Print logo

Duque gewinnt Präsidentschaftswahlen
Konservativer Neuanfang in Kolumbien

Iván Duque heißt der zukünftige Staatspräsident Kolumbiens, der am 7. August als mit 41 Jahren jüngster Staatspräsident der Geschichte Kolumbiens dem Friedensnobelpreisträger Juan Manuel Santos nachfolgen wird. Ihm zur Seite steht als Vizepräsidentin mit Marta Lucía Ramírez zum ersten Mal eine Frau.

Der rechtskonservative Duque setzte sich 53,98 Prozent der Stimmen eindeutig gegen Gustavo Petro durch, auf den 41,81 Prozent der Stimmen entfielen. Beide Präsidentschaftskandidaten stehen für extrem unterschiedliche politische Positionen und markieren den linken und rechten Rand der politischen Landschaft Kolumbiens.

Koloniales Gebäude mit großem 3-dimensionalem Schriftzug aus Plastik auf dem Platz davor: Colombia decide (Kolumbien entscheidet)

Iván Duque setzte sich mit 53,98 Prozent der Stimmen eindeutig gegen Gustavo Petro (41,81 Prozent) durch.

HSS

Gustavo Petro, Ex-Guerillero und ehemaliger Bürgermeister der auch bei diesem Wahlgang mehrheitlich links wählenden Hauptstadt Bogotá, hatte sich die Themen Frieden, Chancengleichheit und Armutsbekämpfung auf die Fahne geschrieben. Er steht für Subventionspolitik und den Kampf gegen das konservative politische Establishment. Kritiker werfen ihm seine extremen Positionen und seine ideologische Nähe zum Chavismus und der venezolanischen Regierung Maduro vor – für sehr viele Kolumbianer angesichts der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Lage im Nachbarland und einer nicht endenden Fluchtbewegung aus demselben, ein sprichwörtlich rotes Tuch. Erst in jüngster Zeit hatte er in Interviews eine Kehrtwende hingelegt und sich zaghaft verbal von Maduro distanziert.

All dies machte Petro für Duque zum „Besten“ aller denkbaren Gegner. Nicht nur das rechte Lager unterstützte Duque in diesem zweiten Wahldurchgang, sondern auch Parteien der Mitte, welche die von ihm angekündigten Änderungen am Friedensabkommen mit der inzwischen zur Partei gewordenen Ex-Guerilla FARC im Kern eigentlich ablehnen.

Flagge Kolumbiens

Das traditionell gesellschaftlich und politisch konservative Kolumbien rückt weiter nach rechts.

RonnyK; CC0; Pixabay

Noch vor einem halben Jahr kannten laut Umfrage nur 17 Prozent der Kolumbianer Iván Duque. Der Konservative steht der Wirtschaft und den in Kolumbien hoch angesehenen Streitkräften nah. Auch der Gewerkschaftsverband unterstützte ihn und nicht etwa Petro. Politisch ganz besonders wahrgenommen wurde Duque für seine kritische Sicht auf Teile des Friedensabkommens, in welchem der inzwischen zur Partei gewordenen Guerilla FARC nach seiner Lesart zu viele Zugeständnisse und den Streitkräften zu viele Bürden aufgelastet werden. Eine Position, die in der kolumbianischen Bevölkerung mehrheitlich unterstützt wird.

Das Ergebnis der Wahlen bestätigt das Ergebnis der Kongresswahlen vom März des Jahres: Das traditionell gesellschaftlich und politisch konservative Kolumbien rückt weiter nach rechts. Die neue Regierung wird sich auf eine stabile Mehrheit im Kongress stützen können. Unter der Führung des exzellenten Rhetorikers Petro, der als zweitplatzierter ein Senatsmandat erhält, wird sie sich auch einer lebendigen Opposition gegenübersehen.

Blick auf den Präsidentenpalast von einer umgebenden Mauer aus, ein eindrucksvolles Sandsteingebäude mit Säulen im klassischen Stil.

Duque wird mit 41 Jahren jüngster Staatspräsident der Geschichte Kolumbiens.

Miguel Olaya; CC0; Wikimedia Commons

Das Erbe Uribes: Neue Friedenspolitik?

Obwohl im Kern weit bürgerlicher und in der Sache moderater als viele seiner Parteikollegen des Centro Democrático, wurde und wird Duque von Kritikern als Feind des Friedens geschmäht. Dies nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass er Kandidat und enge Vertrauensperson seines Parteichefs, des Ex-Präsidenten (2002-2010) Álvaro Uribe, ist. Uribe ist ein radikaler Kritiker von der von Santos betriebenen Friedenspolitik. Die von Uribe gegründete Partei Centro Democrático, die sich in kurzer Zeit zur einflussreichsten des Landes entwickelte, hat die vehemente Kritik am Friedenskurs von Präsident Santos zu ihrem Markenkern und Gründungsmythos gemacht. Uribe ist der einflussreichste Politiker des Landes und viele Kolumbianer definieren ihren politischen Standort indem sie sich als Uribista oder Anti-Uribista einordnen. Wie weit der Einfluss von Uribe auf Duque als Staatspräsident sein wird, ist daher eine der in der politischen Landschaft Kolumbiens am stärksten diskutierten Fragen.

Klar ist, dass die neue Regierung Änderungen am Friedensabkommen mit der FARC bzw. dessen Umsetzung vornehmen wird. So sollen Angehörige der ehemaligen Guerilla und nunmehrigen Partei FARC, die nachweislich Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen begangen haben, von der Übernahme politischer Ämter ausgeschlossen werden. Auch die aktive Mitwirkung am Drogenhandel soll ein Ausschlussgrund sein – bislang ist beides nicht der Fall. Die FARC hat sich bislang in der Drogenfrage wenig kooperativ gezeigt und behauptet weiterhin, den Drogenhandel lediglich „besteuert“ zu haben – sachlich falsch handelt es sich dabei um die große Lebenslüge der FARC. Ein weiteres Thema ist die strafrechtliche Behandlung von Angehörigen der kolumbianischen Streitkräfte. Tausende Polizisten und Soldaten sitzen in Gefängnissen, während dies bei Kämpfern der als Terrororganisation eingestuften FARC nur sehr vereinzelt der Fall ist. Hier sind Änderungen zu erwarten, damit Angehörige der Streitkräfte auch de facto nicht schlechter gestellt werden als Mitglieder der Guerilla.

Mehr als eine Million venezolanischer Flüchtlinge haben in jüngerer Zeit in Kolumbien Zuflucht gesucht. Ein Zeichen des Versagens des Links-Populismus im Nachbarland.

r@ge; CC0; wikimedia commons

Von einem radikalen Bruch mit Santos‘ Friedenspolitik kann angesichts der Beschränktheit der geplanten Änderungen daher nicht die Rede sein, auch wenn natürlich das Risiko besteht, dass sich künftig noch mehr ehemalige Guerilleros von der Eingliederung in das zivile oder politische Leben verabschieden, und sich kriminellen Banden der Organisierten Kriminalität anschließen. Die Gefahr der Wiederaufnahme eines politisch motivierten Kampfes im Sinne einer Neuauflage der FARC ist hingegen eher gering – solange Duque nicht übersteuert und bei seinen Ankündigungen aus dem Wahlkampf bleibt.

Ein konservativer Neuanfang

Nicht nur die Frage der zukünftigen Ausgestaltung der Friedenspolitik, sondern auch die Person Uribe selbst wirft einen Schatten auf die neue Regierung: Uribe sieht sich gleich mehreren staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegenüber, unter anderem wegen mutmaßlicher Verbindungen zu Paramilitärs in den 1990er Jahren. Daher befürchten Kritiker aus der kolumbianischen Linken Einflussnahme und strukturelle Veränderungen im Justizapparat durch die neue Regierung, die dem Schutz Uribes dienen sollen.  

Dass die Hauptakteure der neuen Regierung, Iván Duque und Marta Lucía Ramírez, dieses Ziel verfolgen ist jedoch eher unwahrscheinlich – beide treten ihre Ämter mit blütenweißer Weste an und die positive Reputation war einer der Gründe für das hervorragende Wahlergebnis. Iván Duque, in der Vergangenheit von seinen Mandatskollegen als bester Senator des kolumbianischen Kongresses ausgezeichnet, steht weit mehr für Transparenz und Stabilität, als es viele Beobachter im In- und insbesondere im fernen Ausland wahr haben wollen, die mit dem Bild vom Feind des Friedensprozesses die Realität völlig überzeichnen. Ramírez war erste weibliche Verteidigungsministerin Lateinamerikas, hat umfangreiche Erfahrung in öffentlichen Ämtern und steht wie kaum eine zweite Frau in Kolumbien für die Themen Gute Regierungsführung sowie Transparenz und Korruptionsbekämpfung.

Wirtschaftsfreundliche Regierung

In seiner auch von traditionellen Kritikern sehr positiv aufgenommenen ersten Rede nach der Wahl machte Duque deutlich, dass seine Regierung auf Einbindung aller gesellschaftlichen Gruppen setzt und die sozialen Herausforderungen, denen sich Kolumbien gegenüber sieht, erkannt hat. Klar ist, dass er auf Wohlstandsgewinne über eine positive wirtschaftliche Entwicklung setzt, und nicht in erster Linie auf Umverteilung, wie etwa sein linker Gegenkandidat.

Sowohl Duque, der mehrere Jahre als Berater bei der Interamerikanischen Entwicklungsbank – BID in Washington tätig war, als auch Ramírez, ehemalige Außenhandelsministerin, stehen für ökonomische Expertise und innovative Modelle der Förderung der Privatwirtschaft. Beide stehen für Investitionssicherheit, ein Pfund, mit dem Kolumbien in einer schwierigen Region auch in Zukunft wird wuchern können.

Es stellt sich allerdings die Frage, wie stark sich die Regierung von den eigenen politischen Unterstützern wird emanzipieren können: Denn es sind die traditionellen, strukturkonservativen Kreise, welche die Regierung Duque an die Macht gebracht haben. Dennoch steht das Regierungsduo Duque-Ramírez für einen Neuanfang, für das Streben nach Exzellenz und anti-klientelistische Politik. Zu erwarten ist ein junges Kabinett, denn Duque hatte im Wahlkampf angekündigt, Kabinettsposten nicht nach Proporz, sondern ausschließlich nach Eignung und Leistung zu vergeben. Drei Viertel der Kabinettmitglieder sollen dabei unter 45 Jahren sein – ein bislang einmaliges Vorhaben.

Bevölkerung sucht Stabilität und Orientierung

Das Wahlergebnis ist auch Ausdruck der Verunsicherung weiter Teile der Bevölkerung, die Stabilität in einer Zeit des Wandels suchen. Eine Bevölkerungsmehrheit unterstützt den Friedensschluss mit der FARC. Statt Erleichterung über den Friedensschluss ist jedoch vielfach Verunsicherung zu spüren. Dies gerade bei Bürgern in den vielen Regionen und Städten, die in den vergangenen Jahren gar nicht unter dem bewaffneten Konflikt litten. Eine Rolle spielt dabei auch die Furcht vor grundlegenden Verschiebungen in der politischen Landschaft, also die Angst vor den von der Rechten viel zitierten „venezolanischen Verhältnissen“. Mehr als eine Million venezolanischer Flüchtlinge haben in jüngerer Zeit in Kolumbien Zuflucht gesucht und jeder einzelne ist ein Spiegelbild des Versagens des Links-Populismus im Nachbarland.

Spürbar ist in Kolumbien auch die Verklärung und Sehnsucht nach der rund zehnjährigen Phase des sehr starken wirtschaftlichen Aufschwungs im Zuge des Booms der Rohstoffpreise, die mit der Zeitspanne von etwa 2003 bis 2012/2013 vor allem in Amtszeit von Staatspräsident Uribe fällt. Zugleich war diese von militärischen Erfolgen der Streitkräfte und einem massiven Gewinn an Sicherheit und Bewegungsfreiheit geprägt. Das Land, das um die Jahrtausendwende bei Sicherheit- und Wirtschaftslage vor einem tiefen Abgrund stand, hatte wie Phönix aus der Asche einen Aufschwung erlebt.  

Die Wahl Duques ist Ausdrucks des Wunsches der Bevölkerung, an diese Erfolge anzuknüpfen. Die zweite Amtsperiode von Santos wurde von einer großen Bevölkerungsmehrheit negativ bewertet, seine Umfragewerte sind katastrophal niedrig. Neben dem – in der Bevölkerung umstrittenen – Friedensabkommen steht die kürzlich erfolgte Aufnahme des Landes in die OSZE und die Ernennung zum „Strategischen Partner“ der NATO auf der Habenseite. Innenpolitisch sind die Ergebnisse hingegen dürftiger und die wirtschaftliche Entwicklung hat sich deutlich abgekühlt. Die Wirtschaft anzukurbeln und die Folgen der Flüchtlingskrise abzufedern wird daher die Hauptaufgabe der neuen Regierung sein – hierfür ist sie gewählt worden und hieran wird sie gemessen werden auch wenn angesichts der geplanten fiskalpolitischen Maßnahmen mit einer verzögerten Wirkung zu rechnen ist. Es könnte also durchaus erst einmal schlechter werden, bevor es besser wird.

Kurzfristige und zugleich nachhaltige Erfolge wird die neue Regierung bei der Bekämpfung des Drogenanbaus (Kokain) suchen, der im Zuge der Friedensgespräche insbesondere seit dem Jahr 2014 dramatisch angestiegen ist und ein Allzeithoch erreicht hat. Betrug die Anbaufläche von Koka 2013 noch 48.000 Hektar, sind es nach offiziellen Angaben der kolumbianischen Regierung heute 180.000 Hektar. Die Vereinigten Staaten nennen hingegen eine Größenordnung von 220.000 Hektar während einige Experten von bis zu 300.000 Hektar sprechen und die Zahlen der Regierung als politisch geschönt bezeichnen. Hier bleibt ein deutlich repressiveres Vorgehen zu erwarten und unter anderem eine Wiederaufnahme der Glyphosatbesprühung von Kokafeldern aus der Luft. Auf der Bekämpfung der neuen, nach dem offiziellen Ausscheiden der FARC aus dem Geschäft deutlich pluralistischeren Strukturen des Drogenanbaus und –handels und der Organisierten Kriminalität wird neben der Wirtschaftsfrage ein Hauptaugenmerk der neuen Regierung liegen, die sicherheitspolitisch eine strikte Law and Order-Politik verfolgen wird.