. Auch Frauen tendieren zum früheren Vizepräsidenten. Bidens Aufgabe wird es jetzt sein, ein überzeugendes Kompetenzteam mit demokratischen Spitzenpolitikern wie Amy Klobuchar und Pete Buttigieg zusammenzustellen. Gelingt ihm dies, steigen seine Chancen erheblich.

Amerikas „Juso-Vorsitzender“

Bernie Sanders Bewegung hingegen wird von jungen Wählern getragen. Er wirkt wie Amerikas Juso-Vorsitzender. Zudem sticht er Biden bei Latinos aus, was der entscheidende Faktor seines Wahlerfolgs in Kalifornien war. Auch die ehemals klassische Kernwählerschaft der Arbeiter unterstützt Sanders, was etwa für die Wahl in den „rust belt states“ wie Ohio, Pennsylvania und Michigan wichtig sein wird. Offen bleibt, ob Sanders und seine Anhänger seine Nicht-Nominierung akzeptieren würden. Versagen diese Biden die Unterstützung, könnten dies die Stimmen sein, die Biden in den umkämpften „Battle Ground States“ fehlen.  Umgekehrt gilt dies genauso: würden sich moderate Demokraten für Bernie Sanders ins Zeug legen?

Eines ist sicher: Die direkte Konfrontation mit Donald Trump wird aggressiv und brutal. Einen Vorgeschmack gibt der Präsident auf seinen regelmäßigen Rallies. Auf „Sleepy Joe“ oder „Crazy Bernie“, wie Trump seine möglichen Konkurrenten abwertend nennt, wird einiges zukommen.

 

Autor: Christian Forstner, Auslandsbüroleiter Washington