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Analyse
Nachhaltige Waldwirtschaft in Namibia

Das Ökosystem Wald ist nicht nur die grüne Lunge der Erde, sondern ein wichtiger CO2-Speicher und Lebensraum mit großer Biodiversität. Wälder können auch den Klimawandel mildern. Weltweit sind sie bedroht durch Abholzung, Übernutzung und Misswirtschaft. Zum „Tag des Waldes“ erfahren Sie mehr über unsere Projektarbeit in Namibia, die sich für nachhaltige Waldwirtschaft einsetzt und für größere Wertschätzung dieser Ressource.

  • Aktuelle Situation der namibischen Wälder
  • Abholzungen
  • Über den Waldschutz
  • Der Weg zu einer nachhaltigen Waldwirtschaft

Video: Dr. Clemens von Doderer zum Internationalen Tag des Waldes

Wälder in Namibia

Mit seinen mehr als 825.600 Quadratkilometern Landesfläche ist Namibia mehr als doppelt so groß wie Deutschland (357.386 km²). Im Vergleich zu Deutschland, dessen Landesfläche zu einem Drittel aus Wald besteht, ist der Waldanteil in Namibia deutlich geringer. Lediglich 8,4 Prozent der gesamten Landesfläche Namibias gelten als Wald. Diese sind hauptsächlich im Nord-Osten des Landes – der Kavango-Sambesi Region – zu finden und lassen sich nur bedingt mit einem Wald in Deutschland vergleichen. Während man in Deutschland von einem Kulturwald spricht, der in der Regel aktiv bewirtschaftet und wieder aufgeforstet wird, regenerieren sich die Wälder Namibias ohne menschliches Zutun. Die sogenannten Trockenwälder zeichnen sich durch eine sehr offene Struktur von Büschen und Bäumen aus. Im Landschaftsbild bedeutet das, dass der Baumanteil pro Hektar im Vergleich zu den typischen Laub- und Nadelwäldern Deutschlands deutlich geringer ist.

Die heißen Temperaturen, lange Trockenphasen und der geringe, jahreszeitlich begrenzte Niederschlag tragen dazu bei, dass kommerziell relevante Baumarten, wie Kiaat, Sambesi Teak oder Afrikanisches Rosenholz, vergleichsweise langsam wachsen. Wie auch in Deutschland sind die Wälder Namibias nicht nur als Lieferant für den Rohstoff Holz von Bedeutung. Sie stellen wichtige Leistungen für das Ökosystem zur Verfügung. Die Speicherung von CO2 spielt gerade für den Klimawandel eine zentrale Rolle. Die Fähigkeit der Wälder, Wasser zu speichern, wirkt sich direkt auf das lokale Klima aus. Der Schutz vor Erosion und vor Überflutung ist gerade für Flora und Fauna von besonderer Bedeutung und trägt dazu bei, eine reichhaltige Biodiversität zu sichern.

Genauso wichtig sind Namibias Wälder für die Menschen vor Ort. Insbesondere in der Kavango-Zambezi Region leben viele der Dorfbewohner noch auf traditionelle Art. Sie sind damit substantiell vom Ökosystem Wald abhängig. Sie sammeln wilde Früchte, Beeren und Samen für ihre Ernährung oder nutzen sie oftmals auch zur Herstellung ihrer traditionellen Medizin. Äste und Stämme werden als Baumaterialien genutzt. Ihre Kühe, Ziegen und Hühner werden mit Futter aus den Wäldern versorgt.

In den letzten Jahren ist die Nachfrage nach afrikanischem Tropenholz – vor allem aus Asien - stetig gestiegen.

In den letzten Jahren ist die Nachfrage nach afrikanischem Tropenholz – vor allem aus Asien - stetig gestiegen.

© John Grobler

Aktuelle Lage der Wälder in Namibia: Verbesserung oder Verschlechterung?

Der Bericht der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen zur Entwicklung des Waldes in Namibia aus dem vergangenen Jahr (FAO, 2020) (1) zeichnet leider kein allzu gutes Bild. 1990 gab es noch 8,8 Millionen Hektar Wald in Namibia. Dreißig Jahre später hat sich die Waldfläche mit etwa 6,6 Millionen Hektar um knapp 25 Prozent reduziert. Holz wird dabei hauptsächlich unter dem Deckmantel der Urbarmachung von Boden für landwirtschaftliche Aktivitäten eingeschlagen. Insbesondere in den vergangenen zehn Jahren wurden tausende von Hektar Wald illegal abgeholzt. Genehmigungen zum Holzeinschlag wurden oftmals willkürlich, ohne dass im Voraus ein Umweltunbedenklichkeitszertifikat (Environmental Clearance Certificate) eingeholt wurde, ausgegeben. Ein solches Zertifikat ist eigentlich verpflichtend im Rahmen des namibischen Umweltgesetzes (Evironmental Management Act). Obwohl viele Unternehmen Holz sichtlich illegal eingeschlagen haben, ist das damals zuständige Ministerium für Land- und Forstwirtschaft nicht dagegen vorgegangen. Genehmigungen wurden ohne vorherige Bestandsaufnahme herausgegeben. Das zuständige Forstdirektorat, das für die Wälder verantwortlich ist, argumentiert, dass ihm die Hände gebunden seien. Die geringen finanziellen, personellen und technischen Ressourcen würden es der Behörde nicht ermöglichen, ihrer Aufsichts- und Kontrollfunktion effektiv nachzukommen.

Medienberichten zufolge waren und sind in nahezu allen Fällen der jüngeren Vergangenheit chinesische Unternehmen in die illegale Abholzung involviert. Namibische Sub-Unternehmer werden mit der Fällung der Bäume beauftragt, LKWs transportieren die Baumstämme zum Tiefseehafen nach Walvis Bay und von dort aus wird das Holz größtenteils nach Asien verschifft. Auffällig ist, dass das Exportvolumen von Hartholz zwischen 2017 und 2019 drastisch angestiegen ist: Wurden in 2017 noch lediglich ca. 200 t nach China exportiert, waren es in 2018 ca. 3.200 t und nur in den ersten beiden Monaten des Jahres 2019 ca. 7.500 t.

In den vergangenen Jahren gab es immer wieder Versuche, den Einschlag, Transport sowie Export bestimmter Baumarten zu unterbinden. Das mit dem Umzug des Forstdirektorats in das Umweltministerium Ende 2019 verhängte Moratorium ist zurzeit immer noch in Kraft. Offiziell darf namibisches Holz nur in verarbeitetem Zustand das Land verlassen. Der Export von Holz als Rohmaterial ist demnach verboten. Verschiedene Berichte gehen aber davon aus, dass Holz nach wie vor eingeschlagen und im Rohzustand exportiert wird. Der Export von Holz aus Namibias Nachbarstaaten wie Sambia, Simbabwe oder dem Kongo ist weiterhin über den namibischen Hafen in Walvis Bay zulässig, wodurch jedoch nur sehr schwer zu überprüfen ist, ob die in Walvis Bay verschifften Baumstämme tatsächlich aus den Nachbarländern oder aus illegalen Aktivitäten in Namibia stammen.

Warum wird dort abgeholzt?

Seit 2010 ist die Nachfrage nach afrikanischem Tropenholz von Seiten des asiatischen Kontinents – insbesondere China – stark angestiegen. Hieraus ergibt sich für die lokale Bevölkerung eine lukrative Möglichkeit, unkompliziert und schnell Einkommen zu generieren. In Namibias Norden und Nordosten – dort, wo Namibias Hartholzbestände zu finden sind – leben die ärmsten Bevölkerungsgruppen des Landes. Neben der Tatsache, dass die meisten Holzernten illegal sind und somit auch in keiner Weise nachhaltig durchgeführt werden, liegen weitere Probleme darin, dass der Preis, den die lokalen Bauern pro Baumstamm erhalten, weit unter dem Weltmarktpreis liegt, sowie nahezu keine Wertschöpfungskette ‚Holz‘ in Namibia vorhanden ist.

Die lokalen Bauern erhalten etwa 15 € pro Baumstamm. Die Bäume werden hauptsächlich von lokalen Sub-Unternehmern mit Motorsägen gefällt und an Ort und Stelle in Abschnitte geschnitten, damit das Holz platzsparender und leichter transportiert werden kann. Diese Stämme werden mit LKWs zum Hafen in Walvis Bay transportiert und dort per Container größtenteils nach China verschifft. Dabei liegt der deklarierte Wert des Holzes weit unter dem realen Wert. Die ausländischen Exporteure umgehen damit höhere Steuerzahlungen. So wurden zwischen 2017 und 2019 ca. 14.700 t Holz mit einem deklarierten Wert von ca. 45.000 € exportiert. Der tatsächliche Wert hätte mit ca. 6,5Mio € allerdings ein Vielfaches über dem deklarierten Wert liegen müssen. Auf diese Weise werden nicht nur die lokalen Bauern um den eigentlichen Wert des Holzes betrogen, sondern gehen dem Staat auch immense Steuereinnahmen verloren. Darüber hinaus entgeht dem Staat aufgrund der fehlenden Wertschöpfung ein entscheidender Beitrag zum Bruttoinlandsprodukt und somit zum Wohlstand des gesamten Landes. Würde eine Wertsteigerung des Holzes in Namibia stattfinden, könnte insbesondere die Situation der lokalen Bevölkerung verbessert werden. Durch die entstehenden Arbeitsplätze könnte die Arbeitslosenrate reduziert und die Einkommenssituation der Menschen verbessert werden.

Mit LKWs werden die Baumstämme zum Hafen nach Walvis Bay gefahren und von dort größtenteils nach Asien verschifft.

Mit LKWs werden die Baumstämme zum Hafen nach Walvis Bay gefahren und von dort größtenteils nach Asien verschifft.

© John Grobler

Weswegen ist der Schutz dieser Wälder so wichtig für die Region und weltweit?

Der Schutz der namibischen Wälder ist in vielerlei Hinsicht von großer Bedeutung. Global betrachtet kommt den Wäldern eine wichtige Rolle bei der Abmilderung des Klimawandels zu. Das Ökosystem Wald ist ein enormer CO2-Speicher. Daneben produzieren Wälder Sauerstoff und säubern die Atmosphäre von Staubpartikeln und Schadstoffen. Nicht umsonst werden Wälder auch als die ‚grüne Lunge der Erde‘ bezeichnet. Regional betrachtet sind Wälder entscheidend für die klimatischen Verhältnisse der Region, denn sie regulieren die Niederschlagsmenge. Dort wo Wälder zu finden sind, ist in der Regel auch mehr Regen zu verzeichnen. Darüber hinaus stellt gerade der Nord-Osten Namibias mit seinen Trockenwäldern eine touristische Attraktion dar. Viele Menschen in der Region profitieren direkt oder indirekt von den Touristen, die es u.a. aufgrund der beeindruckenden Wälder in diese eher strukturschwachen Regionen Namibias verschlägt. Des Weiteren ist die traditionelle Nutzung der Wälder von Bedeutung; sie sind die Lebensgrundlage der lokalen Bevölkerung. Der Wald dient ihnen als Ressource für ihre traditionelle Medizin und spendet ihnen Nahrungsmittel, wie wilde Früchte, sowie Baumaterial. Gegen die kommerzielle Nutzung der Holzressourcen durch die lokale Bevölkerung ist per se nichts einzuwenden, jedoch muss diese Nutzung fair und nachhaltig sein, sodass das Erbe der nachfolgenden Generationen erhalten wird und auch diese von der Ressource Wald profitieren können.

Nur langsam wachsen Nutzhölzer wie Kiaat, Sambesi Teak oder Afrikanisches Rosenholz.

Nur langsam wachsen Nutzhölzer wie Kiaat, Sambesi Teak oder Afrikanisches Rosenholz.

© Collien Mannheimer

Wie könnte die Entwicklung hin zu einer nachhaltigen Holzwirtschaft aussehen?

Namibias Rechtsgrundlage im Forstsektor ist an für sich als gut zu bezeichnen. Jedoch weist ihre Umsetzung in der Praxis erhebliche Mängel auf. Gründe hierfür liegen u.a. in Misskommunikation, Misswirtschaft sowie Korruption. In Namibia ist ein hervorragendes Expertenwissen vorhanden, allerdings kann die Situation zwischen v.a. Naturschutz- und Umweltorganisationen sowie Umweltaktivisten auf der einen Seite und staatlichen Entscheidungsträgern auf der anderen Seite als ziemlich festgefahren beschreiben werden - Anschuldigungen gehen dabei in beide Richtungen. Umso wichtiger ist es, einen aktiven Multi-Stakeholder-Dialog zwischen den verschiedenen Parteien zu etablieren, sodass ein Austausch von Expertenwissen mit den Entscheidungsträgern (wieder) stattfinden kann. Ein erster Schritt ist, das Bewusstsein aller Beteiligten zu schärfen und Aufmerksamkeit auf das Problem der nichtnachhaltigen Abholzung bzw. den Wert nachhaltiger Praktiken zu lenken. Erst wenn das Thema eine kontinuierliche Aufmerksamkeit in den Medien und dazugehörigen öffentlichen Diskussionsveranstaltungen erhält, wird der Druck auf die Entscheidungsträger so groß sein, dass sie zum Handeln geleitet werden. Gleichzeitig müssen das Wissen und die Fähigkeiten aller Stakeholder über nachhaltige Praktiken in der Forstwirtschaft auf das gleiche Level angeglichen werden. Eine solche Praktik ist das Konzept der nachhaltigen Waldbewirtschaftung.

Insbesondere der lokalen Bevölkerung muss bewusst werden, was für eine wertvolle Ressource ihnen zur Verfügung steht und wie wichtig es ist, diese nachhaltig zu nutzen, damit auch die nachfolgenden Generationen von ihr profitieren können. Mit Blick auf die Gesetzgebung wäre es eine wichtige Entwicklung, wenn das Forstgesetz an die aktuellen Entwicklungen und internationale Standards der nachhaltigen Waldbewirtschaftung angepasst würde. Entsprechende Bestrebungen sollten auch darauf abzielen, bestehende Lücken in der Gesetzgebung zu schließen und rechtliche Grauzonen, die sich kriminelle Elemente zu Nutze machen, abzuschaffen. Zugleich wäre es ein wichtiger Schritt, die Forstbehörde so mit Ressourcen auszustatten, dass sie ihrem gesetzlichen Mandat gerecht kann. Des Weiteren sollte der Privatsektor gestärkt werden, sodass eine Wertschöpfungskette ‚Holz‘ entstehen kann, der reale Wert der Holzressourcen in Namibia verbleibt und nicht von ausländischen Unternehmen entwendet wird.

Wie setzt sich die HSS für dieses Ziel ein?

Die HSS Namibia implementiert zusammen mit ihrem lokalen Partner Desert Research Foundation of Namibia (DRFN) seit Oktober 2020 ein von der EU finanziertes Projekt, um genau zu diesen Herausforderungen einen Beitrag zu leisten. Mit dem Projekt‚ Promoting Sustainable Forest Management in the Kavango-Zambezi-Region in Namibia soll ein Beitrag zu einer verbesserten Implementierung des Konzeptes der nachhaltigen Waldbewirtschaftung in den stark von illegaler Abholzung betroffenen Regionen im Nord-Osten des Landes geleistet werden. Ziel des Projektes ist es, einen kontinuierlichen Multi-Stakeholder-Dialog zwischen allen Beteiligen zu etablieren, um der oben beschriebenen Misskommunikation sowie dem fehlenden Austausch von Expertenwissen entgegenzusteuern. Zum einen streben wir an, das Verständnis für das Konzept der nachhaltigen Forstwirtschaft sowie dessen Vorteile zu verbessern. Hierzu führen wir eine nationale Informationskampagne durch und erstellen Lehr- und Informationsmaterialien. Zum anderen streben wir an, die Kapazitäten zur Umsetzung des Konzeptes der nachhaltigen Forstwirtschaft aufzubauen. Hierzu werden nationale Konferenzen, Workshops sowie Seminare organisiert. Außerdem zielt das Projekt darauf ab, die Wertschätzung für andere und abweichende Perspektiven hinsichtlich einer nachhaltigen Forstwirtschaft durch verschiedene Dialogmaßnahmen und Studienreisen zu verbessern.

Gab es eine Veränderung des namibischen Forstgesetzes?

Namibia hat mit seinen Gesetzen im Forstbereich grundsätzlich eine gute legislative Grundlage. Allerdings ist eines der wichtigsten Gesetze in diesem Bereich, der sogenannte Forestry Act, bereits 21 Jahre alt und - gerade mit Blick auf die Auswirkungen des Klimawandels – nicht mehr als zeitgemäß zu bezeichnen. Erfreulicherweise können wir hier die Kollegen von der Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) unterstützen, die in Zusammenarbeit mit der obersten Forstbehörde Namibias derzeit daran arbeiten, einen Vorschlag zur Änderung des Forstgesetzes zu entwickeln.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Grundsätzlich wünschen wir uns, dass wir mit unserem EU-finanzierten Projekt einen positiven Beitrag zu den genannten Zielen leisten können. Ziel muss es sein, dass Namibias Wälder von allen Stakeholdern eine größere Wertschätzung erfahren und zugleich eine maßvolle Nutzung im Sinne der nachhaltigen Waldbewirtschaftung gegeben ist.

Konkret hoffen wir auch, dass wir mit unserem Projekt über die Landesgrenzen Namibias hinweg für Aufmerksamkeit sorgen können, und somit zusätzliche Mittel generieren können, um erstmalig eine landesweite Waldinventur auf den Weg bringen zu können. Eine solche Waldinventur wäre ein elementarer Baustein zur weiteren Entwicklung eines Forstmanagement-Plans, der eine nachhaltige Nutzung der forstlichen Ressourcen ermöglichen und zugleich sicherstellen würde, dass auch unsere nachfolgenden Generationen die Schönheit der namibischen Wälder erleben dürfen.

Autoren: Dr. Clemens von Doderer (Auslandsmitarbeiter HSS Namibia) und Dr. Lara Beer (Projektmanagerin HSS Namibia)

Afrika südlich der Sahara
Klaus Liepert
Leiter
Namibia
Dr. Clemens von Doderer
Projektleitung