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Halbzeitwahlen in den USA - Die Amerikaner wählen ihr Repräsentantenhaus und ein Drittel des Senats neu
Amerika im Wahlkampfendspurt: Midterms werden zum Referendum über Donald Trump

Am 6.11. ist Wahltag in Amerika, die Midterm-Elections stehen an. Alle 435 Abgeordnete des Abgeordnetenhauses, 33 Senatoren und drei Dutzend Gouverneure kämpfen um ihre Mandate.

Es ist der erste politische Test nach Donald Trumps Wahlsieg 2016 - wie wird dieser ausgehen?

Es ist der erste politische Test nach Donald Trumps Wahlsieg 2016 - wie wird dieser ausgehen?

klhh; Pixabay

Herausfordernder Wahlrhythmus - erster politischer Test für Trump

Der Wahlrhythmus ist herausfordernd und schnell, alle zwei Jahre wird das Repräsentantenhaus neu gewählt, die Wahlkampfkosten schießen durch die Decke. Für den Kampf um den Senatssitz für Texas geben die beiden Kandidaten zusammen fast 80 Millionen USD aus, in Illinois mit der Metropole Chicago verschlingt das Gouverneursrennen über 200 Millionen USD. Diese Gelder fließen überwiegend in Werbung und Medien. Große Wahlkampfetats garantieren noch keinen Sieg, aber ohne Geld kann man keine Wahlen gewinnen. Big Business beeinflusst die Politik in Amerika, trotz Online-Crowdfunding, den Aufrufen zu Kleinspenden im Internet. Im Schnitt kostet eine Wahl 2 bis 3 Millionen USD, der Fundraising-Druck auf alle Abgeordneten ist gewaltig.

Das Interesse an den Midterms ist groß, die Mobilisierung bei Demokraten und Republikanern ist hoch, auch wenn die Wahlbeteiligung immer noch unter 50 Prozent liegen wird. Für Donald Trump ist es der erste politische Test nach seinem unerwarteten Wahlsieg 2016. Es ist der Präsident, der die Midterms zu nationalen Wahlen macht, obwohl es doch eigentlich 435 Einzelwahlen sind. Donald Trump ist der Newsmaker, es gibt sonst kein landesweites politisches Skript, keine zentrale Message der jeweiligen Parteien. Von den Parteien kommt wenig inhaltliches, sie scheinen reduziert auf Fundraising und Datenbanken.

Wie kein anderer Präsident hat sich Trump in den Wahlkampf eingemischt, er hat Kandidaten verhindert oder sie über die Ziellinie gepuscht. Donald Trump ist ein leidenschaftlicher Wahlkämpfer, er liebt das Bad in der Menge, der direkte Kontakt mit seinen Wählern ist sein Lebenselexier, während er sich in Washington mit liberalen Thinktankern, Widerstandskämpfern in der eigenen Regierung und kritischen Medien auseinandersetzen muss.

Traditionell verlieren Präsident und Regierungspartei bei Midterm-Wahlen. Das lehrt zumindest die Erfahrung der letzten 25 Jahre. Zwei Jahre nach den Präsidentschaftswahlen sind die Zwischenwahlen meist ein Ventil, um die Unzufriedenheit mit der Regierung auszudrücken. Midterm-Wahlen sind ein Referendum über den Präsidenten, eine Protestwahl mit geringerer Wahlbeteiligung. Bei Präsidentschaftswahlen geht es dagegen um Visionen und Amerikas Strahlkraft.

Auch in Amerika entscheiden die Wähler immer kurzfristiger, Wahlprognosen werden somit schwieriger. Das Kreuz auf dem Wahlzettel wird emotional, nicht rational gesetzt. Der Einfluss aktueller Themen ist schwer einzuschätzen. Durchkreuzt der Rückgang der Börsenkurse in den letzten Tagen und Wochen die Strategie der Republikaner, das Wirtschaftswachstum als zentralen Erfolg der Trump-Administration zu vermarkten? Ist die angekündigte drastische Zurückweisung der Migranten-Karawane an der mexikanischen Grenze ein Signal ernst gemeinter Grenzkontrolle oder steht es für die Unmenschlichkeit der Regierung, die erst im Sommer mit harten Bildern von Familientrennungen konfrontiert wurde?

Bei den "Midterms" handelt es sich um Halbzeitwahlen während der Amtszeit von US-Präsident Donald Trump.

Bei den "Midterms" handelt es sich um Halbzeitwahlen während der Amtszeit von US-Präsident Donald Trump.

klhh; Pixabay

Polarisierung zwischen Wählern und Parteien

Inhaltlich setzen die Demokraten auf Gesundheitspolitik, Mindestlohn und liberale Einwanderungspolitik. Sie werfen den Republikanern soziale Kälte vor, kritisieren die Steuerreform als Umverteilung von unten nach oben und thematisieren die wiederholten Versuche der Republikaner zur Abschaffung von Obama-Care. Umgekehrt preisen sich die Republikaner für ihre Richterernennungen, für hohe Beschäftigungszahlen und anhaltendes Wirtschaftswachstum. Im republikanischen Umfeld entfaltet die Bestätigung des umstrittenen Verfassungsrichters Brett Kavanaugh aufputschende Wirkung. Frühere Hinweise, dass sich Amerikas Parteien außer in der Abtreibungsfrage kaum unterscheiden, treffen heute nicht mehr zu. Die ideologischen Gräben sind tief geworden, in der Migrations-, Sozial-, Steuer-, Außen- und Umweltpolitik. Während die Demokraten auf den Anti-Trump-Effekt vor allem bei Frauen hoffen, erwähnen die Republikaner gerne Nancy Pelosi, der außerhalb Washingtons so unbeliebten demokratischen Minderheitsführerin, die für viele Wähler kraft ihres fortgeschrittenen Alters und ihrer langen Jahre in der Politik nicht Aufbruch, sondern Vergangenheit verkörpert. Für Trump-Wähler tut das negative Image des Präsidenten nichts zur Sache, ihnen geht es um übergeordnete Ziele wie den Kampf gegen den Washingtoner Lobby-Sumpf, die Mauer zu Mexiko, die Verteidigung nationaler Interessen und den Schutz der heimischen Industrie. Da ist es sekundär, ob der Präsident aus dem Rahmen fällt. Alternative Fakten werden akzeptiert, Pöbeleien des Präsidenten dürfen von seiner großen Agenda nicht ablenken.

Außenpolitik spielt im Wahlkampf keine Rolle. Und wenn, dann zum Vorteil des Präsidenten, der Globalisierung dem Nationalismus gegenüberstellt und sich als kompromissloser Vertreter amerikanischer Interessen inszeniert. Bei einer Wahlkampfrally in Houston, Texas, bekannte Trump ganz offen: "I am a Nationalist" und erntete damit Jubelstürme seiner Anhänger.

Über allen Themen steht in der Bevölkerung die Unzufriedenheit mit Washingtons Elite, der politischen Klasse und den Strippenziehern, den Insidern und Lobbyisten der Hauptstadt, von Donald Trump „Sumpf“ genannt. Die Midterm-Wahlen werden auch ein Indikator sein, wie stark Wut, Enttäuschung und Frustration in der US-Gesellschaft sind und wie diese Stimmungslage den neuen Kongress prägen wird. Wird sich die Polarisierung und gegenseitige Blockade zwischen Republikanern und Demokraten verfestigen?

Was das Land bräuchte, wären moderate Demokraten und liberale Konservative, die Amerika auf solider Reformspur halten. Was das Land vermutlich bekommt, ist ein polarisierter Kongress und ein kampfeswilliger, unberechenbarer Präsident.

Die Parteien werden aus den Wahlergebnissen ihre Rückschlüsse ziehen. Bleiben die Republikaner mehrheitlich die Partei der weißen, männlichen und ländlichen unteren Mittelklasse? Festigen die Demokraten ihren Rückhalt in der liberalen Öffentlichkeit, in ihren Hochburgen an der West- und Ostküste und in den urbanen Milieus mittlerer und großer Städte? Angesichts des Stadt-Land-Gefälles gilt ein besonderes Augenmerk den Vorstädten. Verstärkt sich der Trend dort zu den Demokraten, ist eine Kongress-Mehrheit realistisch.

Die Bedeutung der Midterm-Wahlen geht weit über Amerika hinaus. Ein innenpolitisch gelähmter Präsident könnte geneigt sein, um so mehr Außenpolitik zu machen. Die unilateralen America-First-Ansätze der Trump-Administration verheißen dabei nichts Gutes.

Drei Fragezeichen mit USA Flagge darauf

Der Wahlausgang ist offen - Geht Trump aus den Wahlen gefesselt oder entfesselt heraus?

905513; pixabay

Impeachment oder Wiederwahl? Kontrolle der Trump-Administration oder entfesselter America-First-Populismus? Internationale Verlässlichkeit oder Trump-Nationalismus?

Geht Trump aus den Wahlen gefesselt oder entfesselt hervor? Wird eine demokratische Mehrheit im Repräsentantenhaus die Regierung so unter Druck setzen, dass sie nicht mehr zum Regieren kommt? Oder wird sich die Trump-Basis radikalisieren, die Demokraten zum Sündenbock ausbleibender Regierungserfolge stempeln und die Präsidentschaftswahlen 2020 zur Schicksalswahl erklären? Donald Trump scheint den Kampf gegen das progressive, liberale und international denkende Amerika aufnehmen zu wollen. Seine Wahlkampfkasse für 2020 ist mit über 100 Millionen USD gut gefüllt, er hat schon einen Wahlkampfmanager und einen Wahlkampfslogan: „Keep America Great!“

Es kann aber auch anders kommen. Der für das Jahresende angekündigte Rücktritt von Nikki Haley, der im republikanischen Establishment und darüber hinaus hoch angesehenen UN-Botschafterin, mag als Wink in diese Richtung verstanden werden. Ein von manchen Seiten kolportiertes Szenario könnte wie folgt aussehen: bei einer Wahlniederlage verliert Donald Trump den Rückhalt unter den Republikanern, der innenpolitische Druck auf ihn nimmt zu und er wirft das Handtuch. Der erzkonservative, aber verlässliche Vize Mike Pence übernimmt, Nikki Haley wird seine Vize-Präsidentin und bügelt das angespannte Verhältnis zu Amerikas Freunden wieder aus.

Der Wahlausgang ist offen. Der Senat wird vermutlich in republikanischer Hand bleiben, im Repräsentantenhaus werden ein paar Sitze entscheiden.

Fakt ist: Die Midterms 2018 sind mehr als 435 Einzelwahlen und sie sind mehr als Wahlen in Amerika. Sie sind ein Referendum über den Präsidenten und eine Richtungsentscheidung über Amerikas Innen- und Außenpolitik. Washington, Amerika und der Welt stehen spannende Zeiten bevor.