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Marokkos König und Papst Franziskus
Gemeinsam für interreligiösen Dialog

Zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit war Papst Franziskus Ende März 2019 Gast in einem muslimischen Land. Nach dem Besuch in den Vereinigten Arabischen Emiraten folgte der Papst dieses Mal der Einladung des Königs von Marokko. Auf beiden Seiten war das Treffen geprägt von einem emotionalen Bekenntnis zu Verständnis, Akzeptanz und Frieden und Toleranz. Das marokkanische Königshaus hat in seiner Eigenschaft als Garant des religiösen Emirats Marokko und damit verbunden des Schutzes aller Religionsgemeinschaften alle Register gezogen und diesen Besuch im wahrsten Sinne des Wortes zelebriert. Es war eine klare Absage an Islamisten und Puritaner und alle, die Religion und Machtstreben in Einklang bringen wollen.

König Mohammed VI. empfing den Papst nicht nur in seiner Eigenschaft als Staatschef von Marokko, sondern auch in seiner Funktion als „Führer der Gläubigen“ (Amir al Mu’minin) und religiöses Oberhaupt des Landes. In dieser seit der Staatsgründung Marokkos im Jahre 789 traditionell verankerten Rolle betonte König Mohammed VI., dass das Treffen durch und durch vom Geist der abrahamitischen Geschwisterreligionen inspiriert sei. 

Zur Information Schon im Jahr 1985 besuchte Papst Johannes Paul II. als erstes katholisches Kirchenoberhaupt das fast ausschließlich muslimisch geprägte Land im Westen der arabischen Welt, das auch auf eine lange jüdische Geschichte zurückblicken kann. Sie ist in der Präambel der neuen Verfassung aus dem Jahr 2011 als eines von vielen Merkmalen des Königreich Marokkos verankert. So mussten im Zuge des Alhambra-Edikts im Nachgang der Reconquista durch die katholischen Könige Isabella von Kastilien und Ferdinand von Aragón im Jahr 1492 ausnahmslos alle Juden aus Spanien auswandern. Die meisten davon suchten Zuflucht im Osmanischen Reich oder in Nordafrika, vor allem in Marokko, wo sie, bekannt als sephardische Juden, bis zur Staatsgründung Israels einen wesentlichen Bestandteil der marokkanischen Kultur und Tradition ausmachten.

Die Einladung des Papstes durch den marokkanischen König zeigt das intensive Bemühen um Austausch und Dialog.

Die Einladung des Papstes durch den marokkanischen König zeigt das intensive Bemühen um Austausch und Dialog.

carlo75; CC0; pixabay

Als „Führer der Gläubigen“, so unterstrich er unmissverständlich, garantiere er persönlich das Recht auf freie Religionsausübung, nicht nur von Muslimen, sondern von marokkanischen Juden und von Christen unterschiedlicher Nationen, die Marokko inzwischen zu ihrer dauerhaften Heimat gemacht hätten. In diesem Zusammenhang erinnerte Mohammed VI. auch an die spirituelle, architektonische und kulturelle Brücke, die von der maurischen Kultur in Spanien und Marokko als Bindeglied zwischen Afrika und Europa getragen werde. Er machte darauf aufmerksam, dass der Zeitpunkt des Papstbesuchs in den heiligen Monat Rajab des islamischen Jahres falle, der für Christen und Muslime gleichermaßen das historische Anfangsdatum ihres interreligiösen Dialogs markiere. Dieser, so betonte der Staatschef, sei in seinem Potenzial bei weitem noch nicht ausgeschöpft.

Zur Information: Im heiligen Monat Rajab 615 riet Mohammed den 83 Anhängern seiner kleinen, aber beständig wachsenden muslimischen Gemeinde die Stadt Mekka Richtung Abessinien zu verlassen, um dort den christlichen König Negus vorübergehend um Asyl und um freie Religionsausübung zu ersuchen. Insbesondere durch die Verbreitung von Idealen wie Gleichheit, Brüderlichkeit und Gerechtigkeit waren die ersten Muslime bei der herrschenden arabischen Stammesaristokratie in Mekka in Ungnade gefallen und massiver Repression ausgesetzt. Der Überlieferung nach war der christliche König religiös und menschlich so tolerant, dass er sich auch durch wertvolle Geschenke einer Delegation mächtiger und reicher Mekkaner nicht bestechen ließ.

Papst Franziskus feiert zum Abschluss seines Besuches in Marokko eine Messe

Nach mehr als 30 Jahren besuchte wieder ein Papst Marokko. Im Jahr 1985 war Papst Johannes Paul II. als erstes Oberhaupt der Katholischen Kirchen der Einladung von König Hassan II. gefolgt.

HSS

Im Anklang an dieses Datum richtete König Mohammed VI. seine Rede angesichts der zahlreichen katholischen Besucher aus den spanischen Enklaven Ceuta und Melilla auf Spanisch, anschließend unter Berücksichtigung der zahlreichen Christen aus Subsahara-Afrika auf Französisch, und danach, als Ausdruck der internationalen Bedeutung des Treffens, auch auf Englisch an den Papst. Er warnte mit Nachdruck vor Radikalismus und blindem Fanatismus als Ausdrucksformen einer totalen Ignoranz gegenüber religiösen Prinzipien und Werten. Diese seien vielmehr geprägt von uneingeschränkter Solidarität, Mitmenschlichkeit und gegenseitigem Respekt. In diesem Zusammenhang warb er für eine stärkere Bildungsgerechtigkeit auf globaler Ebene und forderte dazu auf, Unwissenheit und Intoleranz keinen Platz einzuräumen. Dabei nahm er die zivilisatorische Verantwortung der abrahamitischen Religionen in eine besondere Pflicht. 

Papst Franziskus feierte im "Prince-Moulay-Abdellah-Stadion eine Messe mit ungefähr 10.000 Teilnehmern. Etwa 23.00 Katholiken leben in Marokko.

Papst Franziskus feierte im "Prince-Moulay-Abdellah-Stadion eine Messe mit ungefähr 10.000 Teilnehmern. Etwa 23.00 Katholiken leben in Marokko.

HSS

Gemeinsam gegen Intoleranz und Fanatismus

Papst Franziskus erinnerte in seiner programmatischen Rede ebenfalls an ein geschichtsträchtiges Datum: an die Begegnung des Heiligen Franz von Assisi mit dem ägyptischen Sultan al Kamil im dreizehnten Jahrhundert in der ägyptischen Hafenstadt Damiette. Im Geiste dieser interreligiösen Verständigung erteilte er ebenfalls dem Missbrauch der Religion durch Fundamentalismus und Extremismus eine klare Absage. Er hob die lange Tradition des humanitären Engagements der katholischen Kirche in Marokko hervor, die sich unter anderem in der wichtigen Arbeit von Institutionen wie der Caritas bei der Flüchtlingsregistrierung und -versorgung widerspiegle. Dabei lobte er nicht nur die hervorragenden Rahmenbedingungen für katholische Institutionen in dem vom sunnitischen Islam geprägten Land, sondern unterstrich die Kontinuität der freundschaftlichen Beziehungen zwischen der katholischen Kirche und dem Königreich Marokko.

Papst Franziskus gratulierte König Mohammed VI. zur Einrichtung des Ausbildungszentrums für afrikanische, aber auch europäische Imame: dem Institut Mohammed VI. in Rabat. Es vermittle Religionsgelehrten eine zeitgenössische und moderne Interpretation des Islam, um gesellschaftspolitisch, wirtschaftspolitisch und ökologisch relevanten Fragestellungen unserer Epoche in adäquater Weise begegnen zu können. Marokko, so Papst Franziskus, untermauere damit seine Vorreiterrolle in der muslimischen Welt bei der Modernisierung religiöser Bildung.

Diese Begegnung fand am Mausoleum der Alawiden-Dynastie in Rabat statt. die seit 1664 in Marokko herrscht. Danach besuchte der Papst das Institut, um sich intensiv und persönlich mit angehenden islamischen Religionsgelehrten, darunter auch viele Frauen, auszutauschen. 

Unterzeichnung einer Jerusalem-Erklärung

Im Rahmen des Aufenthaltes unterzeichneten das katholische Kirchenoberhaupt und der marokkanische König eine Jerusalem-Erklärung. Damit soll der besondere Schutz der multireligiösen und spirituellen Dimension sowie der besonderen Identität Jerusalems für die drei abrahamischen Weltreligionen gefördert werden. In seiner Eigenschaft als Präsident des Al Quds Komitees zum Schutz des religiösen und kulturellen Erbes Jerusalems hatte König Mohammed VI. im Vorfeld die Unterzeichnung des Abkommens initiiert. 

Das Schicksal der Migranten ist für Papst Franziskus ein großes Anliegen. Der Papst ruft auf zur Brüderlichkeit und Barmherzigkeit.

Das Schicksal der Migranten ist für Papst Franziskus ein großes Anliegen. Der Papst ruft auf zur Brüderlichkeit und Barmherzigkeit.

martieda; CC0; pixabay

Aufbruch auf ganzer Linie

Marokko setzte mit der Einladung von Papst Franziskus seine bemerkenswerten Initiativen im Nachgang der Ereignisse des Jahres 2011 in der arabischen Welt beispielhaft fort. Nach der Verabschiedung einer neuen Verfassung im Sommer des gleichen Jahres stieß das Land im Verlauf der letzten Jahre umfassende demokratische Reformen an, darunter die Neuordnung der Gebietskörperschaften (fortgeschrittene Regionalisierung), die den politischen Gestaltungsspielraum von Kommunen und Regionen wesentlich gestärkt hat.

Durch seine Investitionen im Bereich der erneuerbaren Energien rangiert das Land im Climate Performance Index zusammen mit Schweden und Litauen auf den weltweiten Spitzenpositionen.

Die Inbetriebnahme der ersten afrikanischen Eisenbahnhochgeschwindigkeitstrasse von Casablanca nach Tanger untermauert zudem Marokkos Führungsansprüche auf dem europäischen Nachbarkontinent.

Der beeindruckende Empfang für Papst Franziskus, dessen Besuch in einer feierlichen Messe vor 10.000 bunt gemischten Gläubigen, darunter auch zahlreichen neugierigen Muslimen, in der Hauptstadt Rabat seinen gebührenden Abschluss fand, kann indes als weiteres Indiz für den positiven und hoffnungsvollen Aufbruch des nordafrikanischen Landes gewertet werden. In Europa dürfte man das marokkanische Engagement auf politischer, wirtschaftlicher und kultureller Ebene mit großem Interesse zur Kenntnis nehmen.

Naher Osten, Nordafrika
Claudia Fackler
Leiterin