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Neu Delhi: Lebensgefahr Feinstaub
Messgeräte am Maximum

Autor: Volker Plän

Herbst ist Smog-Zeit in Neu-Delhi. Bei Feinstaubwerten von über 1000 µg/m³ verschwinden Gebäude auf der anderen Straßenseite bereits im giftigen Dunst. Das Atmen fällt schwer. Schutzmasken sind längst ausverkauft. Für Volker Plän und sein HSS-Team gehört dies bereits zum Alltag.

Es ist November in Neu-Delhi. Endlich – wenn auch viel später als üblich – sind die Temperaturen wieder bei angenehmen 16 bis 29 Grad. Was für Deutsche sommerliche Temperaturen sind, bringt Straßenkehrer und Wächter in Delhis Diplomatenviertel dazu, Jacken und Wollmützen anzuziehen. Dass sie ihren Dienst in einer stehenden Rauchwolke ausüben, die Indiens Hauptstadt seit Tagen im Griff hat, scheint sie weniger zu stören. Die Kälte am Morgen ist unmittelbar.

Kleiner Park, der im dichten Smog verschwindet.

Delhis Regierung sieht Verantwortung bei Zentralregierung, diese sieht Regionalregierungen in der Pflicht.

Volker Plän; HSS

„Was sollen wir denn machen?“

Den Feinstaub spüren sie zwar natürlich auch – schließlich schmeckt und riecht die Luft den ganzen Tag nach Hausstaub; doch Atemprobleme wie Husten und Kratzen im Hals stellen sich erst nach mehreren Stunden ein und sind daher nur indirekt nachvollziehbar. Trotz geschlossener Schulen und Medienberichten tragen die meisten Einwohner Delhis keine Atemmasken und lassen ihre Kinder draußen Cricket spielen. Darauf angesprochen reagieren sie ratlos: „Was sollen wir denn machen? Das ist ja jedes Jahr so. Wir wissen, dass es schlecht ist, aber wir können ja nicht unsere Lebensweise ändern. Da muss die Regierung etwas tun“. Delhis Regierung jedoch schiebt die Verantwortung auf die Zentralregierung. Diese wiederum sieht die Bundesstaaten Haryana und Punjab in der Pflicht, in denen alljährlich die Erntereste verbrannt werden. Große Rauchwolken ziehen so in die 13 Millionen-Stadt Delhi, die in einer Senke liegt. Der allmorgendliche Nebel des Flusses Yamuna bindet die Abgase und Giftstoffe der zehn Millionen Autos und Lastkraftwagen und hält sie (bei der häufigen Windstille) den Tag über in der Stadt. Im November ist die Sonne bereits zu schwach, um diesen Smog zu durchdringen.

Breite Stadtstraße in Delhi mit Flaggen am rechten Rand, wo der Präsidentenpalast im dichten Smog nicht zu erkennen ist. Autos verschwinden im Dunst.

Nicht zu sehen: der Präsidentenpalast in Neu Delhi

Volker Plän; HSS

Im Klein-Klein der Ursachenbekämpfung

Das Problem teilt sich Delhi mit anderen Großstädten entlang des Gürtels vor dem Himalaya-Gebirge: am Sonntag zeigten auch in der Stadt Patna die Messgeräte für mehrere Stunden 999 µg/m³ Feinstaubpartikel – höhere Werte können die Geräte nicht messen. Die Grenzwerte gemäß Weltgesundheitsorganisation sollten im Jahresmittel bei 60µg/m³ liegen. Eine Ursachenbekämpfung gestaltet sich daher zäh. Delhis Regierung behilft sich mit typischen Maßnahmen, die nur auf die Symptome statt auf die Ursachen abzielen: Schulen werden geschlossen, Empfehlungen, das Haus nicht zu verlassen, ausgesprochen. Es gibt Überlegungen, eine künstliche Wolke über der Stadt zu erzeugen, die den Smog aus der Luft waschen soll. Dies wirft Fragen auf: Wird das unter Wassermangel leidende Delhi eine ausreichend große Wolke erzeugen können? Wo soll der giftige Regen herunterkommen? Seit diesem Montag greift das „Gerade-ungerade-Verkehrssystem“, welches je nach letzter Nummer im Kfz-Kennzeichen nur bestimmte Autos auf den Straßen zulässt. Das System beherbergt jedoch derart viele Ausnahmen (für weibliche Fahrer, Motorräder, VIPs), dass es auch permanent eingesetzt werden könnte und kaum Auswirkungen hätte. Baustellen müssten stillgelegt werden, doch eine Kontrolle ist kaum möglich. So floriert die Symptom-Bekämpfung weiter: die Preise für Luftfilter steigen, die hochwertigen Atemmasken wurden bereits (hauptsächlich durch Ausländer) aufgekauft.

Versmogte Straße in einem Neu-Delhi-Wohnbezirk.

Die Stadtbewohner haben keine Chance, der schlechten Luft zu entkommen. Atemmasken sind größtenteils vergriffen. Die teuren Luftfilter sichern sich meist Touristen und "Expats".

Volker Plän; HSS

Einheimische leiden - Touristen bleiben fern

Eigentlich ist November die beste Zeit für Tourismus in Indien: der Monsun ist vorüber, das Land ist grün, die Temperaturen sind angenehm. Doch die kulturellen Wahrzeichen sind in grauem Dunst verhüllt, sich den Tag über draußen zu bewegen, ist gefährlich. Nun bleiben in Delhi nicht nur die Touristen aus. Die Zeitungen melden bereits Schwund von ausländischen Experten; die deutsche Schule in Neu-Delhi hat kaum noch Neuanmeldungen. Solange die Ursachen nicht bekämpft, Gegenmaßnahmen ausgehöhlt, Verbote umgangen und die Schuld bei anderen gesucht werden, wird sich die Lage weiter verschlimmern. Das ist nahezu unvorstellbar angesichts der sicht- und spürbaren Auswirkungen des Feinstaubs. Doch auch die heutigen Verhältnisse konnte man sich vor zehn Jahren nicht vorstellen. Und so werden die Wächter und Straßenhändler auch noch im Herbst 2025 im Smog sitzen, während die Kinder draußen Cricket spielen und die Straßenfeger ohne Atemmasken den Staub in die Luft wirbeln.