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25-jähriges Bestehen der marokkanischen Fachzeitschrift für lokale Verwaltung und Entwicklung (REMALD)
Marokkos Engagement für politische und sozioökonomische Entwicklung

Anlässlich des 25-jährigen Bestehens der marokkanischen Fachzeitschrift für lokale Verwaltung und Entwicklung (REMALD) reiste die Vorsitzende der Hanns-Seidel-Stiftung, Professor Ursula Männle, nach Marrakesch. Seit Beginn ihrer Aktivitäten im Jahr 1992 wird das Expertennetzwerk der akademischen Zivilgesellschaft von der Hanns-Seidel-Stiftung in Marokko unterstützt. Im Rahmen der Feierlichkeit hielt die Vorsitzende, die zugleich Honorarkonsulin des Königreichs Marokko in Bayern ist, eine Festrede über das Engagement der Stiftung für Rechtsstaat und Demokratie in Marokko. Am Rande der Veranstaltung traf sie auch mit marokkanischen Vertretern aus Politik und Zivilgesellschaft zusammen.

 

Die beiden Direktoren Ahmed Bouachik und Mohammed Benyahya mit Ursula Männle bei dem Jubliäum der Fachzeitschrift für lokale Verwaltung und Entwicklung (REMALD)

Die beiden Direktoren Ahmed Bouachik und Mohammed Benyahya mit Ursula Männle bei dem Jubliäum der Fachzeitschrift für lokale Verwaltung und Entwicklung (REMALD)

HSS

Partnerschaft für Rechtsstaat und Demokratie

Die marokkanische Fachzeitschrift für lokale Verwaltung und Entwicklung (REMALD) wirkt mit der Unterstützung der Hanns-Seidel-Stiftung seit 25 Jahren nicht nur nachhaltig auf die kritisch-wissenschaftliche Auseinandersetzung zu rechtswissenschaftlich relevanten Fragestellungen ein, sondern ist darüber hinaus landesweit eine zentrale Plattform für Experten des Verfassungs-, Verwaltungs- und Wahlrechts. So beeinflusste die REMALD nicht nur das akademische Curriculum der wichtigsten rechtswissenschaftlichen Fakultäten des Landes, sondern übte über Beratungsgremien zu Verfassungsentwürfen und Organgesetzen wesentlichen Einfluss auf die erfolgreiche Gestaltung des politischen und administrativen Reformprozesses in Marokko aus. Seit ihrer Gründung wird die REMALD von zwei Direktoren geleitet. Dabei beeinflusst Ahmed Bouachik als Publizist die öffentliche Debatte über die Modernisierung der Verwaltung, während Mohammed Benyahya seine Expertise auch als Berater im königlichen Kabinett nachhaltig auf der politischen Entscheidungsebene des Königreichs einbringt.

Die REMALD versammelt während öffentlicher Debatten und nationaler Konferenzen die wichtigsten Verfassungs- und Verwaltungsrechtsexperten regelmäßig zur Evaluierung aktueller politischer Fragen. Zudem gehören ihre von der Hanns-Seidel-Stiftung mitfinanzierten Publikationen und Handbücher zur relevanten Thematik zu den besten ihrer Art in Marokko.

Der marokkanische Minister für Kultur und Kommunikation, Mohammed Laaraj nimmt an dem Jubiläum teil

Der marokkanische Minister für Kultur und Kommunikation, Mohammed Laaraj nimmt an dem Jubiläum teil

HSS

Im Rahmen der Eröffnungszeremonie, an der auch der marokkanische Minister für Kultur und Kommunikation, Mohammed Laaraj, teilnahm, verwies Ursula Männle auf die Errungenschaften Marokkos bei der rechtstaatlichen Entwicklung, Regionalisierung und demokratischen Transition. Die langjährige und wichtige Partnerschaft mit der REMALD leistete dazu einen wesentlichen Beitrag.Bereits während ihres Besuchs im Januar 2015 hatte sich die Vorsitzende bei einem Treffen mit Ahmed Bouachik und Mohammed Benyahya von der Arbeit und Leistung der REMALD überzeugen können.

In ihrer Festrede hob Professor Männle die politische Stabilität Marokkos hervor, die auch für Europa von enormer Bedeutung sei und lobte die Qualität der marokkanischen Verfassung. Insbesondere die Verankerung der Prinzipien von Toleranz und Pluralität, wie die offizielle Anerkennung der Berbersprache als Amtssprache, und der Verweis auf die historischen andalusischen, hebräischen und mediterranen Einflüsse und Wurzeln, machten die marokkanische Verfassung, so die Vorsitzende der HSS, zu einem Vorzeigemodell in der Region. Ursula Männle würdigte die Leistung der REMALD beider wissenschaftlichen Begleitung administrativer Strukturreformen, rechtsstaatlicher Entwicklungen und demokratischer Förderung sowie die Stärkung der Rechte und Pflichten der Bürger. Darüber hinaus sprach die Vorsitzende den beiden Direktoren der REMALD, Ahmed Bouachik und Mohamed Benyahya, Dank für ihr überdurchschnittliches und altruistisches Engagement für Rechtsstaat und Demokratie in Marokko aus.

Im Verlauf der Festzeremonie hob der renommierte Verfassungsrechtler Sebhalla El Rhazi die Rolle der REMALD zwischen Forschern und Studierenden hervor. Die REMALD verstehe sich, so El Rhazi, nicht als exklusives Fachmagazin, sondern als eine für alle zugängliche Expertenplattform. REMALD decke nicht nur aktuelle Themen ab, sondern leiste durch die Dokumentation und Begleitung der politischen und rechtsstaatlichen Entwicklung, wie etwa über die gesetzlichen Rahmenbedingungen und Fundamente des politischen Systems, einen wesentlichen Beitrag zur marokkanischen Wissenschaftslandschaft.

Samir Goudar, Vize-Präsident der Region, einen umfassenden Überblick über die neue Kompetenzverteilung mit der Zentralregierung in Rabat

Samir Goudar, Vize-Präsident der Region, gibt einen umfassenden Überblick über die neue Kompetenzverteilung mit der Zentralregierung in Rabat

HSS

Regionalisierung, Integration und soziökonomische Entwicklung

Während ihres Aufenthaltes traf Professor Ursula Männle, den ersten Vize-Präsidenten der Region Marrakesch-Safi, Samir Goudar, und weitere Entscheidungsträger aus den Entwicklungsausschüssen des Regionalrates. Die Region Marrakesch-Safi ist eine neu gebildete Region Marokkos, die durch die Reform der Gebietskörperschaften im Jahr 2015 entstand. Im Hinblick auf die erfolgreich durchgeführte Neuordnung waren ethnische, geographische, wirtschaftliche und politische Kriterien sowie die soziale Vernetzung der Gesellschaft ausschlaggebend für die Neustrukturierung einer Gebietskörperschaft. Durch das Verfassungsreferendum von 2011 und die Zustimmung eines Großteils der Bevölkerung zu der in der Verfassung verankerten Regionalisierung und Neuordnung der Gebietskörperschaften wird die Regionalisierung auch von den Bürgern und der Zivilgesellschaft mit überwältigender Mehrheit mitgetragen.

Wesentliche Themen des Gesprächs waren die Strukturreformen im Rahmen der Verwaltungsdezentralisierung und die Neuordnung der Gebietskörperschaften. In diesem Zusammenhang vermittelte Samir Goudar, Vize-Präsident der Region, einen umfassenden Überblick über die neue Kompetenzverteilung mit der Zentralregierung in Rabat und die Aufgabenbereiche des Regionalrates im Bereich der Planung von Entwicklungs- und Infrastrukturprojekten.

Eröffnungszeremonie der Jubiläumsfeier 25 Jahre REMALD: In ihrer Festrede hob Professor Männle die politische Stabilität Marokkos hervor, die auch für Europa von enormer Bedeutung sei.

Eröffnungszeremonie der Jubiläumsfeier 25 Jahre REMALD: In ihrer Festrede hob Professor Männle die politische Stabilität Marokkos hervor, die auch für Europa von enormer Bedeutung sei.

HSS

Moulay AbdelazizGaouji, Präsident für wirtschaftliche und soziale Entwicklung sowie für Umweltentwicklung und Ausbildung des Regionalrates Marrakesch-Safi, informierte die Vorsitzende über die wesentlichen Eckpfeiler der sozioökonomischen Entwicklung in der Region. Mit ca. 4,5 Millionen Einwohnern umfasst die Region Marrakesch-Safi 13 Prozent der marokkanischen Bevölkerung. Durch den Status des Weltkulturerbes ist der Tourismus für Marrakesch und das nahe gelegene Atlasgebirge der wichtigste Wirtschaftszweig. Auch traditionelles Handwerk, Lebensmittelproduktion und die Phosphatindustrie prägen die wirtschaftliche Struktur der gesamten Region. Von erheblich wachsender Bedeutung für die wirtschaftliche Entwicklung der Region sind die erneuerbaren Energien, insbesondere Wind- und Sonnenenergie. In diesem Zusammenhang äußerte Gaouji den Wunsch nach engerer Zusammenarbeit mit Deutschland, vor allem bei der Vermittlung von klimapolitischer Expertise. So habe die Stadt Marrakesch mehrere Pilotprojekte im Bereich erneuerbarer Energien angestoßen, darunter die Nutzung von Elektro-Fahrzeugen in der Stadt Marrakesch. Durch den Weltklimagipfel im November 2016 hat die Stadt die globale Klimapolitik nachhaltig beeinflusst. Aufgrund seiner konsequenten Ausrichtung auf erneuerbare Energien und seines niedrigen CO2-Ausstoßes nimmt Marokko im Climate Performance Index von German Watch eine Platzierung unter den Top-Ten ein.

Vertreter des Regionalrates Marrakesch Safi informierten  die Vorsitzende über ihre Aufgaben im Regionalrat

Vertreter des Regionalrates Marrakesch Safi informierten die Vorsitzende über ihre Aufgaben im Regionalrat

HSS

Professor Männle interessierte sich für die Herausforderungen der Region. In erster Linie ist die Wasserknappheit ein großes Problem für die Produktion von Lebensmitteln und die Bewässerung landwirtschaftlicher Flächen. Dennoch möchte die Region ihre Wirtschaftsleistung bei der Schwerindustrie und Erzeugung von Düngemitteln beständig erhöhen sowie jährlich bis zu 40.000 neue Arbeitsplätze schaffen.

Nassima Touati, Präsidentin der Kommission für Zusammenarbeit und Partnerschaft des Regionalrates Marrakesch-Safi, verwies auf die Herausforderungen bei der Integration von Migranten aus der Sub-Sahara-Region und aus Syrien. Trotz Initiativen, um Migranten und Flüchtlinge zu integrieren, bestehe nach wie vor ein erheblicher Mangel an einer kohärenten Strategie zur Integration auf nationaler, regionaler und kommunaler Ebene.

Im Rahmen des Gesprächs gab die Vorsitzende der HSS, Frau Männle, den Regionalräten einen Überblick über die Entwicklung der Regionalaufteilung in Deutschland und der Entwicklung Bayerns zu einem der erfolgreichsten Wirtschaftsstandorte Europas. Anders als in Deutschland verfügen die Gebietskörperschaften in Marokko über keine Möglichkeit der Einflussnahme bei den Haushaltsverhandlungen sondern wird per Gesetz geregelt.

Auch die politische Stabilität und das friedliche Klima des Zusammenlebens in Marokko wurden thematisiert. Das Land zeichnet sich aufgrund der guten Sicherheitslage durch ein im regionalen Kontext überdurchschnittlich gutes Investitionsklima aus. Künftige Schwerpunkte seiner außenpolitischen Strategie sind nicht nur die weitere Vertiefung der Beziehungen zur EU, sondern auch der Ausbau seiner entwicklungspolitischen Führungsrolle in Afrika, vor allem nach der erfolgreichen Rückkehr in die Afrikanische Union (AU) zu Beginn des Jahres 2017.

Die zweite Bürgermeisterin der Stadt Marrakesch, Awatef Berdai, besprach mit der Vorsitzenden kommunalpolitische Herausforderungen des Weltkulturerbes

Die zweite Bürgermeisterin der Stadt Marrakesch, Awatef Berdai, besprach mit der Vorsitzenden kommunalpolitische Herausforderungen des Weltkulturerbes

HSS

Weltkulturerbe im Wandel

Mit der zweiten Bürgermeisterin der Stadt Marrakesch, Awatef Berdai, tauschte sich die Vorsitzende über kommunalpolitische Herausforderungen des Weltkulturerbes aus.

Das UNESCO-Weltkulturerbe macht die Stadt zwar zu einem attraktiven Ort für Touristen, verpflichtet sie aber auch, ihr Kulturerbe nachhaltig zu schützen und aufrechtzuerhalten. Die baurechtlichen Auflagen der Stadt umfassen sowohl die einheitliche Fassadengestaltung aller Gebäude im typischen Terrakottarot sowie die Wahrung traditioneller Gebäudestrukturen (Riads) in der Altstadt. Der Denkmalschutz und die Pflege des Kulturerbes sind somit zentrale Aufgaben der Kommunalverwaltung, um dem Verfall historischer Gebäude entgegenzuwirken. Ein weiterer Gesprächspunkt war das politische Engagement von Frauen auf kommunaler Ebene und innerhalb der Parteien. Berdai zufolge sei die Quotenregelung nicht immer zielführend für die Institutionalisierung von Geschlechtergleichstellung, da Frauen im marokkanischen Kontext häufig über männliche Familienmitglieder in öffentliche Ämter gehoben werden. Sie plädierte daher für mehr weibliche Vertreterinnen auf lokaler und nationaler Ebene, die aufgrund ihrer Kompetenzen und nicht der Quotenregelung in ihr Amt gewählt werden müssten. So bedürfe es laut Berdai einer Bewusstseinsbildung sowohl bei Männern als auch Frauen, damit Frauen im öffentlichen Leben und in der Politik zukünftig besser wahrgenommen würden und ihre eigenen Interessen, nicht jene ihrer männlichen Ziehväter aus der Politik, vertreten könnten. Zudem, das unterstrich die stellvertretende Bürgermeisterin gegenüber der HSS-Vorsitzenden, habe sich die rechtliche Stellung der Frau in Marokko in den letzten Jahren dank des Engagements von König Mohammed VI. erheblich verbessert. Das Familiengesetz (Moudawana) von 2004 gilt als eines der fortschrittlichsten Familiengesetze in der MENA-Region und räumt Frauen nicht nur das Recht auf mehr Autonomie (u. a. das Scheidungsrecht) ein, sondern leistet einen wesentlichen Beitrag zur Institutionalisierung der Gleichheit von Männern und Frauen vor dem Gesetz.

Als wichtigste Herausforderungen der nächsten Jahre bezeichnete Berdai die Reform des Bildungssektors, die Stärkung einer unabhängigen Justiz sowie die Verbesserung des Gesundheitswesens und die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Aufgrund der landwirtschaftlich geprägten Wirtschaftsstrukturen seien eine Diversifizierung und ein Wandel der Wirtschaft im Industrie- und Tourismussektor dringend notwendig, um langfristig neue Arbeitsplätze zu schaffen. Darüber hinaus seien ein gutes Bildungssystem und an akademischen Einrichtungen ausgebildete Fachkräfte für die soziökonomische Entwicklung unerlässlich. In Marrakesch, so die stellvertretende Bürgermeisterin, gebe es bereits zahlreiche Sozialprojekte im Bereich der Altenpflege, bei der Betreuung von Kindern und Jugendlichen in schwierigen Situationen und Frauenhäusern, die es ermöglichten, marginalisierte Bevölkerungsgruppen aufzufangen und ihnen notwendige Hilfeleistungen zu gewährleisten.

Offene Diskussionsrunde mit den marokkanischen Migrationsexperten der Universität Cadi Ayyad in Marrakesch über die aktuelle Migrationssituation in Marokko und die Asyl- und Einwanderungsdebatten in Deutschland

Offene Diskussionsrunde mit den marokkanischen Migrationsexperten der Universität Cadi Ayyad in Marrakesch über die aktuelle Migrationssituation in Marokko und die Asyl- und Einwanderungsdebatten in Deutschland

HSS

Migrationsdebatte

Während ihres Aufenthaltes in Marrakesch hatte die Vorsitzende der Hanns-Seidel-Stiftung Gelegenheit, sich mit Experten über Migration auszutauschen und sich nicht nur über die gegenwärtige Lage in Marokko zu informieren, sondern auch bundes- und sicherheitspolitisch relevante Themen wie die Rückführung von Migranten oder die Infragestellung Marokkos als sicheres Herkunftsland zu diskutieren. Als Honorarkonsulin des Königreichs Marokko in Bayern war Männle insbesondere an der Frage der Rückführung von in Deutschland sich illegal aufhaltenden und zum Teil straffälligen Marokkanern interessiert. So konnte sich die Vorsitzende der HSS im Rahmen einer offenen Diskussionsrunde mit den marokkanischen Migrationsexperten der Universität Cadi Ayyad in Marrakesch, Abderrahman Belgourch, Driss Lagrini, Driss Assougouem und Mohammed El Haji Drissi über die aktuelle Migrationssituation in Marokko und die Asyl- und Einwanderungsdebatten in Deutschland austauschen. Die Vorsitzende gab einen Einblick in die Flüchtlingsdebatte in Deutschland. Sie führe derzeit zu einer Spaltung der Gesellschaft, indem ein Teil der Bevölkerung hilfsbedürftige Menschen mit offenen Armen aufnehme, während sich auch immer mehr skeptische Stimmen gegen "Fremde" erheben würden. Ursula Männle betonte auch das Engagement der HSS, insbesondere die Veröffentlichung von mehrsprachigen Informationsbroschüren für Flüchtlinge, die Organisationen bei der Flüchtlingsarbeit zur Verfügung stünden. Die Arbeit der HSS beschränke sich bei der Integration nicht nur auf die Bildungsarbeit und Sensibilisierung in Deutschland, sondern auch auf Länder wie Jordanien und dem Libanon, die von Flüchtlingsströmen aus Kriegsgebieten betroffen sind.

Der Beschluss des Bundesrates vom März 2017, Marokko als nicht sicheres Herkunftsland einzustufen, führte in der Diskussion zur Frage, ob Marokko den Experten zufolge sicher sei oder nicht. Belgourch war der Auffassung, dass nach Kriterien sozioökonomischer und politischer Stabilität Marokko als sicher gelte und der Staat allen Bürgern militärische und soziale Sicherheit gewährleiste. Auch sei die geltende Gesetzgebung den aktuellen Entwicklungen entsprechend angepasst worden.

Die Vorsitzende gab einen Einblick in die Flüchtlingsdebatte in Deutschland

Die Vorsitzende gab einen Einblick in die Flüchtlingsdebatte in Deutschland

HSS

Im Hinblick auf individuelle Freiheiten wurden entscheidende Gesetze nach dem Jahr 2000 von König Mohammed VI geändert. Sie böten, so der Migrationsexperte, einen angemessenen Raum für Meinungsfreiheit. Zudem zeichne sich der demokratische Übergang in Marokko durch stabile politische Institutionen sowie freie und faire Wahlen aus. Professor Lagrini zufolge seien Marokkaner, die in Deutschland Asyl aufgrund politischer Verfolgung beantragten, im Grunde reine Wirtschaftsflüchtlinge. Neben wirtschaftlichen und politischen Flüchtlingen müsse man aber in Zukunft auch für eine steigende Anzahl von Klimaflüchtlingen gewappnet sein, die ihr Land aufgrund von Trockenheit und Nahrungsmittelknappheit verlassen müssten.

Marokko ist als Ein- und Auswanderungsland sowie Transitland für Migranten aus Subsahara-Afrika nach Europa gleich mit mehreren Problemen konfrontiert: zum einen mit der Integration von Migranten in Marokko, der Legalisierung des Aufenthaltsstatus illegaler Einwanderer und der Ghettoisierung von Transitmigranten im Norden des Landes nahe der spanischen Enklaven Ceuta und Melilla. Zum anderen mit der Wahrnehmung von Migration in der Bevölkerung und den gesellschaftlichen Diskussionen zum Thema Integration und Toleranz. Die Experten betonten übereinstimmend, dass das Phänomen Migration bisher ausschließlich auf akademischer Ebene diskutiert werde und erst nach und nach Eingang in die politische und gesellschaftliche Debatte finde. In diesem Zusammenhang wurde die Initiative des Königs für eine neue Migrationspolitik betont, die bisher ca. 25.000 illegalen Einwanderern in Marokko, vornehmlich aus Westafrika und der Sub-Sahara-Region, die Zuerkennung eines legalen Aufenthaltstitels ermöglichte.

Naher Osten, Nordafrika
Claudia Fackler
Leiterin