Print logo

Amtseinführung von Markus Ferber, MdEP
Packen wir´s zusammen an!

Autor: Maximilian Witte

Heute ist der Europapolitiker Markus Ferber in sein neues Amt als Vorsitzender der Hanns-Seidel-Stiftung eingeführt worden. In seiner Antrittsrede machte er deutlich, was ihm wichtig ist: der Dienst an der Demokratie.

Markus Ferber übernimmt das Ruder der Hanns-Seidel-Stiftung. Den Weg der Erneuerung, den schon seine Vorgängerin, Prof. Ursula Männle, in den letzten Jahren eingeschlagen hatte, will Ferber fortsetzen. 
Der aktive Europapolitiker rief heute im Konferenzzentrum der Stiftung in München dazu auf, den Wandel der Gesellschaft aktiv mit zu gestalten und dabei im Sinne des Stiftungsmottos „Im Dienst von Demokratie, Frieden und Entwicklung" die Herausforderungen der nächsten Jahre „angstfrei und mutig, professionell, kreativ und neugierig" anzugehen.

Orientierung gibt ihm dabei auch der für seinen progressiven Politikstil bekannte Namensvater der Stiftung, Hanns Seidel. Aber auch Franz Josef Strauß hat seinen Platz im Wertekanon Markus Ferbers. „Ich lade alle ein [...], diesen Weg gemeinsam mit mir in die Zukunft zu gehen. Aufbauend auf Bewährtem und konservativ im besten Sinne von Franz Josef Strauß: an der Spitze des Fortschritts marschierend", so Ferber vor den etwa 250 geladenen Gästen.

CSU-Generalsekretär Markus Blume (links), HSS-Vorsitzender Markus Ferber und Generalsekretär Oliver Jörg (rechts). "Markus Ferber verkörpert in seiner Person das Vereinende, als Schwabe und Bayer, als Deutscher, als Europäer." (Blume)

CSU-Generalsekretär Markus Blume (links), HSS-Vorsitzender Markus Ferber und Generalsekretär Oliver Jörg (rechts). "Markus Ferber verkörpert in seiner Person das Vereinende, als Schwabe und Bayer, als Deutscher, als Europäer." (Blume)

V.Kienast; HSS

Eine meinungs- und überzeugungsstarke Stiftung

In seiner Begrüßung dankte HSS-Generalsekretär Oliver Jörg dem neuen Vorsitzenden, dass dieser sich „trotz seines Mandats im Europaparlament" bereit erklärt habe, der Arbeit der Stiftung, frei nach Edmund Burkes „Evolution statt Revolution", die Richtung vorzugeben. „Lieber Markus, ich freue mich auf die Zusammenarbeit", sagte Jörg, „und dass wir den eingeschlagenen Weg nun gemeinsam mit dir fortsetzen können."

CSU-Generalsekretär und Vorstandsmitglied der HSS, Markus Blume, hielt in Vertretung des Parteivorsitzenden und Bayerischen Ministerpräsidenten, Dr. Markus Söder, die Festrede und überbrachte Grüße und Glückwünsche für Markus Ferber. Die bisherige Vorsitzende, Prof. Ursula Männle, übergebe ein gut bestelltes Haus, so Blume. In über 50 Jahren habe die Stiftung nur fünf Vorsitzende gehabt, das zeige, dass der Wechsel immer wohlüberlegt und mit Bedacht erfolge. „Vorsitzendenwechsel bei der HSS ist immer ein Epochenwechsel.“ Mit Markus Ferber erhalte die Stiftung erst den zweiten aktiven Politiker als Vorsitzenden nach dem Gründungsvorsitzenden, Fritz Pirkl. Dies sei in Zeiten, die politischer geworden seien, die richtige Strategie. „Markus Ferber kennt die Politik in ihrer gesamten Breite, das Zusammenspiel der unterschiedlichen Ebenen und die damit verbundenen Schwierigkeiten. Markus Ferber verkörpert in seiner Person das Vereinende, als Schwabe und Bayer, als Deutscher, als Europäer.“ Die Stiftung müsse darüber hinaus dabei helfen, Leitplanken in einer disruptiven Zeit zu setzen. Blumes Wunsch: „Die HSS soll eine starke, eine meinungs- und überzeugungsstarke Stiftung sein, im Dienst von Demokratie, Frieden und Entwicklung.“

Inseln der Diskurse

Markus Ferber selbst sieht den Gründungsauftrag der Politischen Stiftungen, nämlich zur Demokratie zu befähigen, heute als top-aktuell. In einem gesellschaftlichen Umfeld, in dem die Diskussionskultur verrohe, die Grenzen zwischen „Sagbarem und Unsäglichem" zu verschwimmen drohen und der Hass im Netz zu sehr realen Taten führe, wie er mit Blick auf die Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke sagte, müssten wir alle sowohl zu Konflikt als auch zu Konsens fähig bleiben.

Das Institut für politische Bildung spiele dabei eine herausragende Rolle und könne „Inseln der Diskurse" schaffen, auf denen sich Menschen begegnen, miteinander an Themen arbeiten und mit anderen Meinungen konfrontiert werden könnten. Wir müssten in den politischen und zivilen Debatten zu einer „neuen Sachlichkeit" finden, sagte Ferber und rief dazu auf, der Erosion des Vertrauens in unsere Demokratie und ihre Institutionen etwas entgegenzusetzen. 

Die Aufgabe der Akademie für Politik und Zeitgeschehen, der Thinktank der Stiftung, sieht er als Ideen- und Ratgeber der politischen Entscheidungsträger. Das generierte Wissen dürfe nicht nur in der „scientific community" kreisen. Hier könne die Akademie zu faktenbasiertem und vorausschauendem politischen Handeln beitragen. Er mahnte aber auch an, dass von Seiten der Politiker eine „gewisse Bereitschaft an den Tag gelegt werden muss, diese Ergebnisse zur Kenntnis zu nehmen und in ihr Handeln einfließen zu lassen".

Großes Potential hat in seinen Augen auch das Institut für Begabtenförderung. Aktuell werden hier etwa 1100 begabte und engagierte junge Frauen und Männer finanziell und ideell gefördert. Markus Ferber: „Gerade in der engen Verbindung von wissenschaftlicher Exzellenz und der Bereitschaft zu gesellschaftlichem Engagement liegt dabei der besondere Mehrwert, den unsere Stipendiaten gemeinsam mit den inzwischen über 3.000 Altstipendiaten unserem Land bieten können."

Brückenbauer und Vermittler in Europa

Als Europapolitiker hat Markus Ferber den gewachsenen Dissens sowohl innerhalb der Nationen Europas als auch der westlichen Wertegemeinschaft täglich vor Augen. Er lobte daher, dass die Hanns-Seidel-Stiftung ihre europapolitische Kompetenz im Institut für Europäischen und Transatlantischen Dialog gebündelt hat. Er begreift das Institut als „Brückenbauer und Vermittler in Europa und als Plattform, um neue Lösungsansätze für komplexe Fragen zu erarbeiten", wobei er wohl auch das Europa-Büro der Stiftung in Brüssel besonders auszeichnete. Höchste Priorität hat für ihn aber auch die Arbeit der politischen Verbindungsstellen in Washington und Moskau, die den bilateralen Dialog hochhalten.

Zentrales Motiv in Markus Ferbers Rede war der „Dienst an der Demokratie", der nicht an den Grenzen der Europäischen Union enden dürfe. Hier sieht er das  Institut für Internationale Zusammenarbeit in der Pflicht, dessen Ziel es ist, in über 50 Entwicklungs- und Schwellenländern, demokratische Entwicklung auf unterschiedlichste Weise zu fördern. Dabei beklagte er einen Rückgang der globalen Freiheit und wies auf die Schwierigkeiten hin, denen die Auslandsmitarbeiter der Stiftung zunehmend ausgesetzt seien. „Regierungen errichten rechtliche und logistische Hindernisse", sagte Ferber. „Sie schaffen ein politisches Klima, in dem unsere Kooperationspartner eingeschüchtert und öffentlich delegitimiert werden. Wie reagieren wir als Hanns-Seidel-Stiftung auf zurückgehende Handlungsräume[...]?"

Es gibt also genug zu tun für den neuen Vorsitzenden. Er will in den kommenden Jahren, „mit aller Kraft, die mir zu Verfügung steht", der Demokratie, dem Frieden und der Entwicklung dienen. „Ganz im Sinne von Hanns Seidel: die Herausforderung als Chance begreifend, mit Lust, Neues zu entdecken, dem Zeitgeist nicht hinterherlaufend, sondern ihn prägend. Packen wir's an!"

Statement von Markus Ferber zu seinem neuen Amt.

Thomas Reiner; Lisa Christl; HSS

Video-Statement: Markus Ferber

Unser neuer Vorsitzender, Markus Ferber, MdEP

Unser neuer Vorsitzender, Markus Ferber, MdEP

Markus Ferber; Markus Ferber; Markus Ferber

Der 1965 in Augsburg geborene Diplom-Ingenieur arbeitete zunächst als Entwicklungs- und Vertriebsingenieur in den Bereichen Mikroelektronik und Umwelttechnik, bevor er 1994 als Vertreter von Schwaben ins Europaparlament gewählt wurde. Dort war er bis 1999 zunächst Sprecher der Jungen Gruppe der EVP-Fraktion, von 1996 bis 1999 parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Gruppe im EP. Von 1999 bis 2014 war er Vorsitzender der CSU-Gruppe, seit 2013 Sprecher des Parlamentskreises Mittelstand, von 2014 bis 2018 erster stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses für Wirtschaft und Währung, seit 2018 Koordinator der EVP-Fraktion dieses Ausschusses im EP. Außerdem ist Ferber stellvertretendes Mitglied im Ausschuss für Verkehr und Fremdenverkehr. Zudem ist er Bezirksvorsitzender der CSU Schwaben und seit 2000 Landesvorsitzender der Europa Union Bayern. Sechs Jahre war er stellvertretender Vorsitzender der Hanns-Seidel-Stiftung, seit dem 1. Januar 2020 ist er deren erster Vorsitzender

Anmerkung der Redaktion: Es gilt das gesprochene Wort

Sehr geehrte Damen und Herren,

Fast auf den Tag genau heute vor 65 Jahren wurde Dr. Hanns Seidel zum neuen CSU-Parteivorsitzenden gewählt. Umgehend leitete er die bis dahin vernachlässigte Modernisierung und Neuorganisation der Partei ein. Wer nun glaubt, ich hätte mit der Politischen Stiftung, die heute seinen Namen trägt, ähnliches im Sinn, der liegt – nicht ganz richtig. Denn die Modernisierung und Neuorganisation der Hanns-Seidel-Stiftung ist bereits in vollem Gange. Das ist richtig und wichtig. Vor allem aber ist es unumgänglich.

Unsere Welt verändert sich dramatisch. Da kann eine Politische Stiftung, die als unverzichtbarer Teil der politischen Kultur unseres Landes den Anspruch hat, diesen Veränderungen nicht nur zuzusehen, sondern den Wandel mit zu gestalten, nicht zur Tagesordnung übergehen. Und ich lade alle ein, die in der Hanns-Seidel-Stiftung im Großen wie im Kleinen Verantwortung tragen oder ihr in anderer Weise verbunden sind, diesen Weg gemeinsam mit mir in die Zukunft weiter zu gehen. Angstfrei und mutig. Professionell, kreativ und neugierig. Aufbauend auf Bewährtem und konservativ im besten Sinne von Franz Josef Strauß: an der Spitze des Fortschritts marschierend.

Als Kompass bietet sich das Leitmotiv an, unter das die Hanns-Seidel-Stiftung ihre vielfältige Arbeit im In- und Ausland gestellt hat: „Im Dienst von Demokratie, Frieden und Entwicklung.“ Dieser Dreiklang enthält die aktuellen Herausforderungen ebenso wie die Aufgaben, die vor uns liegen. Schauen wir etwas genauer hin:

Die Befähigung zur Demokratie durch Politische Bildung war der Gründungsauftrag der Politischen Stiftungen in der Nachkriegszeit. Er ist heute aktueller denn je. Hat doch ein ganzes Bündel von Faktoren die Stabilität unserer Demokratie inzwischen in einem Ausmaß ins Wanken gebracht, das wir uns zu Beginn des Jahrhunderts noch kaum vorstellen konnten.

Als ein Beispiel nenne ich die Verrohung der Diskussionskultur in unserem Land. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat es kürzlich auf den Punkt gebracht, als er sagte: „Deutschland spricht nicht mehr, sondern es brüllt.“ Wie sich die feine Grenze zwischen dem Sagbaren und dem Unsäglichen gegenwärtig verschiebt, ist so atemberaubend wie verstörend. Sprache prägt unser Bewusstsein. Und wie kurz der Weg vom Sagbaren zum Machbaren geworden ist, von der Verrohung der Diskussionskultur zur Verrohung der Gesellschaft, das lässt sich an der Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten oder den Bluttaten von Halle erschüttert beobachten. Nicht falsch verstehen: Hier wird keiner Meinungsdiktatur das Wort geredet. Die Schere im Kopf ist das Letzte, was wir brauchen. Demokratie ist die Notwendigkeit, sich immer wieder den Ansichten anderer Leute auszusetzen. Zu einer Demokratie gehören Konsens und Konflikt. Zu beidem müssen wir fähig sein. Zugleich darf aber eben jene Grenze nicht überschritten werden, die zwischen dem besteht, worüber in einer streitbaren Demokratie selbstverständlich gestritten werden darf und soll, und dem, was aus guten Gründen einer diskursiven Relativierung entzogen bleiben muss, um den friedlichen Zusammenhalt unserer Gesellschaft und ihr menschliche Antlitz nicht zu gefährden.

Damit ist neben der Demokratie auch das zweite Schlagwort aus unserem Leitmotiv, der Frieden, angesprochen. Denn wo die Demokratie gefährdet ist, da ist es auch der innere Frieden in unserem Land. Um beides zu bewahren, braucht es eine neue Kultur der demokratischen Auseinandersetzung.

Hier kann die Hanns-Seidel-Stiftung gemäß ihres Kernauftrags Substantielles beitragen:

Mit unseren breitgefächerten Bildungsangeboten vor allem des Instituts für Politische Bildung, die wir künftig noch nachschärfen und anwenderbezogener gestalten wollen, vermitteln wir nicht nur fundiertes Basiswissen. Wir holen die Menschen auch raus aus ihren Komfortzonen. Wir schaffen „Inseln der Diskurse“, auf denen Menschen sich begegnen, miteinander an Themen arbeiten und mit anderen Meinungen konfrontiert werden.

Gemeinsam üben wir die Fähigkeit zum respektvollen Streiten und Ringen ein, Kompromissfähigkeit und Respekt vor den Überzeugungen anderer. Gemeinsam lernen wir, dass am Ende auch ein Dissens stehen kann, den es auszuhalten gilt. Um diese für das Funktionieren unserer Demokratie und den inneren Frieden in unserem Land so notwendige Wissens- und Wertevermittlung im 21. Jahrhundert noch zielgenauer und frischer zu gestalten, müssen wir konsequent neue Formate entwickeln und neue Zielgruppen erschließen, um unser Angebot auf dem immer vielfältigeren Markt der Möglichkeiten draußen im Land auch morgen noch attraktiv zu halten.

Meine Damen und Herren, das Verständnis für Demokratie muss in jeder Generation neu erworben werden. Aktuell beobachten wir überall in Europa, wie gerade die junge Generation auf die Straßen geht, um sich für mehr Klimaschutz einzusetzen. Gegen das Grundanliegen ist nichts einzuwenden. Klimaschutz ist eine globale Aufgabe, und mit Recht hat sich die Europäische Union zum Ziel gesetzt, das klimapolitische Zugpferd der Welt zu werden. Es gibt ernste und unsere Existenz bedrohende Herausforderungen, aber es gibt keinen Grund für Endzeitstimmung und Resignation.

Auch beim Kampf gegen den Klimawandel gilt: Angst ist kein guter Ratgeber.

In dem schrillen Alarmismus, der große Teile der Bewegung erfasst hat, schlummern auch Gefahren für unsere Demokratie. Wenn es um die Rettung der Welt geht, werden die Rechte anderer zweitrangig. Wenn sich Klimaaktivisten Ökologie gegen Demokratie in Stellung, dann ist Wachsamkeit geboten. Dabei begegnet man Absolutheitsansprüchen, Empörungshysterie und Fake News am besten nüchtern und unaufgeregt mit Zahlen, Daten und Fakten. Das gilt für die aktuelle Klimadebatte ebenso wie für die vielen weiteren Diskussionen, die unser Land bewegen. Wir brauchen deshalb eine „Neue Sachlichkeit“ in Politik und Gesellschaft, um dieser Erosion des Vertrauens in unsere Demokratie und ihre Institutionen etwas entgegenzusetzen. Auch hierzu kann die Hanns-Seidel-Stiftung Wesentliches beitragen:

Etwa durch die Arbeit unserer Akademie für Politik und Zeitgeschehen, die aktuelle politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Trends wissenschaftlich untersucht und bewertet. Ihr Mehrwert besteht darin, dass sie das dabei generierte Wissen nicht für sich und eine kleine „scientific community“ behält, sondern gezielt politischen Entscheidungsträgern zur Verfügung stellt und so zu einem faktenbasierten, vorausschauenden politischen Handeln beiträgt. Dies setzt allerdings dreierlei voraus:

Die von uns behandelten Themen sollte erstens ein hohes Maß an politischer Relevanz aufweisen. Die wissenschaftlichen Informationen müssen zweitens so aufbereitet sein, dass sie für den politischen Empfängerkreis verständlich und verwertbar sind. Und die politischen Entscheidungsträger sollten drittens eine gewisse Bereitschaft an den Tag legen, diese Ergebnisse zur Kenntnis zu nehmen und in ihr Handeln einfließen zu lassen. An allen drei Stellschrauben müssen wir künftig noch stärker arbeiten, um das Potential dieses bürgerlichen Think Tanks für Bayern noch besser nutzen zu können.

Einen weiteren Beitrag zur „Neuen Sachlichkeit“ leisten wir als Hanns-Seidel-Stiftung auch durch unser Institut für Begabtenförderung mit seinen aktuell mehr als 1.100 Stipendiatinnen und Stipendiaten, die wir sowohl materiell wie auch ideell fördern.

Gerade in der engen Verbindung von wissenschaftlicher Exzellenz und der Bereitschaft zu gesellschaftlichem Engagement liegt dabei der besondere Mehrwert, den unsere Stipendiaten gemeinsam mit den inzwischen über 3.000 Altstipendiaten unserem Land bieten können. In Redaktionen und Parlamenten, in Hörsälen und Kreißsälen, in Aufsichtsräten und Laboratorien – überall finden sich heute Menschen, die wir gefördert, begleitet und ein Stück weit politisch geprägt haben.

Dieses weltumspannende Netzwerk, diese geballte Fülle an Wissen, diese exzellenten Botschafter unserer Stiftung sollten wir künftig noch viel stärker als Ressource begreifen, die wir fruchtbar einsetzen können.

Zumindest allen deutschen und europäischen Stipendiaten ist dabei eines gemeinsam: Sie gehören Generationen an, für die Frieden etwas Selbstverständliches ist. Die Krux dabei hat der Dichter Christian Morgenstern treffend auf den Punkt gebracht, als er sagte: „Das von selbst Verständliche wird gemeinhin am gründlichsten vergessen und am seltensten getan.“ So selbstverständlich, wie der Frieden in Europa über viele Jahrzehnte schien, ist er heute nicht mehr.

Das politische Umfeld Europas hat sich in den letzten Jahren stark gewandelt. Ich sitze seit über 25 Jahren im Europäischen Parlament und weiß sehr gut, wovon ich spreche. Veränderte geostrategische und innereuropäische Herausforderungen stellen die europäische Staatengemeinschaft heute gewaltig auf die Probe. Die liberale Weltordnung mit ihrem multilateralen Politikverständnis, ihren globalen Werten und Normen, offenen Gesellschaften und Märkten ist zunehmend gefährdet. Hinzu kommen Probleme wie illegale Migration, der nun unmittelbar bevorstehende Brexit, die Staatsschuldenthematik in Europa oder die rapide Veränderung des traditionellen Parteiengefüges. Gerade bei Fragen zu einer tiefgreifenden Vergemeinschaftung der Finanzpolitik, einer gemeinsamen europäischen Verteidigungsstrategie oder einer gerechten Verteilung von Migranten klaffen die Auffassungen innerhalb der Mitgliedsstaaten noch weit auseinander.

Vor diesem Hintergrund hat die Hanns-Seidel-Stiftung schon vor einiger Zeit ihre transatlantischen und europapolitischen Kräfte im Institut für Europäischen- und Transatlantischen Dialog gebündelt. Es versteht sich als Brückenbauer und Vermittler in Europa und als Plattform zur Erarbeitung von Lösungsansätzen für komplexe politische Fragen.

Über die Verbindungsstellen in Washington und Moskau genießt darüber hinaus auch der bilaterale Dialog mit Russland und den USA höchste Priorität. Die genannten Herausforderungen geben die Spannbreite der Themen vor, mit denen wir uns in diesem Bereich schon heute intensiv befassen.

Um unser Profil künftig weiter zu schärfen, müssen wir Maßnahmen priorisieren, die von spezifisch bayerischem, deutschem und europapolitischem Interesse sind. Besondere Aufmerksamkeit sollten wir der Weiterentwicklung der Europäischen Union widmen und dabei unsere länderübergreifende, themenspezifische Zusammenarbeit ausbauen.

In Ost- und Südosteuropa sind wir hier bereits gut aufgestellt – etwa im Bereich der Polizeiarbeit und Kommunalverwaltung. Wir sollten aber auch Themenfelder wie Migrationspolitik, Sicherheitspolitik, Energiepolitik oder Wirtschafts- und Währungspolitik nicht vernachlässigen – und dabei künftig verstärkt auch Westeuropa in den Blick nehmen.

Angesichts der aktuell nicht einfachen Beziehungen zu den USA und Russland sollten wir auch hier unsere Aktivitäten intensivieren. Wir sollten der voranschreitenden deutsch-russischen Entfremdung durch einen verstärkten Austausch entgegenwirken. Und wir sollten in der Zusammenarbeit mit den USA traditionelle Allianzen stärken, um gemeinsam für die Aufrechterhaltung der historisch gewachsenen transatlantischen Beziehungen und für eine werte- und normenbasierte multilaterale Zusammenarbeit zu werben.

Diesen Weg müssen wir konsequent weitergehen. Ganz im Sinne eines der historischen Vordenker der europäischen Einigung, Aristide Briand, der sagte: „Der Friede erfordert unentwegten, zähen, dauernden Dienst, er verlangt Ausdauer“.

Meine Damen und Herren, dieser Dienst endet nicht an den Grenzen der Europäischen Union. Damit bin ich bei der dritten Komponente unseres Leitmotivs, der Entwicklung. Als Hanns-Seidel-Stiftung sind wir seit über 40 Jahren im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit tätig.

Zuständig hierfür ist unser Institut für Internationale Zusammenarbeit. Ziel unserer Arbeit ist es, in den Partnerländern menschenwürdige Lebensverhältnisse zu fördern und durch Stärkung von Demokratie, Frieden, Rechtsstaatlichkeit, guter Regierungsführung und Sozialer Marktwirtschaft einen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung zu leisten.

Aus einem ersten Auslandsprojekt in Togo im Jahre 1976 hat sich ein globales Netzwerk von Auslandsstandorten und Projekten entwickelt, das sich heute über mehr als 50 Entwicklungs- und Schwellenländer spannt. Über dieses seismographische Netzwerk bekommen wir hautnah mit, wie sich die Situation weltweit entwickelt. Und wir können aus eigener Anschauung leider nur das bestätigen, was die in Washington ansässige NGO „Freedom House“ in ihrem jährlichen Freiheitsbericht dokumentiert: Wir erleben seit bald eineinhalb Jahrzehnten einen konstanten Rückgang der globalen Freiheit. Die Demokratie befindet sich trotz aller Anstrengung nicht auf dem Vormarsch, wie nach dem Ende des Kalten Krieges erhofft. Sie befindet sich auf dem Rückzug. Die Zivilgesellschaft steht weltweit unter Druck. Damit wird auch unsere Arbeit in vielen Ländern schwieriger:

Regierungen errichten rechtliche und logistische Hindernisse. Sie schaffen ein politisches Klima, in dem unsere Kooperationspartner eingeschüchtert und öffentlich delegitimiert werden.

Unsere Auslandsmitarbeiter erfahren die Mechanismen in ihrer täglichen Arbeit. Das stellt uns vor große Herausforderungen. Wie reagieren wir als Hanns-Seidel-Stiftung auf zurückgehende Handlungsräume etwa in Ägypten, Pakistan oder China? Wie rechtfertigen wir unsere Arbeit gegenüber diesen und anderen Regimen?

Wichtig scheint mir, das Handeln autoritärer Regime in das Licht der Öffentlichkeit zu stellen. Wir müssen klar aussprechen, dass jede Bestrebung, individuelle und gesellschaftliche Freiheiten zu beschränken, ein Zeichen antidemokratischer Gesinnung ist, und wir für derart bedrohte Zivilgesellschaften eintreten. Wir müssen deutlich machen, dass dieses Eintreten ein Ausdruck unseres Verständnisses von Demokratie, Frieden und Entwicklung ist. Sicher hat unsere Demokratie ihre Schwächen. Aber ihre Fähigkeit zu integrieren und Zukunft offen zu gestalten, ist ihre Stärke. Darauf sollten wir immer wieder selbstbewusst hinweisen. 

Wir müssen uns künftig sodann noch stärker als bisher übergeordneten Fragen widmen. Wie gestalten wir verantwortliche Entwicklungszusammenarbeit in Zeiten von Globalisierung und Digitalisierung? Im Angesicht von Megatrends wie Ressourcenknappheit, Bevölkerungswachstum, Klimawandel, Flucht und Migration?

Von zentraler Bedeutung scheint mir bei all den anstehenden Herausforderungen eine partnerschaftliche Kooperation auf Augenhöhe zu sein. Wir müssen unsere Partner in den Ländern auf ihrem je eigenen Weg der Reform begleiten. Wir müssen aber auch unser eigenes Handeln noch stärker reflektieren. Wie passt das Abschotten unserer Märkte mit dem Ziel zusammen, die weltweite Ungleichheit zu bekämpfen, damit die Beteiligung an der Weltwirtschaft, die Wohlstand schafft, in unseren Partnerländern an Fahrt aufnehmen kann?  Welchen Beitrag können wir mit unserer Arbeit zu mehr Fairness in den globalen Liefer- und Wertschöpfungsketten leisten?

Meine Damen und Herren, das Leitmotiv der Hanns-Seidel-Stiftung „Im Dienst von Demokratie, Frieden und Entwicklung“ hält noch ein allerletztes Stichwort bereit: das Wort Dienst. Ich bin fest davon überzeugt, dass es sich lohnt und zutiefst erfüllend ist, der Demokratie, dem Frieden und der Entwicklung zu dienen. Was mich persönlich betrifft, will ich dies in den kommenden Jahren gerne mit aller Energie, die mir zur Verfügung steht, in der Hanns-Seidel-Stiftung tun. Und ich wie ich eingangs sagte: Ich lade Sie herzlich ein, mich auf diesem Weg zu begleiten. Ganz im Geiste von Dr. Hanns Seidel: die Herausforderungen als Chance begreifend, mit Lust, Neues zu entdecken, dem Zeitgeist nicht hinterherlaufend, sondern ihn prägend. Packen wir’s an!

Leiterin Kommunikation, Öffentlichkeitsarbeit, Onlineredakion

Susanne Hornberger