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Auswirkungen für Korea
Die amerikanischen Präsidentschaftswahlen und die koreanische Halbinsel

Mit Aufmerksamkeit wurden die amerikanischen Präsidentschaftswahlen und der Wahlsieg von Joe Biden in Südkorea verfolgt. An den künftigen US-Präsidenten knüpfen sich viele Hoffnungen und Erwartungen. Wie wird sich das Militärbündnis mit den USA entwickeln? Wie wird die Nordkoreapolitik gestaltet? Wie wird die künftige Wirtschafts- und Handelspolitik zwischen USA und Korea aussehen?

  • Wesentliche Anliegen von Südkorea: Nordkorea-Politik und amerikanisch-südkoreanische Allianz
  • Perspektiven der Wirtschafts- und Handelspolitik 
  • Mehr Multilateralismus, aber keine völlig neue Politik

Der Wahlsieg von Joe Biden und der Demokratischen Partei ist in Südkorea mit Aufmerksamkeit registriert worden, allerdings ohne die in Europa weitverbreitete Häme gegenüber Präsident Trump. Präsident Moon Jae-In sprach in seinem Glückwunsch von den grundsoliden, starken Beziehungen der USA mit Südkorea in der Allianz und endete seine Nachricht mit den Worten „Kacchi kapshida“ (Lass uns gemeinsam gehen!). Das ist eine Art Wahlspruch der Allianz, den vorher schon der zukünftige Präsident Biden in einem Beitrag der koreanischen Nachrichtenagentur Yonhap News genutzt hatte.

Anbahnung von Kontakten

Außenministerin Kang Kyung-wha ist am 08. November nach Washington geflogen, um regelmäßige Konsultationen mit Außenminister Mike Pompeo zu halten. Ob sie auch Joe Biden treffen wird, ist noch unklar. Bei ihrem Abflug unterstrich sie die Normalität und Haltbarkeit der Allianz. Die wirtschaftlichen Aussichten der Biden-Präsidentschaft werden überwiegend positiv gesehen, es gibt aber sektoral deutliche Unterschiede und vielfache Bedenken. Insgesamt erhofft man sich, wie wohl weltweit, eine einfachere Partnerschaft, stärker multilateral organisiert und weniger auf konfrontative Diplomatie ausgelegt. Allerdings sieht man auch, dass viele inhaltliche Positionen, etwa zu China, sich nicht wesentlich ändern werden können.

„Kacchi kapshida - Lass uns gemeinsam gehen!" – diesen Wunsch äußert der südkoreanische Präsident Moon Jae-In für die künftige Zusammenarbeit mit Amerika.

„Kacchi kapshida - Lass uns gemeinsam gehen!" – diesen Wunsch äußert der südkoreanische Präsident Moon Jae-In für die künftige Zusammenarbeit mit Amerika.

HSS/Korea

Wesentliche Anliegen von Südkorea

Das wichtigste Thema ist in Südkorea die Frage, wie künftig die Nordkoreapolitik aussehen und sich das Militärbündnis mit den USA entwickeln wird. Unter Präsident Trump hatte es – zunächst so von den meisten nicht erwartet – eine dynamische Entwicklung durch Gipfeltreffen gegeben. Gleichzeitig war das Militärbündnis durch für Südkorea nicht akzeptable finanzielle Forderungen Trumps sehr gespannt. Die Gipfeldiplomatie hat Präsident Moon durchaus geholfen und ihn sogar kurzfristig in die Rolle eines Mediators zwischen Nordkorea und den USA gebracht. Diese Rolle wurde von Nordkorea letztlich nicht akzeptiert, wie sich nach dem Treffen von April 2019 zeigte, als eine Einigung über das Nuklearprogramm scheiterte und auch die innerkoreanischen Fortschritte komplett zurückgefahren wurden.

Biden hatte am 30. Oktober, kurz vor den Wahlen, bei Yonhap News (vergleichbar der deutschen dpa) einen Artikel verfasst, in dem er die Bedeutung der Allianz für die USA, den Beitrag der koreanischen Immigranten für die Entwicklung der USA und einige Grundsätze seiner künftigen Nordkoreapolitik darlegte. Im Artikel erinnert er sich, 2013 an der DMZ die gespannte Lage der koreanischen Halbinsel mitgefühlt zu haben und unterstreicht – damit indirekt Präsident Trump kritisierend – dass er niemals rücksichtslos den Abzug der US-Truppen fordern würde. Er verspricht eine prinzipientreue Diplomatie und Druck auf Nordkorea zur Denuklearisierung sowie sich für die Einheit Koreas einzusetzen.

Die künftige US-Außenpolitik

Biden hat sich mit einem über 2 000 Experten umfassenden Team auf die zukünftige Außenpolitik vorbereitet, die in 20 Arbeitsgruppen u.a. die Themen Nationale Sicherheit und Rüstungskontrolle, Verteidigung, Geheimdienste bearbeiteten. Dazu gehörten nach einem Bericht von Foreign Policy vor allem frühere Angehörige der entsprechenden Institutionen, z.B. Frank Kendall III und Christine Wormuth, Unterstaatssekretäre für Verteidigung der Obama Administration. Der Asienbereich wurde von Ely Ratner geleitet, Executive Vice President und Director of Studies am Center for a New American Security (CNAS), der früher bereits stellvertretender Nationaler Sicherheitsberater für Vizepräsident Biden war. Man kann erwarten, dass er eine herausgehobene Rolle in der zukünftigen Asienpolitik Bidens spielen wird.

Geplante Gespräche

Biden selber hat mehrfach Südkorea besucht, aber ist nur selten mit Präsident Moon zusammengekommen. Aus der südkoreanischen Regierungspartei haben Moon Chung-In, einflussreicher Berater für Wiedervereinigung von Präsident Moon, sowie der Abgeordnete Song Young-Gil besondere Beziehungen zu Biden, ebenso wie der frühere UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon, sowie aus der Opposition die Abgeordneten Park Jin und Cho Tae-Yong. Song Young-Gil will als Vorsitzender des Ausschusses für Außenpolitik und Wiedervereinigung in der koreanischen Nationalversammlung schon bald mit anderen Ausschussmitgliedern in die USA reisen, um Gespräche mit dem Team des neuen Präsidenten zu führen.

Die amerikanische Nordkorea-Politik

Insgesamt geht man davon aus, dass die Nordkorea-Politik wieder „traditioneller“ wird und der Politik der „strategischen Geduld“ Obamas gleichen könnte, d.h. mehr Wert auf Sanktionen gelegt wird, multilaterale Abstimmung und Treffen mit den Nordkoreanern allenfalls auf Arbeitsebene stattfinden werden. Das Problem dabei ist, dass die Arbeitsebene in Nordkorea nicht entscheidungsfähig ist. Geduld hat in der Vergangenheit regelmäßig dazu geführt, dass Nordkorea die Provokationen solange erhöht hat, bis es eine Reaktion gab. Biden erklärte im Wahlkampf, den nordkoreanischen Staatsführer Kim Jong-Un nur dann zu treffen, wenn es zu einer Denuklearisierung käme. Für Südkorea ist besonders wichtig, ob es, wie von Präsident Moon gewünscht, Möglichkeiten für eine eigenständigere Nordkorea-Politik gibt, die nicht unter die Sanktionen fällt. Dies war unter Trump letztlich nicht gelungen – ob es unter Biden gelingt, ist unklar. Wenn es zu keinen Gipfeltreffen mehr käme, so könnte dies die Flexibilität Südkoreas sogar mehr einschränken als zuvor.

Wie wird Nordkorea reagieren?

Nordkorea hat noch nicht reagiert auf die Wahl Bidens. Vermutlich will man erst die Sicherheit haben, dass er auch wirklich sein Amt antreten wird, solange Präsident Trump seine Wahlniederlage noch nicht zugegeben hat. Zweitens ist man sich vermutlich noch nicht klar, wie man mit einem Präsidenten Biden umgehen soll. In der Vergangenheit hatte Biden Kim Jong-Un als Diktator und Gangster bezeichnet, während Nordkorea von einem „Mann mit niedrigen IQ, zerfressen von Ehrgeiz“ geredet hat. An sich muss das kein Problem sein – auch mit Trump wurden solche Äußerungen ausgetauscht. Die Rückkehr zur Politik der Obama-Zeit wird vermutlich eher als eine Verschlechterung der Lage gesehen. Zudem könnte eine Verbesserung des Verhältnisses der USA zu China, falls Joe Biden dies wirklich erreichen kann, die jetzigen Interessen Chinas, Nordkorea zu unterstützen, verändern.

Die Militärallianz zwischen den USA und Südkorea

Eine klare Verbesserung darf man beim Management der Militärallianz erwarten. Trump hatte mit brachialer Gewalt eine Vervielfachung der Stationierungskosten der US-Truppen in Südkorea gefordert und teilweise erreicht. Das sogenannte „Special Measures Agreement“, das die Stationierung der US-Truppen regelt, war in den letzten Jahren dauernde Streitquelle. Dieses Jahr forderten die USA zunächst fünf Milliarden US-Dollar, später dann 1,3 Milliarden, was immer noch eine 50-prozentige Erhöhung des Beitrags von 2019 darstellt. Unklar ist, was mit den THAAD-Batterien (Terminal High Altitude Area Defense) passiert, die zur Abwehr nordkoreanischer, aber auch chinesischer Raketen in Südkorea stationiert sind. Sie könnten einem Abkommen mit China zum Opfer fallen. Unklar ist die Entwicklung auch bei der Übergabe der operativen Kontrolle der Streitkräfte Südkoreas im Kriegsfall. Derzeit sind diese noch den USA unterstellt, ein Ergebnis des Koreakriegs. Südkorea versucht dies seit Jahren zu ändern. Viele Experten gehen davon aus, dass die Bedingungen dafür derzeit noch nicht gegeben sind. Da es sich um ein Prestigeprojekt der Moon-Regierung handelt, könnte nun Bewegung in das Thema kommen. 

Nach der Wahl von Joe Biden zum amerikanischen Präsidenten hofft Südkorea, das sich das Verhältnis zu den USA entspannen wird.

Nach der Wahl von Joe Biden zum amerikanischen Präsidenten hofft Südkorea, das sich das Verhältnis zu den USA entspannen wird.

HSS/Korea

Perspektiven der Wirtschafts- und Handelspolitik

Auch für die Wirtschafts- und Handelspolitik werden weitreichende Änderungen erwartet. Südkorea bereitet sich darauf vor mit einer Arbeitsgruppe der entsprechenden Ministerien und Institutionen. Generell wird hier von einem einfacheren Umgang vor allem in der Handelspolitik ausgegangen, eventuell sogar einer Rückkehr der USA zur Transpazifischen Partnerschaft (TTP). Auch im Umweltbereich wird es eine wichtige Änderung geben, nämlich die Rückkehr der USA zum Übereinkommen von Paris und damit zum Klimaschutz. Dies, sowie die angekündigten Investitionen in erneuerbare Energien, scheint zunächst eine ähnliche Politik wie die von Präsident Moon mit dem „Green New Deal“ Südkoreas zu sein und somit positiv auf Südkorea zu wirken. In Südkorea wird genau beobachtet, ob damit eventuell ein stärkerer Druck verbunden sein könnte, CO2-Reduzierungen nicht wie bisher freiwillig anzubieten, sondern politisch festzuschreiben. Der Schritt von der grünen Rhetorik zur tatsächlichen CO2-Senkung kann ziemlich drastisch ausfallen für die südkoreanische Wirtschaft, die ohnehin unter zu hohen Arbeitskosten durch Mindestlöhne, Arbeitslosigkeit und die Covid-19-Krise leidet.

Unterschiedliche Bewertung der Wahl von Joe Biden

Die Auswirkungen der Wahl von Joe Biden werden deswegen sektoral sehr unterschiedlich bewertet. Insgesamt erwartet man, dass „grüne Aktien“, z.B. im Bereich erneuerbarer Energien, von Bidens Wahlsieg profitieren. Für Öl-Raffinerien, ein in Südkorea wichtiger Sektor, obwohl Südkorea kein ölproduzierendes Land ist, könnte die Lage schwieriger werden, wenn die Ölförderung in den USA (z.B. Fracking) eingeschränkt wird. Koreanische Banken in den USA erwarten eine striktere Regulierung ihrer Aktivitäten. Für den Technologiebereich und andere Industriesektoren ist das Verhältnis der USA zu China entscheidend. Beispielsweise hat Südkorea unter starkem Importdruck bei billigem chinesischem Stahl gelitten, da die USA die Stahlimporte Chinas drastisch beschnitten haben. Für solche Sektoren könnte es Erleichterungen geben. Auch im Technologiebereich könnte es dort Erleichterungen geben, wo südkoreanische Firmen auf die Zusammenarbeit mit chinesischen Zulieferern angewiesen sind.

Ausblick – mehr Multilateralismus, aber keine völlig neue Politik

Die Wahl Bidens wird das Verhältnis Südkoreas (wie wohl der ganzen Welt) zu den USA insgesamt in ein ruhigeres Fahrwasser leiten. Allerdings wird sich wohl keiner der großen Trends umkehren, die unter Präsident Trump begonnen haben oder zum ersten Mal von ihm offensichtlich gemacht wurden und konsequent, mit Freude am Konflikt, auf die Spitze getrieben wurden. Dazu gehört vor allem das schwierige Verhältnis der USA zu China. Wenn auch persönliche Eitelkeiten und Spitzen dabei eine gewisse Rolle gespielt haben könnten, so ist doch der neue kalte Krieg weder eine Erfindung Trumps noch ließe er sich von Biden rückgängig machen, ohne eine Reihe von Grundsätzen aufzugeben, die für ihn ja gerade entscheidend sein sollen, und ohne wichtige Verbündete im Stich zu lassen. Das Verhältnis zu Japan und die Entstehung der „Quad“ (Quadrilateral Security Dialogue), einer informellen Gruppe aus den USA, Japan, Indien und Australien, die Ministerpräsident Shinzo Abe von Japan schon 2007 eingeleitet hat, bleiben interessant, aber schwierig. Südkorea war eingeladen an der Gruppe teilzunehmen, die spezifisch, wenn auch nicht explizit, gegen das aggressive chinesische Auftreten gerichtet ist. Es hat sich aber, aus Rücksicht auf China, dagegen entschieden. Atmosphärisch könnte es unter Präsident Biden einfacher werden mit China, auch im Handelsbereich. Ob das reicht, um auch einen Einfluss auf die Nordkorea-Politik zu haben, bleibt ungewiss und ist meines Erachtens nach sehr unwahrscheinlich.

Für Südkorea, wie auch für Deutschland und andere Staaten, ist die neue US-Administration sicherlich einfacher zu handhaben. Aber möglicherweise wird Südkorea dann eben auch auf der koreanischen Halbinsel wieder nur einer von mehreren, vor allem internationalen Akteuren, sein. Fortschritte im innerkoreanischen Verhältnis werden dann eher schwieriger zu erreichen sein. Es wird für Südkorea deshalb entscheidend sein, einen „politikfreien“ Raum für zivilgesellschaftliche Aktionen zu schaffen, in dem die Ziele der Nordkoreapolitik, wie die Schaffung von Vertrauen und menschlichen Begegnungen beider Seiten, auch erreicht werden, solange die zwischenstaatlichen Beziehungen sich noch nicht verändert haben.

Dr. Bernhard Seliger

Nordost- und Zentralasien
Veronika Eichinger
Leiterin
Dr. habil Bernhard Seliger
Repräsentant der Hanns-Seidel Stiftung in Korea